Angefangen habe alles im September, als ein Antrag eines Maklerbüros im Bauausschuss zur Neugestaltung des Hauses Rheinland vorlag, der aber abgelehnt worden sei. „Doch da keimte auch schon im Bauausschuss der Gedanke auf, dass dieses 25-Betten-Haus zumindest vorübergehend, bis eine neue Nutzung erfolgen kann, Asylbewerbern dienen könnte“, erklärte Bürgermeister Peter Höß auf der Pressekonferenz heute. An seiner Seite: Geschäftsstellenleiter Michael Herrmann.
„Ich habe der Eigentümerin, die nichts gegen unsere Pläne zur Aufnahme von Flüchtlingen hatte, den Kauf dieses Hauses mit einem Grund von 2.240 Quadratmetern für 1.15 Millionen Euro angeboten“, so Höß weiter. Für die Gemeinde habe der städtebauliche Gesichtspunkt im Vordergrund gestanden.
Höß: Wiessee braucht Drogeriemarkt
Wert legt Höß auf die Feststellung, dass der Kauf des Gästehauses für über eine Million Euro nicht ewig in den Büchern der Gemeinde bleibt.
Sobald eine Konzeption da ist, wird es wieder verkauft. Wir sind der Ansicht, wenn die Gemeinde auf ein solches Angebot nicht reagiert, dann ist das Objekt weg und eine Mitbestimmungsmöglichkeit ist auf unbestimmte Zeit verwirkt.
Die Verbriefung durch den Notar habe am Freitag stattgefunden. Dafür habe ihm auch der Gemeinderat mit einem einstimmigen Beschluss grünes Licht erteilt. „Für die Wiesseer Geschäftswelt wäre es wahnsinnig wichtig, einen Drogeriemarkt zu haben“, so der Bürgermeister. Viele Wiesseer würden deswegen nach Rottach fahren. „Und dann wird der Rest der Besorgungen auch noch in Rottach eingekauft. Diese Umsatzmöglichkeit fehlt vielen Wiesseer Geschäftsleuten“, argumentiert Höß.
Tolerante Eigentümerin mit Wohnrecht
Das Haus Rheinland war von 2009 bis April 2014 als Gästehaus in Betrieb. Es sei in einem relativ guten Zustand. Die einstigen Pächter hätten sich dann anderweitig orientiert, so dass es danach zum Verkauf gestanden habe. „Für uns ist es aus ortsplanerischen Gründen wichtig, hier die Hand drauf zu haben,“ so Höß weiter. In dem Haus gebe es noch ein lebenslanges Wohnrecht für die frühere Eigentümerin Ilse Langenhorst.
Die 95-Jährige sei sehr tolerant, sie habe die ganze Welt bereist. Und deshalb „hat sie keine Probleme mit Migranten“, betont der Rathauschef, „dennoch werden wir das Landratsamt anhalten, hier eine wohlüberlegte Zusammenstellung der Flüchtlinge zu machen.“ In dem Gebäude können bis zu 25 Asylbewerber unterkommen. Genaueres erfahren die Verantwortlichen allerdings erst nach der Begehung zum Brandschutz. „Dies dürfte aber zu keinen großen Problemen führen, da dem Haus bereits 2009 eine Konzession als Gästehaus erteilt wurde“, so Höß.
Die Flüchtlinge fänden dort optimale Wohnbedingungen vor, ergänzt Michael Herrmann, „die Zimmer sind komplett möbliert. Sogar die Betten sind bezogen. Getrennt von anderen Flüchtlingen ist im Haus auch Platz für Familien. Im Souterrain ist eine große Küche und ein entsprechender Gemeinschaftsraum. Eine Situation, wie man sie anderswo kaum vorfindet. Auch das Landratsamt ist von dieser Herberge sehr angetan“.
Die Übergabe des Hauses erfolge erst mit der Zahlung des Kaufpreises. Wenn dies reibungslos funktioniere, könne die Übergabe an die Gemeinde Anfang Februar erfolgen. „Die 1,15 Millionen Euro Kaufpreis entnehmen wir der Rücklage, in der wir noch über vier Millionen haben“, versichert das Gemeindeoberhaupt, „mit dem Kauf verbessern wir sogar unsere Haushaltslage. Denn auf der Bank bekommt die Gemeinde derzeit so gut wie keinen Cent für die Rücklage. Was wir bezahlt haben, bekommen wir allemal wieder. Zudem bekommen wir nun eine ortsübliche Miete vom Landratsamt.“
Es werde eine „beachtliche Rendite“ dabei herausspringen. Dabei betont der Bürgermeister:
Unser Rücklagenbestand lässt eine solche Investition leicht zu und für die Asylbewerber ist es eine Perspektive. Allemal besser, als in Turnhallen untergebracht zu werden. Für den Landkreis ist es eine Möglichkeit, den Druck vom Kessel zu nehmen. Es wäre unverantwortlich, eine solche Kaufmöglichkeit dieser Immobilie nicht wahrzunehmen.
Damit keime auch eine gewisse Hoffnung für die afghanische Flüchtlingsfamilie Sethi auf, die nur noch bis Februar im alten Pfarrhof Unterschlupf finden kann. Sie könne dann ins Haus Rheinland umziehen. „Als Unterkunft für Flüchtlinge war das Pfarrheim immer nur befristet“, sagt Höß.
Diese Familie sei das beste Beispiel dafür, wie Integration gelingen könne. Der Kleine sei im Kindergarten und lerne spielend Deutsch. Die junge Frau habe inzwischen einen festen Job an der Kasse des Bade Parks. Höß und Geschäftsleiter Herrmann hoffen sehr, dass die christliche Herbergssuche in Wiessee nicht auf zu viele Widerstände stößt.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hatte es nach Aussagen in der Pressekonferenz geheißen, der Gemeinde wäre das Haus Ursula ebenfalls zum Kauf angeboten worden. Nach unseren Recherchen ist dieser Sachverhalt jedoch falsch. Daher haben wir den entsprechenden Absatz entfernt.
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