Einsamer Single sucht Anschluss

In der vergangenen Woche sorgte ein Video für Aufsehen: Zu sehen ist ein Wolf, wie er durch den Landkreis Miesbach streift. Auf ein hier lebendes Rudel gibt es bisher keine Hinweise. Doch was macht der Wolf dann hier bei uns – so einsam und allein?

Es ist ein Wolf – und einer auf der Suche nach Anschluss. / Quelle: Screenshots Privat

Fast alle im Landkreis Miesbach haben in der vergangenen Woche mitgerätselt und ihre Einschätzung abgegeben. Ist das wirklich ein Wolf, der auf einem Video zu sehen ist, wie er über unsere heimischen Wiesen läuft? Rückschlüsse aus einem Video zu ziehen, das viral geht, ist nicht immer einfach. Aber diesem Fall immerhin leichter.

Denn Wölfe existieren hier wirklich noch, trotz aller menschlicher Versuche sie auszurotten. Und seine Population in Deutschland steigt wieder deutlich an.

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Experten auch ohne DNA Analyse sicher

So haben sich die Fachleute beim Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) bereits vergangene Woche nach der Analyse des Videos relativ schnell festlegt, dass es sich tatsächlich um einen Wolf handelt, auch wenn noch keine endgültige Bestätigung durch einen DNA-Test vorliegt. Auf erneute Nachfrage heißt es:

Wir gehen von einem durchwandernden Einzeltier aus. Gerade jetzt, zur Paarungszeit, wandern vor allem junge Rüden auf der Suche nach einem eigenen Territorium sehr weite Strecken von täglich 50 bis 70 Kilometern oder mehr.

Meistens lebe ein Wolf in seinem Rudel und meidet den Menschen. Ist er jedoch jung und männlich, kann es durchaus vorkommen, dass er allein auf der Suche nach einem eigenen Territorium durch die Gegend streift. Besonders im Frühling – zur Paarungszeit im Februar und März.

Warum ist dann der “Seehammer Wolf” jetzt noch unterwegs, wo doch alles schon vorbei ist? Dazu Birte Brechlin, Referentin für Wolfs- und Wildtierschutz beim Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU):

Bei den jungen Wölfen ist es durchaus möglich, dass sie noch nach der eigentlichen Paarungszeit allein umherwandern. Dann hat es in diesem Jahr mit der Paarung nicht geklappt, aber die Tiere sind auch grundsätzlich auf der Suche nach einem festen Territorium – einem Familienrudel. Nicht nur zur Paarungszeit.

Also hat unser Wolf noch nicht das oder die Richtige gefunden. Ist also als Single derzeit unterwegs. „Eigentlich sehen wir Menschen in der Natur auch nur diese Einzelgänger. Lebt ein Wolf in einem Rudel wird er sich vom Menschen fernhalten, solange sein Lebensraum nicht durch Krankheit oder andere Faktoren gestört wird“, beschreibt Brechlin das Verhalten der scheuen Tiere.

Weder Bestien noch Kuscheltiere

Ob diese Single-Tiere für andere Tiere oder Menschen eine Gefahr darstellen, könne man nicht pauschal beantworten, führt Brechlin weiter aus, dass hänge immer vom Tier ab. Aber seit der ersten deutschen Wolfssichtung im Jahr 2000 hat es keine bekannten Angriffe von gesunden Wölfen auf Menschen gegeben. Auch das Verhalten unseres Wolfes in Weyarn lässt nicht den Schluss zu, dass er sich auffällig verhält. Seitens des Naturschutzbunds Deutschland heißt es:

Beobachtungen zeigen, dass Wölfe Personen in Autos oder auf Traktoren in der Regel nicht als solche wahrnehmen. Daher kommt es oft zu Sichtungen, bei denen Wölfe recht nah an Fahrzeuge herankommen. Diese Begegnungen belegen keinesfalls ein auffälliges Verhalten oder einen vermeintlichen Verlust von Scheu. Vielmehr sind Fahrzeuge für Wölfe weder besonders interessant, noch nehmen Sie diese als Bedrohung war. Erst wenn Menschen aussteigen und sich gegebenenfalls mit lauter Stimme oder ähnlichem bemerkbar machen, ziehen sich Wölfe zurück.

Für den Fall, dass sich ein Wolf verhaltensauffällig zeigt, gibt es in Bayern einen Managementplan des LfU, der zum friedlichen Miteinander von Wolf, Mensch und Nutz- und Haustieren entwickelt wurde und schnelle Lösungsansätze für Krisensituationen bietet. Abschussfantasien aber auch der durch die sozialen Medien geförderte Sichtungshype sind in jedem Fall nicht hilfreich, um mit dem Wolf leben zu lernen. Der Wolf ist ein wildes Raubtier – keine Bestie, aber auch kein Kuscheltier.

Dazu sagte Wildtierexperte Peter Sürth, der jahrelang das Leben der Wölfe studiert hat, einmal in einem Interview mit der Deutschen Welle: „Und dass der Wolf in einem ähnlichen sozialen System lebt wie der Mensch, finde ich besonders spannend. Natürlich gibt es diverse Konflikte, die muss man auch nicht klein- oder schönreden. Aber die Menschen haben in der Vergangenheit Wildtierarten immer wieder ausgemerzt. Und wir denken auch oft noch so: Das Tier stört mich; es muss weg, damit ich mehr Ruhe und Frieden habe. Das ist der falsche Ansatz.“

Auf viele der noch offenen Fragen rund um das faszinierende Raubtier, sein Verhalten und auch das Aufeinandertreffen mit uns Menschen und unseren Tieren findet ihr hier bei der NABU Antworten.

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