Eine Talkarte für Talbürger

Der Verkehr im Tal ist ein Dauerbrenner: Die Ampel an der Kreuzstraße, die Zukunft der BOB, der Stau am Wochenende. Langfristige Lösungen sind bisher Mangelware. Was bei den Verkehrsdebatten im Tal oft nur am Rande eine Rolle spielt, ist die Chance des Öffentlichen Personennahverkehrs.

Nun ist die Idee einer “Talkarte für Talbürger” erneut aufgekommen. Und auch die Bürgermeister werden sich bald mit dem Thema auseinandersetzen.

Derzeit dürfen im Tal nur die Touristen mit der Tegernsee Card kostenlos Busfahren

Mittlerweile gibt es einige Beispiele für kostenfreien oder stark subventionierten Nahverkehr. Ob Tallin in Estland, das zum Jahreswechsel sein Angebot für Einwohner eingeführt hat, oder die 14.000 Einwohner-Gemeinde Templin in der Nähe von Berlin, wo der Test seit über zwölf Jahren läuft. Vor allem Templin hat sehr positive Erfahrungen mit dem früher komplett kostenlosen Angebot gemacht. Eine 15-fache Steigerung der Fahrgastzahlen innerhalb weniger Jahre war das Ergebnis. Dementsprechend auch weniger Lärm, Abgase und Unfälle gab es in der Stadt.

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Die Grundstimmung ist auch am Tegernsee positiv

Bereits im letzten Jahr hatten wir eine kleine Umfrage unter den Verantwortlichen in den Talgemeinden durchgeführt. Damals zeigte sich, dass die Tegernseer Lokalpolitik zumindest nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber dem Thema ist.

Rottachs Zweiter Bürgermeister Hermann Ulbricht findet die Idee grundsätzlich gut. “Konkret haben wir aber im Gemeinderat noch nicht darüber gesprochen”, so Ulbricht und ergänzt: “Man müsste auch klären, was die anderen Gemeinden von dieser Sache halten.” Im nächsten Schritt geht es laut Ulbricht dann um die Kosten für die “Nulltarif”-Nutzung von Bussen durch Einheimische./p>

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Der Kreuther Geschäftsleiter Hans Patzlsperger sieht allerdings auch haushaltspolitische Bedenken und sagt: “Hier würde es sich um eine freiwillige Leistung der Gemeinden handeln. Ich gehe daher davon aus, dass wegen der angespannten Haushaltslagen der Gemeinden das Landratsamt zumindest Bedenken haben wird, wenn man der Bevölkerung eine solche Dienstleistung anbietet.”

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“Ganz kostenlos geht es natürlich nicht”, meint Alfons Besel. Der Gmunder Geschäftsleiter denkt da, wenn überhaupt, an eine Art Jahresticket für Einheimische. Aus der Luft gegriffen nennt Besel einen Betrag von 45 Euro. “Dann machen sich die Leute auf jeden Fall mehr Gedanken über Buspläne und das ÖPNV-Angebot”, so Besel und betont: “Man müsste einmal die Vor- und Nachteile abwägen. Vor allem, was den Ziel- und Quellverkehr am Tegernsee angeht, könnte dadurch die Straße sicherlich etwas entlastet werden.”

Die Gründe, warum es einige Städte und Gemeinden gibt, in denen man schon heute ohne Ticket in Busse und Bahnen einsteigen kann, sind meist ähnlich und darüberhinaus stark wirtschaftlich geprägt: Die Verantwortlichen erhoffen sich eine Verringerung des Verkehrsaufkommens. Ganz konkret aber auch eine Belebung des Innenstadtbereiches und die Möglichkeit, durch mehr Mobilität die lokale Wirtschaft zu stärken.

Investiert wird in die touristische Nutzung

Im Tegernseer Tal ist man vom Gedanken des ticketfreien Nahverkehrs eigentlich nicht sehr weit weg. Schon lange dürfen Touristen die Busse rund um den See mit der Gästekarte nutzen. “Umsonst” ist das Ganze natürlich nicht. Die Ticketpreise werden über die Kurabgabe querfinanziert.

Beispielsweise war die Karte im Jahr 2011 etwa 300.000 Mal im Einsatz. Den fünf Tal-Gemeinden sind so Gesamtkosten in Höhe von etwa 446.000 Euro entstanden. Im letzten Jahr dürften aufgrund der höheren Ticketabgabe an den RVO die Kosten für die Gemeinden weiter gestiegen sein. Aktuelle Zahlen liegen derzeit noch nicht vor.

Bei Gästen wird die Busnutzung gut angenommen.

Immer wieder gibt es aber auch am Tegernsee Diskussionen, ob man das Busfahren rund um den See nicht für alle anders regeln könnte, beziehungsweise ob man die Nutzung nicht für Einheimische ähnlich gestaltet, wie für Touristen. Öfter schon wurde gefordert, dass hier lebende Rentner die Busse kostenlos nutzen dürfen. Versuchsweise wurde für Jugendliche eine kostenlose Busnutzung ins Jugendzentrum angeboten – ein Test, der nicht wirklich angenommen wurde.

Talkarte für Talbürger

Nun hat am vergangenen Dienstag der Rottacher Gemeinderat Martin Goldhofer das Thema “Talkarte für Talbürger” erneut ins Spiel gebracht. Goldhofers Idee, die er auf der Sitzung einbrachte, umfasst kostenloses Busfahren, freies Parken und sonstige Einrichtigungen, die schon von den Touristen mit der Gästecard benutz werden dürfen.

Maximal 100 bis 120 Euro pro Jahr sollte die Talkarte kosten. Berechtigt wären dann alle Bewohner der fünf Talgemeinden. Eine Idee, die so Goldhofer, schnell umsetzbar wäre. Sein Wunsch: “Die Bürgermeister sollten sich auf einer der nächsten Dienstbesprechung darüber Gedanken machen.”

Der Rottacher Bürgermeister Franz Hafner stellte klar, dass das grundsätzlich eine gute Idee sei, die er ansprechen wird. Auch wenn die Rottacher Wanderparkplätze beispielsweise kostenfrei sind. “Die Leistungen müsste man natürlich erstmal durchrechnen. Aber der Gedanke ist angekommen.”

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