Ein Kraftwerk im Tegernsee – nur wo?

Energiegewinnung durch Seewasser. Diese Vision, aufgeworfen durch einen Tegernseer Arbeitskreis, wandert nach und nach durch die Gemeinden.

Zuerst hatte sich Peter Janssen positiv zu der Vision punktuell Energie aus dem Seewasser zu “produzieren” geäußert. Dann kam die Idee auf das sanierte Seeforum und das angeschlossene Freibad in Rottach-Egern mit der Technik zu bestücken.

Doch nun steht der Ansatz im Raum die geplante Therme in Bad Wiessee direkt mit einer Wärmekraftanlage auszustatten. Auch der Architekt Matteo Thun soll dem Vorschlag positiv gegenüberstehen. Doch wie funktioniert das Prinzip im Einzelnen?

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Unterm Strich steht ein Energiegewinn

Seen wie der Tegernsee haben in der Tiefe das ganze Jahr über eine nahezu konstante Temperatur von 4 Grad Celsius, auch im Winter und unter einer dicken Eisschicht. Zur Energiegewinnung wird dem See über eine Rohrleitung Wasser aus der Tiefe entnommen und zur Wärmepumpe geleitet. Diese kühlt das Wasser auf eine Temperatur von 1 Grad Celsius herunter und leitet das Wasser dan zurück in den See.

Das Prinzip der Heizung mit Seewasser gleicht dabei dem Kühlschrankprinzip. Dieser entzieht den eingelagerten Lebensmitteln Wärme und gibt sie über ein Gitter an der Rückwand an die Umgebung des Kühlschranks ab. Die für diesen Vorgang notwendige Energie muss dabei von außen durch Elektrizität in die Pumpenanlage eingespeist werden. Das gleiche Prinzip gilt auch für das Seekraftwerk. Zur Gewinnung von drei Kilowattstunden Energie ist dabei eine Kilowattstunde Strom vonnöten. Unterm Strich steht dadurch ein deutlicher Energiegewinn.

Der Kanton Zürich dient als Vorbild

Vorreiter bei dieser Technologie ist die Schweiz. So dient das Wasser der Zürichsee, ein beliebtes und bekanntes Erholungsgebiet und zugleich das wichtigste Trinkwasserreservoir für die Stadt und Umgebung, gleichzeitig als ideale Energiequelle für drei Seewasserverbunde, die rund um das Züricher Seenbecken verschiedene Gebäude heizen und kühlen. Und auch in St. Moritz wird das Prinzip bereits seit einiger Zeit eingesetzt. Dort setzt ein bekanntes Luxushotel auf diese alternative Energiegewinnung.

Das Konzept des Seewasserkraftwerks am Beispiel eines Luxushotels in St. Moritz. (Zur großen Ansicht auf das Bild klicken)

Ob und in welchen Umfang sich die Idee auch am Tegernsee umsetzen lässt, das wird seit Mitte vergangenen Jahres in talweiten Hintergrundgesprächen erörtert. Neben der Frage nach den Kosten sind auch die Größe des Sees und die Durchströmung unseres Gewässers wichtige Punkte, die es zu beachten gilt. Aber auch die Gegebenheiten vor Ort, wo das Kraftwerk zum Einsatz kommen könnte, sind entscheidend.

E-Werk involviert

So ist das für die Umsetzung der Idee zuständige E-Werk Tegernsee mittlerweile in allen technischen Belangen in die Gespräche involviert. Im vergangenen Jahr hatte man sich dazu entschlossen unter anderem ein grobes Machbarkeitskonzept für das Rottacher Seeforum inklusive See- und Warmbad zu erstellen. Darin enthalten ist eine Analyse des genauen Wärmebedarfs des Areals als auch ein Angebot an die Gemeinde Rottach-Egern.

Eine erstes Ergebnis liegt nun vor. Und das verheißt nichts Gutes für die Umsetzung am sanierten Seeforum. So ist die Verbrauchssituation der Gebäude zu unstet im Verlauf des Jahres. Das Seewasserkraftwerk müsste aufgrund des Verbrauchs im Sommer sehr groß dimensioniert sein, wie E-Werks-Chef Norbert Kruschwitz erklärt. Eine Dimension, die im zwischen Oktober und April nicht gebraucht werden würde. “Man muss das sehr genau prüfen, aber derzeit sieht es so aus als ob die Wirtschaftlichkeit zumindest in Frage gestellt ist.”

Der Wärmebedarf des Seeforum Rottach-Egern in Kilowattstunden / Quelle: E-Werk Tegernsee

Man habe sich, so Kruschwitz, in dieser Angelegenheit auch mit Experten beraten. Die Energiewerke Zürich, die in der Schweiz diverse Wärmepumpen konzipiert haben und diese erfolgreich betreiben, hätten sich allerdings ebenfalls sehr skeptisch zu der konkreten Wirtschaftlichkeit eines Seewasserkraftwerks für das Seeforum geäußert. “Derzeit hängen meines Erachtens eher dunkle Wolken über dem Rottacher Konzept”, so Kruschwitz.

“Wir können den Verbrauch noch nicht genau einschätzen”

Dagegen sieht Bürgermeister Franz Hafner derzeit noch nicht den Zeitpunkt gekommen, eine endgültige Einschätzung abzugeben. “Wir wollen diese Jahr noch abwarten, bis wir eine Analyse in Auftrag geben. Wir haben im letzten Jahr die Abdeckung für das Schwimmbad beschlossen. Und die kann sich sehr positiv auf den Energieverbrauch auswirken.” Hafner spricht dabei auf die rund 150.000 Euro teure Abdeckung für die Schwimmbecken des Warmbades an. 30.000 Euro an Energiekosten pro Jahr soll diese Maßnahmen allein einsparen.

Und so will die Gemeinde erst im Herbst Angebote für eine alternative Versorgung des Seeforums einholen. Derzeit werde alles noch mit dem altem Blockheizkraftwerk beheizt, das jedoch über kurz oder lang ersetzt werden muss. “Wir hoffen sehr, dass es nicht in diesem Jahr zu Problemen mit dem Kraftwerk kommt. Denn dann müssten wir unter Zeitdruck kurzfristige Lösungen finden,” so Hafner.

Die neue Wiesseer Therme gilt derzeit als aussichtsreichstes Pilotprojekt für das Seewasserkraftwerk

So kritisch Kruschwitz das Rottacher Projekt in Bezug auf ein effizientes Seewärmekraftwerk sieht, so positiv ist er gegenüber der geplanten Therme in Bad Wiessee eingestellt. Dort sei, laut den ersten Plänen, mit einem konstanten Wärmebedarf zu rechnen. Aus dem Grund prüft das E-Werk derzeit, ob man sich vorstellen könnte das Pilotprojekt in Wiessee zu errichten.

Einen wichtigen Fürsprecher haben die Tegernseer bereits, wie der E-Werk-Chef betont:

Der Architekt der Therme Matteo Thun hat Erfahrung mit Seewasserpumpen. Und die ersten Reaktionen von ihm und aus der Wiesseer Verwaltung waren positiv.

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