Manchmal, meistens knapp vor den Wahlen, wird der Bürger von den Politikern als potentieller Wähler geadelt. Dann wird der Elite klar, dass das Ergebnis der nächsten Abstimmung sie für eine eng umrissene Zeitspanne mit einer gewissen Macht ausstatten kann. Diese Macht, so die Theorie, wird von den dann Mächtigen im Namen der Bürger für das Wohlergehen der Gemeinden und damit der Bevölkerung eingesetzt. In der Praxis läuft es ab und zu auch anders. Aber das ist ein anderes Thema.
Doch wie ist es um das Missverständnis zwischen den Mächtigen und den Bürgern bestellt? Warum passt das manchmal einfach nicht zusammen? Aus welchem Grund stellen sich Bürger gegen die Vorhaben von Politikern, die Sie gewählt haben? Wieso kommt es zu einem Bürgerentscheid wie gestern in Otterfing?
Wenn der Bürgermeister seine Bürger nicht mehr versteht
Fragen über Fragen. Und sicher sind die Antworten komplex. Vielschichtig. Schlicht schwer zu beantworten. Möchte man meinen. Dabei gibt es eine einzige, relativ simple Antwort. Und es ist zweitrangig, ob es um einen Bahnhof in Stuttgart geht (auch bekannt als Stuttgart21) oder um ein Sportzentrum in Otterfing. Die Bürger fühlen sich nicht mitgenommen. Sie fühlen sich überrannt.
Der Ablauf ist oft ähnlich: Zuerst wird viel versprochen. Dann werden erste Pläne diskutiert. Im ersten Schritt sind die gar nicht so umfangreich. Doch das dicke Ende kommt meistens noch. Denn je schneller sich die Spirale zwischen Genehmigungen und kurzfristig anberaumten Sitzungen dreht, um so mehr nähert sich das Vorhaben den tatsächlichen Dimensionen. Und um so stärker wird beim Bürger das dominierende Gefühl, da ist irgendwas im Busch. Am Schluss bleibt nur noch der Widerstand.
Im Falle von Otterfing wollten CSU und Bürgermeister ein neues Sportzentrum an der Kreuzstraße entstehen lassen – und gleichzeitig neue Wohngebiete für Einheimische erschließen. Sie hatten wohl redliche Absichten und den Wunsch des TSV hinter sich. Bis zuletzt konnte man daher auch nicht nachvollziehen, warum sich die Bürger gegen diese doch verständlichen Pläne stellten. Der Bürgermeister verstand seine eigenen Wähler nicht mehr.
Auch große Vorhaben können erfolgreich sein
Dabei ist die Erklärung relativ simpel: es war schlicht die Dimension des Projektes, mit dem die Bevölkerung und teilweise auch die Gemeinderäte nicht klargekommen sind. Schließlich hätte diese Entscheidung Otterfing auf Jahre hinweg geprägt. Zudem gab es die Darstellung der Alternativen erst kurz vor dem Entscheid. Und selbst diese Ergebnisse waren umstritten. Dass der Konflikt am Ende in politischen Grabenkämpfen endete, war absehbar.
Sicher könnte man jetzt einwerfen, die Verantwortlichen des Bürgerbegehrens verfolgen doch eigene Interessen. Aber am Ende haben sich fast 72 Prozent der Wähler gegen das bedeutsame Vorhaben eingesetzt. Das ist eindeutig und sollte bei der Fülle an landkreisweiten Beispielen, wo die Bürger gegen etwas opponiert haben, irgendwann zu einem Umdenken führen.
Für Politik und Unternehmer könnte das bedeuten: mehr hinhören, mehr informieren. Für die Bürger bedeutet es aber auch mehr Engagement und frühzeitiges Interesse. Damit nicht jede politische Entscheidung von größerer Tragweite in einem Bürgerentscheid endet, damit der Dorffrieden nicht leidet. Vielleicht bedient man sich einfach einer Prise Zynismus und wendet eine erfolgsversprechende Taktik an: “Erschlagt die Bürger im Vorfeld mit Transparenz. Dann kommt es erst gar nicht zu solchen Aufständen.”
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