Die Planung der „Verkehrsentlastung“ samt Prüfung der Tunnelvariante stand gestern als einziger Tagesordnungspunkt auf einer Sondersitzung des Waakirchner Gemeinderates. Bürgermeister Sepp Hartl hatte wegen des zu erwartenden Andrangs ausnahmsweise in den Pfarrsaal geladen. Fast alle Plätze waren belegt.
Der für die fachliche Seite zuständige Bereichsleiter vom Straßenbauamt Rosenheim, Christian Rehm, sollte Klarheit in den Planungsverlauf der im August 2016 vom Bundeskabinett beschlossenen Südtrasse bringen. Da es sich um eine normale Gemeinderatssitzung handelte, gab es auch kein Rederecht für die Zuhörer. Beide Bürgerinitiativen hatten deshalb vorab einen Fragenkatalog eingereicht. Für sie stand vor allem die Prüfung der Tunnelvariante im Vordergrund, für die sich der Gemeinderat am 10. Januar (wir berichteten) einstimmig ausgesprochen hatte.
Tunnel nicht vorgesehen
Rehm erklärte zunächst, dass mit dem Beschluss des Bundeskabinetts der Startschuss für die Planungsumsetzung gefallen sei. Er erinnerte daran, dass eine Tunnellösung im Bundesverkehrswegeplan (BVWP) nicht vorgesehen sei. Angemeldet sei ausschließlich das Projekt „Südumfahrung“ mit einer Länge von 2,1 Kilometern. Geschätzte Kosten: 6,6 Millionen Euro. Und da das Staatliche Bauamt Rosenheim im Namen des Bundes handele, habe man auch keinen Einfluss auf die Umsetzung einer anderen Variante.
Wenn ich einen Tunnel planen will, muss ich das Projekt dem Bund zur erneuten Bewertung vorlegen.
Das sei ein langer Verfahrensprozess, so Rehm in Richtung der zwei Waakirchner Bürgerinitiativen. Nachdem die Rahmenplanung für die Südumfahrung abgeschlossen sei, befände man sich momentan in Stufe eins der Umsetzung, der Voruntersuchung.
Zu dieser Voruntersuchung gehöre eine Verkehrsuntersuchung, machte Bernhard Bauer, Chefplaner des Staatlichen Bauamts, deutlich. Man werde diese in der zweiten Jahreshälfte abschließen und Ende 2017 vorstellen. Auch bestehe die Pflicht zu einer Umweltverträglichkeitsstudie. Diese sei für Waakirchen noch in Arbeit, so Bauer weiter. Anhand einer sogenannten „Raumwiderstandskarte“ würden alle Schutzgüter wie beispielsweise Mischwälder und Wohngebiete erfasst und bewertet. Auch diese solle in den nächsten Monaten umgesetzt werden.
“Einen Tunnel zu fordern, reicht nicht aus”
Unterschriftenlisten gegen diese Planungsprozesse seien da wenig hilfreich, so Bauer. Man prüfe bereits alle sinnvollen Varianten. Einfach zu sagen: „Wir wollen einen Tunnel“ reiche da nicht aus. Bei „aller emotionalen Vorbelastung“ plädierte Bauer für eine faire Lösung. Beantwortet werden müssten seiner Meinung nach folgende Fragen: Wo soll der Tunnel verlaufen? Auf welcher Strecke? Welche Bauweise ist möglich?
Seine Stimme wurde energischer als er Bilder vom Kölner Stadtarchiv zeigt, das durch den Bau eines Tunnels im März 2009 eingestürzt war. Es folgen ein weiteres Bild einer ähnlichen Katastrophe in Barcelona und das Foto eines Busses, der am 20. September 1994 in München Trudering in ein Loch in einer Straße stürzte. Rehm unterbrach:
Das mag jetzt drastisch geklungen haben. Wir wollen Ihnen keine Angst machen, wir wollen Ihnen nur sagen, dass Sie sich im Vorfeld genau informieren und diese Variante genau prüfen, um mögliche Risiken auszuschließen.
„Wir sind keine Fachmänner“, konterte Bürgermeister Hartl. Dann müsse man eben ein geologisches Gutachten erstellen. So lasse er das nicht gelten. Rehm versprach, man werde die Tunnellösung auf jeden Fall in den Planungen berücksichtigen. Dann widmete er sich den Antworten auf die diversen Fragen der Bürgerinitiativen.
“Warum wurde der Tunnel nicht geprüft?”
An wen die Umweltverträglichkeitsstudie vergeben worden sei, wollte der Verein „Entlastung der B472 e.V.“ wissen, und warum man die Kosten nicht veröffentlicht habe. „Kosten werden grundsätzlich nicht veröffentlicht“, so Rehm. Der Auftrag sei an die Firma IB Dr. Blay, Dr. Overland aus Eching am Ammersee im Rahmen einer behördeninternen Vergabe gegangen.
Warum die Studie weit vor dem Beschluss in Auftrag gegeben worden sei. Über diese Frage zeigte sich Rehm enttäuscht. „Um Zeit zu sparen.“ Schließlich sei das Projekt Südumfahrung gut vom Bund bewertet worden, sodass man von einer Aufnahme in den vordringlichen Bedarf des BVWP ausgehen konnte, und diese Hürde auch nehmen wollte.
Die Hauptfrage, warum ein Tunnel überhaupt nicht geprüft wurde, erübrigte sich nach den anfänglichen Ausführungen von Rehm: „Weil wir keinen Planungsauftrag hatten.“ Die Sorge um den Gesamtflächenverbrauch von 6,2 Hektar durch landwirtschaftliche Schutzgebiete und Überschwemmungsgebiete, beantwortete Rehm so:
Es wurden nur ausgewiesene Überschwemmungs- und Wasserschutzgebiete berücksichtigt. Die Südumfahrung berührt landschaftliche Tabuzonen, sogenannte Natura 2000-Gebiete, planungsrechtlich überhaupt nicht.
Eine Lösung zur Verkehrsentlastung orientiere sich an planungsrechtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten, erklärte Rehm im Hinblick auf die schriftlichen Einwände. Es sei nicht die Aufgabe gewesen, die „Taube auf dem Dach“ anzumelden. Dass bei der angemeldeten Südtrasse kein Lärmschutz vorgesehen ist, wie die „Bürgerinitiative Verkehr“ beanstandete, sei für Rehm deshalb nicht diskutabel, weil die „Lärmschutz-Grenzwerte von vornherein nicht überschritten wurden“.
Eine Lärmschutz könne die Gemeinde bei Bedarf einfordern, wenn sie sich – so wie die Gemeinde Warngau – an den Mehrkosten beteilige. Diese habe sich mit 1,8 Millionen Euro an den insgesamt 6,5 Millionen Kosten für einen Tunnel beteiligt. Das Staatliche Bauamt Rosenheim entscheide nicht über einen Tunnel, betonte Rehm erneut, man werde die Lösung aber aufnehmen und die Gemeinde in den Planungsprozess mit einbeziehen. „Doch selbst wenn die Variantenprüfung abgeschlossen ist, wird das eine Neubewertung nach sich ziehen.“
Bürgermeister Sepp Hartl will trotz des gestrigen Dämpfers eine Machbarkeitsstudie für die teure Tunnelvariante durchsetzen. „Ich will keine Wischiwaschi-Lösung, sondern eine akzeptable für die Bürger.“ Deshalb habe er sich bereits am Montag mit Verkehrsminister Dobrindt zusammengesetzt. Die Konsequenz aus der Notwendigkeit einer Ortsumfahrung, für die die Gemeinde einst plädierte, muss sie nun tragen. Die Umfahrung ist jetzt nämlich im Verkehrswegeplan festgesetzt, wohingegen ein Tunnel wieder eine andere, neue Baustelle wäre.
Trotzdem will man jetzt den politischen Druck mit den 2.500 gesammelten Unterschriften erhöhen, die sich für eine Tunnelvariante ausgesprochen haben. Doch das Problem bleibt: Für eine Tunnellösung muss ein neuer Antrag her, der wieder vom Bund genehmigt werden muss, bevor man dann erneut in die Planung einsteigen kann. Und wie Rehm abschließend erklärte, könne das dauern: “Es gibt Planungen, die brauchen 30 Jahre.”
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