„Einsam mit Seeblick“ nennt die Süddeutsche Zeitung ihren Bericht über Josef Paul. Darin schildert der 60-Jährige, wie hoch die Wellen am Tegernsee schlugen, als durchsickerte, dass seine kleine Genossenschaftsbank als erstes Geldinstitut in ganz Europa von ihren Privatkunden einen Negativzins verlangt. Bis aus Japan fragten die Medien bei ihm an. Noch heute könne er nicht verstehen, warum alle wegen seiner Aktion so aufgeregt waren.
Für ihn sei es die natürlichste Sache der Welt, „dass ich Kosten, die ich selber habe, an die Kunden weitergebe“, zitiert die SZ Paul. Er hatte 139 Kunden angeschrieben, die mehr als 100.000 Euro auf dem Girokonto geparkt hatten. Sie erfuhren vor neun Monaten, dass es ratsam wäre, das Geld umzuschichten, weil er selbst darauf 0,4 Prozent Negativzinsen an die Europäische Zentralbank zahlen müsse. Die Aufregung bundesweit war groß. Viele Sparer fürchteten einen Dammbruch, der vom Tegernsee ausgehe, dass sie nun einen Strafzins für ihr Geld auf der Bank zahlen müssten. Eine Sorge, die bis heute unbegründet ist, da keine weitere Bank Paul folgte.
Wie aus 139 vermögenden Kunden 18 wurden
Wenn er diesen Weg nicht gegangen wäre, „hätte es uns das Geschäftsmodell zerrissen“. Seine kleine Gmunder Raiffeisenbank habe eine spezielle Kundenstruktur. Er habe viele Reiche mit großen Ersparnissen, aber kaum Firmen, die große Kredite nachfragen würden. Dies führe zu einem Überhang an Liquidität. Im vergangenen Sommer sei diese auf 40 Millionen Euro gewachsen. „Ich muss auf jede Million im Jahr aber 4.000 Euro Negativzins an die EZB zahlen“ so Paul. Das summiere sich auf 160.000 Euro im Jahr.
Dies sei viel Geld für seine kleine Bank. Und da immer mehr Kunden gekommen sein, stand Josef Paul die Liquidität bis „zum Hals“. Er habe keine andere Wahl gehabt, als die Strafzinsen an seine 139 betroffenen Kunden weiterzugeben. Die meisten von ihnen seien schnell bereit gewesen, ihr Geld anderweitig anzulegen, zum Beispiel in Fonds, bei denen keine Negativzinsen fällig werden. Manche zogen auch ihr Geld ab, berichtet Paul. Ein Kunde wechselte in den Tagen danach mit zwei Millionen zur Sparkasse. Er könne sich nicht vorstellen, „dass die darüber glücklich waren“.
Für Paul fällt nun nach neun Monaten die Bilanz „positiv“ aus: Aus den 40 Millionen Euro Liquidität sind mittlerweile 24 Millionen geworden, Dies koste seine Bank im Jahr nun 56.000 Euro weniger. Jetzt seien es auch nur noch 18 Privat- oder Firmenkunden, die mehr als 100.000 Euro bei seiner Raiffeisenbank kurzfristig angelegt haben. Doch ein Kunde zeigt sich auch vom Negativzins unbeirrt. Er hat weiterhin mehr als 900.000 Euro auf seinem Girokonto liegen, so Paul. Vielleicht liege es auch daran, wie der Bankchef glaubt, dass er nicht „herumdruckse“ und keine Gebühren einführe, die im Kleingedruckten versteckt seien, sondern klar sage: „So ist die Lage, das sind meine Kosten, die muss ich weitergeben“.
„Keine Schubkarren voller Geld“
Profitiert von Pauls Negativzins hat auch die Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee, wie deren Chef Martin Mihalivic im SZ-Gespräch einräumt.
Der ein oder andere ist schon zu uns gewechselt. Aber es war nicht so, dass die Leute mit Schubkarren voller Geld reinkamen.
Seine Sparkasse habe auch deutlich mehr Firmenkunden als die Gmunder Bank mit ihren vier Filialen. Daher falle es seinem Geldinstitut leichter, die Einlagen als Kredite zu verleihen. Derzeit würde die Liquidität, auf die Negativzinsen fällig werden, auf vergleichsweise niedrigen 20 bis 40 Millionen Euro schwanken.
Der 48-Jährige hält nicht viel vom Negativzins, der das Vertrauen der Kunden belaste. Das wolle er unbedingt vermeiden. Damit drücke er laut SZ aus, was die Mehrheit der deutschen Banker denke. Josef Paul aber schwimmt weiter gegen den Strom. Er finde sogar, dass der Negativzins etwas „Positives“ habe. Dieser mache den Leuten bewusste, „dass sie ihr Geld in die Arbeit schicken müssen und nicht herumliegen lassen sollen“.
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