Enteignen – nicht so eine dufte Idee

Gut gemeint ist oft nicht gut gemacht: Wenn das Vermögen der Oligarchen wie Usmanow eingefroren werden soll, ist das politisch ein Aufreger. Landrat von Löwis stellt heute in der BILD eine Enteignung des Besitzes als Mittel der Wahl in den Raum. Ja, endlich macht mal jemand etwas. Die Villen am See vom Putin-Freund – einfach mal mit einem Amtssiegel dichtmachen. Nur: Klappt das? Spoiler: Bitte schon einmal Taschentücher für die Tränen der Enttäuschung bereithalten.

Alexander Radwan (CSU): “Verschleierung ist eine Kunstform.”

Drei Villen soll Ulisher Usmanow im Tegernseer Tal besitzen. Der Multi-Milliardär gilt als enger Freund Putins, der seit einer Woche das Nachbarland Ukraine überfällt, mit Krieg überzieht. Damit Druck auf den Autokraten ausgeübt wird, sollen seine Milliarden- Freundesclique trockengelegt, ihr Vermögen eingefroren und ihre Reisemöglichkeit eingeschränkt werden. Das Letzte ist einfach. Flugraum dicht, kein Visum. Schon ist der Zugang zur videoüberwachten Seevilla in Rottach-Egern schwierig, muss die heimische Datscha im Moskauer Speckgürtel oder das eigene Hotel in Taschkent herhalten.

Aber schon beim Einfrieren scheitern die Behörden. Der Reihe nach: Die EU-Außenminister beschließen die Sanktionen. Das ist erst einmal eine politische Aussage. Mehr nicht. „Wir wissen, dass Putin durch ein Machtsystem einflussreicher Oligarchen und Militärs gestützt wird. Diese Personen zu sanktionieren ist also eine politische Entscheidung, um das System zu schwächen, die Beteiligten zu isolieren und zu bestrafen und letzten Endes vielleicht sogar zur Abkehr von Putin zu bewegen“, so der Rottacher Außenpolitiker und europapolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Alexander Radwan, auf Anfrage.

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Ist das denn legal?
Herr Usmanow hat keine offizielle Straftat, derentwegen er verfolgt werden könnte, begangen. Er kennt Putin. Das zeigen Bilder. Mehr weiß man aber nicht so recht. Verboten war das bislang nicht. Hat er den Krieg unterstützt. Weiß man nicht. Verdient er daran? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Viel Vermutung, wenig Substanz. Putin selbst ist ebenfalls nicht angeklagt. Das wäre Sache des internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag. Ergo: Kein Vergehen, keine Verfolgung.

Ein kleiner Ausflug in die Welt der Erklärung
Elementar ist der Unterschied zwischen Einfrieren und Enteignen/Einziehen/Konfiszieren/Abschöpfen. Das Einfrieren tritt unmittelbar mit der Sanktionierung durch die EU in Kraft und ist ein Verfügungsverbot: Usmanow bleibt im Besitz seiner Villa, kann die aber nicht verkaufen, nicht vermieten und nicht in anderer Weise als “Ersatzwährung” wirtschaftlich einsetzen. Diese Gaudi basiert auf den restriktiven Maßnahmen, die im Kontext der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) erlassen werden. Die gelten sofort und müssen nicht in nationales Recht umgeschrieben werden. Sie sind quasi rein politisch festgelegt: Man will dem System Putin schaden, also friert man die Vermögen der Oligarchen ein. Aber: Beim Einfrieren bleibt der Besitz bei Usmanow und seinen Kollegen. „Was eingefroren ist, kann auch irgendwann wieder auftauen“, meint Radwan dazu trocken.

Wem gehört der Schuppen denn eigentlich?
“Whaaaat? Ich habe mich schon auf neue Deals gefreut!”, ruft da der örtliche Makler entsetzt und kratzt sich an der engen roten Hose. Diese Sanktionen gelten automatisch auch für Banken, Versicherungen und Notare. Für Notare z.B. besteht ein Beurkundungsverbot für Vorgänge, an denen auf der Sanktionsliste aufgeführte Personen beteiligt sind. Heißt: Usmanow kriegt keine notariell beglaubigte Unterschrift mehr, wenn die Notare ordentlich arbeiten und kann nicht auf seine Konten zugreifen, wenn die Banken ordentlich arbeiten. Ok, Banken? Ordentlich arbeiten? Jaja, aber wenn die gesamte EU draufschaut, mauschelt auch der Banker nicht mehr so locker.

So weit, so laut politisch gebrüllt. Nur, wem gehören eigentlich die Villen am See? Steht da irgendwo im Grundbuch der Name “Usmanow”? Eher nicht. Meist werden Eigentumsverhältnisse über Yachten, Häuser oder Gelder von Milliardären, im Fachjargon “wirtschaftlich Berechtigte”, hinter Firmenkonstrukten versteckt. Radwan: „Wir kennen diese Problematik schon aus der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung. Vermögen verschleiern ist leider eine Kunstform, die manch einflussreiche Person zur Perfektion gebracht hat. Da hinken Behörden auf der ganzen Welt meistens hinterher.“

Eine systematischere Überprüfung von Vermögen ungeklärter Herkunft wäre also angebracht. Pläne, eine Task-Force einzurichten, gibt es innerhalb der Bundesregierung bereits. Nur: Die Zuständigkeiten in der Durchsetzung der Sanktionen sind derzeit völlig unklar und diffus. Am Aufspüren von Vermögen ungeklärter Herkunft sind mindestens fünf Ministerien und eine Reihe von weiteren Behörden auf Ebene von Bund, Ländern und Kommunen involviert.

In Großbritannien, der Heimat vieler russischer Oligarchen, will man schon weiter sein. Dort wurde nun endlich ein Gesetzentwurf gegen Wirtschaftskriminalität von der Innenministerin Priti Patel vorgestellt. Sie will ein Register einführen, das die “wirtschaftlich Berechtigten” von Grundstücken und Immobilien namentlich ausweist. Anonyme ausländische Eigentümer wären damit zur Offenlegung ihrer Identität verpflichtet.

Was ist denn mit Enteignung?
Klingt dufte, ist aber rechtlich nicht nur schwierig, sondern beinhaltet in unserem Rechtssystem auch immer eine Entschädigung. Der bockige Landwirt, der sein Randackerstück nicht für einen Radlweg hergeben will, bekommt eine schmucke Ausgleichsfläche oder eben Geld. Das will man bei Putins Kumpeln natürlich nicht. Vielleicht sollte der Landrat da noch einmal mit der CSU-Parteizentrale Rücksprache halten…

Und Konfiszieren wie bei den Clans?
Im Organisierten Verbrechen geht man davon aus (und kann es auch hoffentlich belegen), dass das Vermögen aus illegalen Quellen stammt. Konfiszieren könnte man noch, wenn mit dem Vermögen eines Usmanow Terror finanziert wird. Spätestens da weiß man, dass man auf dem Holzweg ist.

Neue Gesetze schaffen?

Es ist bitter. Aber die Sache mit den Sanktionen klingt in Talkshows gut, ist in der Umsetzung ein Rohrkrepierer, wenn man sich schnelle Erfolge wünscht. Alexander Radwan dazu: “Das ist wirklich kein leichtes Unterfangen, und wir haben schon riesige Baustellen beim Aufspüren der Vermögen und bei der Durchsetzung der Sanktionen. Die Sanktionierung ist deswegen aber noch lange kein stumpfes Schwert und manch einer der Namen auf der Liste wird sich schon fragen, ob seine Villen wirklich wieder aufgetaut werden. Ich würde mir trotzdem wünschen, dass wir hier nochmal nachschärfen! Dieser schreckliche Krieg wird vermutlich nicht so schnell beendet sein und wird immer brutaler. Analog zur Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung sollten wir rechtliche Grundlagen schaffen und damit dann die entsprechenden Vermögen auch einziehen können.“

Das wird ein dickes Brett. Sicher: Lieber zwingt man Putin mit Mitteln der Wirtschaft aus der Ukraine, als dass man verschimmelte NVA-Waffenbestände liefert, oder nur einen deutschen Soldaten sterben lässt. Aber solche geforderten Register könnten auch von der Staatsmacht (Finanzamt etc.) gegen heimische Verschleierer genutzt werden. Was man hört und sieht, soll auch der heimische Betonbaron oder Schraubenfabrikant  das Instrumentarium der Tarn- und Briefkastenfirmen, um sein Vermögen vor einem Zugriff des Staats zu schützen, nutzen.

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