Als im November 2009 die Aldi-Filiale in Weissach vollständig abbrannte, ahnte noch niemand, dass die endgültige Aufklärung des Falls Jahre in Anspruch nehmen würde. Bei dem Brand entstand damals ein Schaden von etwa zwei Millionen Euro. Eher zufällig kamen die Ermittler im vergangenen Jahr zu neuen Erkenntnissen. Heute begann die Verhandlung vor dem Miesbacher Amtsgericht gegen drei mutmaßliche Täter. Zwei von ihnen lebten zur Tatzeit im Tegernseer Tal.
Zwei Millionen Euro Schaden
Am 29. November gegen 03:20 Uhr erreichte die Polizei Bad Wiessee ein Einbruchsalarm aus der Aldi-Filiale in Kreuth-Weissach. Die Beamten trafen vor Ort allerdings auf keine Einbrecher, sondern auf ein ausgewachsenes Feuer. Der Anbau des Supermarktes stand bereits in Flammen. Schnell griffen die Flammen auf den Verkaufsraum über. Am Ende brannte der gesamte Markt ab.
Der dabei entstandene Schaden belief sich auf rund zwei Millionen Euro. Aufgrund der enormen Schadenshöhe waren tags darauf auch Experten der Kriminalpolizei Miesbach und des bayerischen Landeskriminalamtes vor Ort. Schnell war klar: es handelt sich hier nicht um einen technischen Defekt, sondern um Brandstiftung.
Wie die Experten in mühevoller Kleinarbeit ermittelten, hatten die Flammen entzündeter Zeitungen und kleinerer Äste auf eine hölzerne Lärmschutzwand im südlichen Bereich des Supermarktes übergegriffen. Von dort breitete sich das Feuer schnell auf das Dach und schließlich das ganze Gebäude aus.
Unverhofft auf eine heiße Spur gestoßen
Wer jedoch für den Brand verantwortlich war, konnte die Polizei lange Zeit nicht sagen. „Wir haben in alle Richtungen ermittelt, mussten den Fall aber schließlich einstellen“, erinnert sich Kriminalhauptkommissar Konrad P. bei der heutigen Verhandlung vor dem Miesbacher Amtsgericht.
Der Fall wanderte zu den Akten. Im Juli 2011, mehr als anderthalb Jahre später, ergab sich dann plötzlich eine heiße Spur für die Beamten, wie P. heute erklärte:
Im Zuge einer anderen Strafsache habe ich mich mit einer Zeugin unterhalten. Sie hat gesagt, dass sie vom Hörensagen wüsste, wer an der Tat beteiligt gewesen sei.
Daraufhin sprach der Polizist zunächst mit der damaligen Freundin eines der Angeklagten. Diese habe laut dem Beamten zu Protokoll gegeben: „Er brach gegen 24 Uhr auf und wollte seinen Kumpel aus einer Rottacher Diskothek abholen. Als er gegen halb sechs Uhr morgens zurückkam, war er aufgeregt und sagte: (…) war betrunken und hat den Aldi angezündet.“
Ein Geständnis führt zur Anklage
Daraufhin besorgte sich die Polizei einen Durchsuchungsbefehl für die Wohnungen der beiden Verdächtigen, einen 24-jährigen Rottacher und einen 23-jährigen Rottacher. Die Kripo ordnete eine Telefonüberwachung an. Im Anschluss baten die Ermittler die beiden Tatverdächtigen zur Vernehmung ins Präsidium.
Während der ehemalige Tegernseer aussagte, dass seine Freunde und er nichts mit dem Brand zu tun haben, legte der Rottacher nach einigen widersprüchlichen Aussagen schließlich ein Geständnis ab. Demnach sei er zusammen mit einem 33-jährigen Münchner und dem Tegernseer vor dem Brand in einer Diskothek in Rottach-Egern gewesen.
In der Diskothek sollen die drei dann den Entschluss gefasst haben, auf dem Aldi-Parkplatz einen Joint zu rauchen. Der Rottacher selbst sei zu diesem Zeitpunkt schon sehr betrunken gewesen und habe große Erinnerungslücken. Vor Ort sei ihnen, so seine Aussage bei der Polizei, dann kalt geworden. Daher entzündeten sie mit einem dort liegenden Stapel Zeitungen ein Feuer.
Das griff jedoch bald auf die Lärmschutzwand über und führte später zu dem Vollbrand des Hauses. Die drei Männer trennten sich daraufhin und liefen nach Hause. Seinen Fluchtweg konnte der Geständige indes ganz genau beschreiben und zeichnete ihn den Beamten sogar auf. Aufgrund des Geständnisses reichte die Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr schließlich Anklage gegen alle drei Verdächtigen ein. Der Vorwurf lautete: fahrlässige Brandstiftung.
Hat die Polizei Fehler gemacht?
Heute, fast vier Jahre nach dem Brand und rund zwei Jahre nach dem Geständnis, begann nun die Verhandlung vor dem Miesbacher Amtsgericht. Neben Kriminalhauptkommissar Konrad P. mussten auch die damaligen Zeugen ihre Angaben bestätigen. In der fast fünfstündigen Verhandlung wurden die Aussagen von Richter Klaus-Jürgen Schmid, der Staatsanwaltschaft, aber auch durch die Anwälte der Beklagten erneut hinterfragt.
“Wurde das Alibi meines Mandanten überprüft? Er hat am Tatabend bis spät am Abend in einem Rottacher Restaurant gearbeitet”, betonte die Anwältin des Tegernseers. Das hat der Inhaber des Restaurants dem Gericht mittlerweile auch schriftlich. Der ermittelnde Beamte musste dagegen einräumen, dass dies nicht geschehen sei.
Auch was das Geständnis des 24-jährigen Rottachers anbelangt, hakte die Anwältin mehrmals nach.
Es gibt mehrere Mitschnitte von Telefongesprächen, in denen der Angeklagte angibt, nur eine Falschaussage gemacht zu haben, um einer Gefängnisstrafe zu entgehen.
Der Kriminalhauptkommissar verwahrte sich jedoch gegen die Unterstellung, den Angeklagten unter Druck gesetzt zu haben, und betonte, dass die Vernehmungen vollkommen ruhig abgelaufen seien. “Der Verdächtige hat nach einer kurzen Wartezeit in der Arrestzelle von sich aus erklärt, ein Geständnis abgeben zu wollen.”
Dabei stellte der Anwalt des Rottachers indirekt infrage, ob das Geständnis überhaupt zustande gekommen wäre, wenn der 24-Jährige nicht möglicherweise unzulässig in die Zelle gesteckt worden wäre. Zudem gebe es laut Frank Zahnert von den Vernehmungen zwar ein schriftliches Protokoll, aber keine Tonbandaufnahme.
Neben dem Geständnis versuchte die Anklage, die Verdächtigen zudem durch Aussagen von drei Zeuginnen zu überführen. Eine der Frauen erklärte heute vor Gericht, dass der angeklagte Tegernseer sich ihr gegenüber folgendermaßen geäußert hatte:
Ein Jahr nach dem Brand hat (…) zu mir gesagt, dass er weiß, wer den Aldi angezündet hat. Er will es aber nicht verraten.
Aussagen, die dem Richter noch nicht genügten. Vor allem, weil es den Ermittlern bislang nicht gelungen ist, den drei Verdächtigen nachzuweisen, dass sie tatsächlich zum besagten Zeitpunkt auf dem Parkplatz des Aldi gewesen sind. Weder konnten DNA-Spuren am Tatort sichergestellt werden, noch gelang es, die Handys der drei im Nachgang am Brandort zu orten.
Aus dem Grund vertagte Richter Schmid die Verhandlung auf den 21. Oktober. Dann soll unter anderem der Restaurantbesitzer, bei dem der Tegernseer am Tatabend gearbeitet hat, vernommen werden. Damit ist der Ausgang des Prozesses momentan völlig offen, und es könnte sein, dass die genauen Umstände des Aldi-Brandes noch lange ungeklärt bleiben.
SOCIAL MEDIA SEITEN