Erfolgschancen für Klage gegen Saurüsselalm?

Bei strahlendem Sonnenschein fand heute auf der Saurüsselalm die mündliche Gerichtsverhandlung statt. Der Verein zum Schutz der Bergwelt hatte geklagt. Das Ziel: Die Eventalm soll wieder schließen. Selbst der so medienscheue Franz Josef Haselberger war samt Familie vor Ort. Immerhin ging es um die Frage, ob die Nutzungsänderung rechtens war. Wie lautet das Urteil?

Muss die umstrittene Saurüsselalm wieder schließen? War die Genehmigung und Nutzungsänderung rechtens? Diese Fragen beschäftige heute das Münchner Verwaltungsgericht.

Die neunte Kammer der Verwaltungsgerichts München (VGM) hat heute eine mündliche Sitzung samt vorausgehender Inaugenscheinnahme unter dem Vorsitz von Richterin Cornelia Dürig-Friedl auf der Saurüsselalm in Bad Wiessee anberaumt. Verhandelt wurde die Klage des Vereins zum Schutz der Bergwelt gegen das Landratsamtes Miesbach. Konkret ging es um die Genehmigung des Umbaus und die Nutzungsänderung von einer landwirtschaftlichen zu einer gastronomischen Almhütte.

Für den Verein sei das, was mit der Saurüsselalm von Franz Josef Haslberger passiert ist, eine Grundsatzentscheidung, die eine gewaltige Strahlwirkung auf weitere Projekte im Tegernseer Tal habe, äußerte sich Rudi Erlacher, ​​Geschäftsführender Vorsitzender des Vereins, zur Motivation, vor Gericht zu ziehen. Dem wolle man mit der Klage entschieden entgegenwirken.

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Der schnelle Verhandlungstermin, nur sechs Woche nach Klageeinreichung, und der Verhandlungsort direkt auf der Alm sind ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher war, dass Richterin Cornelia Dürig-Friedl schon im Vorfeld entschieden hatte, dass auch der Weg zur Alm zur „Inaugenscheinnahme“ als Teil des Termins gelten solle, wie die Pressestelle des Verwaltungsgerichtes am Vortag erklärte. Das Gericht wolle sich einen umfassenden Überblick über die Situation vor Ort verschaffen. Dazu gehöre auch der Weg hinauf, erklärte der Sprecher.

Verspäteter Beginn und Irritation bei Klägern

Also wanderten Mitarbeiter und Referendare der Kammer und die Richterin in Begleitung von Herbert Kaltenegger, dem Rechtsbeistand von Haslberger, gemeinsam vom Parkplatz am Söllbach hoch zur Alm. Oben, auf knapp tausend Metern angekommen, warteten schon Vertreter des beklagten Landratsamtes, der Staatsregierung, der Gemeinde Bad Wiessee samt Familie Haslberger auf die Gruppe. Sie hatten die Autofahrt hoch zur Saurüsselalm dem 45-minütigen Spaziergang wohl vorgezogen.

Mitarbeiter des Verwaltungsgerichts und Richterin Dürig-Friedl auf dem Weg zu Alm.

Der Beginn der gerichtlichen Veranstaltung verschob sich dann aber noch um fast 30 Minuten, da bei der Überprüfung der Anwesenheit festgestellt wurde, dass weder der Klagevertreter Erlacher noch seine Anwältin vor Ort waren. Dazu Rechtsanwältin Anja Schilling von der Würzburger Kanzlei Baumann:

Wir wurden vom Gericht nicht darüber informiert, dass die Inaugenscheinnahme schon auf dem Weg hoch zur Alm beginnen wird.

Die Anwältin und ihr Mandant hatten beim Versuch, pünktlich zum angesetzten Termin um 10:00 Uhr mit dem eigenen PKW zur Alm zu gelangen, mehrfach vor verschlossenen Schranken gestanden. Erst ein Mitarbeiter Haslbergers hatte die Kläger dann am Parkplatz abgeholt und zur Alm gebracht. Darüber und auch über die Art und Weise der Durchführung des Verfahrens zeigte sich Erlacher im Anschluss an die Verhandlung sehr irritiert:

Ich dachte, ich gehe zu einer ordentlichen Gerichtsverhandlung und nicht zu einem Wandertag.

Nun vollzählig eröffnete Dürig-Friedl das Verfahren der in Inaugenscheinnahme. Im ersten Teil ging es um die Belange des Naturschutzes im abgelegenen Außenbereich, die Lärmbelästigung und die baulichen Veränderungen sowie die Wegführung. Hier legten der Kläger und die Beklagten jeweils ihre Einwände und Erwiderungen vor.

Schwarzbau: Tanzboden?

Für die Seite der Beklagten äußerte sich Josef Faas von der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt. Dieser sah, wie schon zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung und der Nutzungsänderung, keine Einwände, die gegen die Entscheidung des Landratsamtes sprechen. Die Behörde sehe auch keine Beeinträchtigung für die Natur, wenn sich weniger als 200 Menschen, so wie festgelegt, auf der Alm befänden. Zumal ja auch Livemusik im Außenbereich nicht erlaubt sei.

Dem hingegen wurde von Seiten der Kläger wiederholt darauf verwiesen, dass sich in der näheren Umgebung der Saurüsselalm der Lebensraum einiger geschützter Tiere der heimischen Bergwelt befinden würden. Während der Verhandlung tauchte passend dazu ein Hirsch am Berghang auf. Beim Thema Livemusik musste Erlacher lachen, und verwies auf den Tanzboden, der auf einer Ecke des Grundstückes steht und sagte:

Und wofür braucht es dann den Tanzboden, wenn hier draußen gar keine Livemusik geplant ist?

Die Richterin merkte daraufhin an, es ginge im heutigen Verfahren nicht um „Schwarzbauten“, die rund um die Hütte möglicherweise entstanden seien. Dafür sei das Bauamt zuständig. Dennoch machte sie deutlich: Die Bühne muss weg – „Je schneller, desto besser.“ Was auch ein Vertreter gleich der Behörde umgehend bestätigte und versprach, sich um den Rückbau zu kümmern.

60-seitige Klageschrift

In der eigentlichen Verhandlung, die sich übergangslos anschloss, ging es um die Privilegierung der Alm und deren Lage im Naturschutzgebiet. Die Frage also, ob die Gemeinde und im Endeffekt das Landratsamt als verantwortliche Behörde gegen geltendes Recht verstoßen habe, als sie die Freigabe erteilte. Zu diesem Schluss kommt der Kläger, der Verein zum Schutz der Bergwelt, in seiner 60 Seiten umfassenden Klageschrift.

Laut deren Rechtsbeistand Schilling sei ein Argument gegen die Rechtmäßigkeit, dass die Alm, die zuvor als Stall genutzt wurde, nicht in einem ausgewiesenen Wandergebiet liege. „Hier sind vor dem Umbau kaum Menschen vorbeigewandert. Es gibt nicht einmal Hinweisschilder auf andere Wanderwege. Weder an der Alm noch am Parkplatz der Alm“, führt die Anwältin aus. Also gelte auch das Versorgungsprinzip für Wanderer in diesem Bereich nicht. Und schon gar nicht mit dem gehobenen Speiseangebot der Gastronomie auf der Saurüsselalm.

Geschmack ist relativ

Dem widersprachen die Vertreter der Gemeinde Bad Wiessee und die Beauftragten des Landratsamtes. Ihrer damaligen Entscheidung seien umfangreiche Recherchen und gründliche Gespräche vorausgegangen. Der Bedarf für eine bewirtschaftete Alm sei gegeben gewesen.

Haslbergers Anwalt Kaltenegger verwies in diesem Zusammenhang auf die vielen Wanderer und Radlfahrer, die in den Stunden seit dem Beginn der Sitzung auf der Alm Station gemacht haben. Man müsse die jetzige Situation betrachten und nicht die vor dem Umbau und ergänzt: „Die Leute kommen hier hoch. Es scheint ihnen zu gefallen.“ Die Richterin, die sich als begeisterte Wanderin outete, machte deutlich:

Ich werde in keinem Fall eine Entscheidung über den Geschmack der Menschen treffen. Jeder darf essen, was ihm schmeckt: Ob das nun ein Wasser und eine Brotzeit oder ein leckerer Weißwein ist zu einem exquisiten Essen.

Die Zeiten hätten sich halt verändert, merkte Dürig-Friedl noch an. Auch die Hütten des Deutschen Alpenvereins seien inzwischen sehr modern und bestens ausgestattet – fast schon luxuriös.

175 Sitzplätze oder doch 255?

Als strittig zwischen den Parteien erwies sich noch die Frage nach den Sitzplätzen in der Alm. Haslberger gab an, es seien 175, korrigierte sich aber nach einigen Nachfragen und ergänzte: “Also es sind 175 auf der Terrasse und noch einmal 80 im Innnenbereich der Gastronomie.“ Die seien aber nur vorbehalten, falls sich das Wetter ändere.

Kurzzeitig musste das Verfahren noch unterbrochen werden, da die Klägerseite darüber beriet, ob eine Zurücknahme der Klage in Betracht gezogen werde. Auslöser war ein überraschender Vorstoß des Anwalts von Haslberger. Kaltenegger wies im Rahmen der Privilegierung in einem Naturschutzgebiet darauf hin, dass es im Landkreis Miesbach gar keine ausgewiesen Gebiete mehr geben würden. Die Karten seien bekanntlich im Landratsamt verloren gegangen. Erlacher reagierte zuerst irritiert auf den Einwurf Kalteneggers:

Wollen Sie uns unter Druck setzen?

Der Vereinsvorsitzende beriet sich dann aber doch mit seinem Rechtsbeistand einige Minuten. Der Hintergrund dieses Einwurfs ist gelinde gesagt etwas peinlich für den Landkreis Miesbach – denn Kaltenegger hat Recht (wir berichteten). Es gibt aktuell keine offiziellen Karten mehr und damit rein rechtlich auch keine ausgewiesenen Landschaftsschutzgebiete im Landkreis.

Verlorene Karten im Landratsamt entscheidend?

Die Rechtslage ist dementsprechend offen. „Weg ist weg“, brachte es Dürig-Friedl auf den Punkt. Kaltenegger wies darauf hin, dass eine wiederholte Erwähnung dieser Tatsache in einem rechtskräftigen Urteil (zuerst sei das 2019 der Fall gewesen) weitreichende Folgen für den ganzen Landkreis haben könnte.

Nach kurzer Beratung jedoch entschieden sich die Kläger, dieses Risiko einzugehen und ihre Klage aufrecht zu erhalten. Anschließend erklärten alle Prozessbeteiligten auf weitere mündliche Anhörungen verzichten zu wollen und die Richterin kündigte das Urteil für Freitag um 08:00 Uhr an. Man darf gespannt sein – auch wenn es nicht gerade optimal für den Verein nach der heutigen Verhandlung aussah…

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