Vorbildfunktion Bürgermeister? Wenn private Interessen auf kommunalpolitische Gelegenheiten treffen
Eine Frage der politischen Hygiene

Vier Gemeinderäte gründen privat ein Holzschnitzelwerk in Kreuth. Die Gemeinde möge sich bitte daran mit einem Sechstel beteiligen. Klingt nach Mauschelei?

Obacht beim Bauantrag. Wie viel Freundschaft ist erlaubt?

Bürgermeister Josef Bierschneider (CSU) schüttelt den Kopf. „Die Ausschreibung für das Wärme-Contracting für Kindergarten, Schule, Turnhalle, Hort und Tourist-Info (gemeindliche Liegenschaften) wurde über die Vergabestelle des Zweckverbandes Kommunales Dienstleistungszentrum abgewickelt. Da die betreffenden Gemeinderäte als GbR ein Angebot für das Wärme-Contracting abgegeben haben, waren sie von Beratung und Beschlussfassung über die Vergabe ausgeschlossen und daher weder bei den Beratungen noch bei den Beschlüssen im Gemeinderat anwesend. Auch bei der in einer späteren Gemeinderatssitzung erfolgten Entscheidung, dass die Gemeinde in die Gesellschaft eintritt, waren die betroffenen Gemeinderäte von Beratung und Abstimmung ausgeschlossen.“

In Rottach-Egern hingegen hat es Bürgermeister Christian Köck (CSU) extrem genaugenommen. Eine alte Freundin sollte eine Wohnung der Gemeinde erhalten. „Ich habe mich da komplett herausgenommen, war jeweils vor der Tür, als das besprochen und entschieden wurde.“

Beide Bürgermeister verweisen auf Artikel 49 der Gemeindeordnung: Demnach kann ein ‘Mitglied an Beratung und Beschlussfassung nicht teilnehmen, wenn der Beschluss ihm selbst, seinem Ehegatten, einem Verwandten oder Verschwägerten bis zum dritten Grad oder einer von ihm kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretenen natürlichen oder juristischen Person einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann.’

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Ein Mitglied kann an der Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen, wenn der Beschluss ihm selbst, einem Angehörigen oder einer von ihm vertretenen natürlichen oder juristischen Person (…) einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern

Doch es bleibt eine kleine Besonderheit. Denn nur wenn ein unmittelbarer Vorteil vorliegt, greift der Punkt. Und er ist gerade in den jetzigen Zeiten der regen Bautätigkeit im Tal relevant. Konkret: Eine Architektin, ein Tiefbauunternehmer oder Dachdeckermeister müssten, wenn über einen Bauantrag abgestimmt wird, direkt vorher mit Bauleistungen beauftragt worden sein. „Da kommt man schnell in den Bereich der Moral“, erklärt Bierschneider. Beispiel: Ein großer und reger Bauträger beauftragt immer wieder die gleichen Unternehmer. Im Vorfeld sind sich alle einig, zusammenzuarbeiten. Offiziell ist da nichts. Der Bauantrag geht in den Bauausschuss, danach in die nicht-öffentliche, dann in die öffentliche Sitzung. Überall grünes Licht. Wochen später sieht man das große Plakat des Unternehmers und Ratsmitglieds am Bau. „In der Regel wird da schnell eingewirkt“, erklärt uns ein Ratsmitglied.„Das war früher sicher etwas hemdsärmeliger, aber seit die Aufsicht durch die Öffentlichkeit stärker wurde, so ein Beschluss auch einmal angefochten werden kann, sind wohl die allermeisten Räte sensibler geworden.“

Auch wenn ein Rat über Jahre eine zu große Nähe zu einem Bauantragssteller habe, würde man hier die Kollegen warnen. Andererseits sind Handwerker und Architekten mit ihrer Expertise bei Bauvorhaben extrem gefragt. Nicht alle, die sich in die Kommunalparlamente haben wählen lassen, sind mit Fragen der Kubatur oder der Verwendung von Baumaterialien vertraut. Hier haben in der Vergangenheit kluge Einwände und Vorschläge gerade von diesen Berufsständen für Gemeinden große Vorteile gebracht.

Dann wäre noch das Vorurteil über Vereine zu klären. Bürgermeister und Räte werden nämlich vor allem von ihren Vereinskollegen gewählt. Ist da Objektivität überhaupt drin? Oder gibt es für die Vereine, ob Eisstock- oder Trachtenverein sowieso bessere Konditionen?

Johannes Hagn, Bürgermeister aus Tegernsee, stellt klar: „Bei gesetzlichen Vertretern juristischer Personen muss es sich um ein vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied handeln.“ Nur weil man einem Verein angehört, muss man den Raum nicht verlassen. Das wäre wohl auch unpraktisch, weil eben viele Räte Vereinsarbeit machen (noch). Aber – und das ist der Sonderfall Bayern – Gemeindevertreter dürfen wegen ihres Abstimmungsverhaltens im Gemeinderat weder gerichtlich verfolgt noch anderweitig (also außerhalb des Gemeinderats) zur Verantwortung gezogen werden.

Es bleibt oft und gern eine Frage der politischen Hygiene, die von den Bürgermeistern vorgelebt wird. Stichwort: Vorbildfunktion. Sie sind es, die darauf achten müssen, dass die Räte private und kommunalpolitische Interessen exakt trennen. 

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