“Epochales Werk” oder Offenbarungseid?

Schon zweimal in Folge lehnte die CSU im Wiesseer Gemeinderat den Haushalt ab. Das gleiche Schicksal drohte dem neuen Rekordhaushalt von fast 40 Millionen Euro. Würde die CSU Gleichgesinnte finden, sorgten sich Bürgermeister wie Kämmerer bei der Vorlage des 250-seitigen Haushalts.

Der Gemeinderat stimmte dem Haushalt der Wiesseer Gemeinde nur knapp zu

Er habe als amtierender Bürgermeister dieses „epochale Werk“ des Haushalts von Anfang an begleitet. Das habe ihn an „seine Grenzen geführt“, sagte Robert Huber (SPD). Mit fast 40 Millionen Euro sei es der größte Haushalt jemals der Gemeinde, der die ganze Vielfalt des Ortes widerspiegele. Notwendig sei dennoch eine Neuverschuldung von fast neun Millionen, um den Anforderungen gerecht zu werden. In der Zusammenfassung von Kämmerer Franz Ströbel wird darauf hingewiesen, dass „die allgemeinen Rücklagen inzwischen bis auf bestehende Bausparverträge aufgebraucht sind“. Künftige Investitionsmaßnahmen im Vermögenshaushalt könnten „nur noch durch neue Kreditaufnahmen finanziert“ werden.

Angesichts des Schuldenstands von 24 Millionen Euro sei die Handlungsfähigkeit der Gemeinde „sehr stark eingeschränkt“. Daher könne dem Gemeinderat nur empfohlen werden, „die bestehenden Maßnahmen abzuschließen und sich vorrangig auf die Pflichtaufgaben, wie Straßenbau und Daseinsvorsorge zu konzentrieren“. Für zusätzliche freiwillige Aufgaben sind die „finanziellen Möglichkeiten im Haushalt nicht mehr gegeben“. Deshalb müsse man auch an den „Einnahmen schrauben“, da die „finanzielle Situation eng ist“.

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Haushalt als „politisches Spielfeld“

Viele Maßnahmen würden erwünscht, aber wenn es um Erhöhungen der Einnahme gehe, höre er von Vielen: „Geht nicht, geht nicht“, erinnerte Ströbel. Dieses Recht einer freien Rede nehme er sich als Parteiloser. Er könne auch nicht verstehen, warum man beim Badepark immer von „einer Misswirtschaft redet“. Als Kommune habe „wir den schwarzen Peter, solche Einrichtungen führen zu müssen“. Kein Privater würde dies wegen der Defizite machen.

Er wünsche sich vom Gemeinderat, „dass sein Haushalt nicht als politisches Spielfeld betrachtet wird“, warnte Ströbel. Darin würden nur die Beschlüsse des Gremiums umgesetzt werden. (Beifall am Ratstisch) Derzeit blieben nur 700.000 Euro für Investitionsmaßnahmen, verdeutlichte der Kämmerer die angespannte Haushaltslage. Dies reiche nur für „zwei Straßen“ als Pflichtaufgaben.

„Kleinere Brötchen backen“

Für Florian Sareiter (CSU) war es Wasser auf die Mühlen: „Jedes Jahr sprechen wir von einem epochalen Haushalt, der immer größer wird. Die Schuldensituation ist eine Katastrophe“. Es fehle das Geld für notwendige Straßenreparaturen und die Neugestaltung der Seepromenade genauso, wie für einen neuen Kindergarten. „Die Liquidität ist noch prekärer“. Hier könnten nach Ansicht von Sareiter Grundstücksverkäufe helfen.

Zunächst aber müsse man „kleinere Brötchen backen und keine Luftschlösser bauen“. Rechne er die Schulden des Kommunalunternehmens (KU) und die geplante Investition am Badepark zum bestehenden Schuldenstand hinzu, komme er auf einen Wert von 45 bis 50 Millionen Euro, erklärte Sareiter. Der Kämmerer habe nun dem Gemeinderat „die rote Karte verpasst“.

Für Bernd Kuntze-Fechner (SPD) ist der Haushalt, der ausgewogen sei, die Summe von Beschlüssen, die mit Mehrheit gefasst wurden. Deshalb sei es für ihn auch nicht nachvollziehbar, dass die CSU eine Erhöhung der Kurtaxe ablehne, wenn sie auf der anderen Seite Anträge einbringe, die der Gemeinde etwas kosten würden. Für ihn stelle sich die Diskussion wie im britischen Parlament zur Einführung des Brexit dar. „Ihr richtet hier ein Chaos an“.

„Falsche Prioritäten“ und „Schotten dicht“

Die gleichen Bedenken wie die CSU hatte auch Rolf Neresheimer (ranBW). Im Haushalt „sind die falschen Prioritäten gesetzt, deshalb werden wir ihn ablehnen“.

Huber, der eine Mehrheit für den Haushalt schwinden sah, mahnte Neresheimer und Sareiter, „ist euch da bewusst, war ihr anrichtet. Ihr habt nicht begriffen, was ein Haushalt letztlich ist“ empörte sich Huber. Auch Kämmerer Ströbel versuchte es nochmals: „Sie haben eine Verpflichtung, dass der Haushalt vom Gemeinderat zu erstellen ist. Punkt. Aus. Die Schotten sind dann dicht, wenn sie ablehnen“. Es werde dann keine Ausgabe mehr getätigt, egal, was der Gemeinderat beschließe.

Für die Schulden habe man überall Gegenwerte, meinte Fritz Niedermaier (FWG). „Wollt ihr, dass wir alle Grundstücke versilbern?“ Huber konsterniert: „Mit Argumenten können wir euch nicht erreichen. Das ist eine Schauspielerei“.

„Lächerliche Spiele und populistische Forderungen“, fasste Klaudia Martini (SPD) die Debatte zusammen. Der Bumerang komme auf die CSU zurück. „Ich halt es nicht mehr aus“. Mit den Stimmen von Wiesseer Block (FWG), SPD und der parteilosen Beate Meister konnte die Satzung gerade noch mit 8:7 Stimmen verabschiedet werden. Ströbel sichtlich erleichtert: „Gott sei Dank“

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