Klagen für den Krippenplatz?
“Es ist nicht Sache der Eltern, einen Platz zu schaffen”

Alle reden von Kinderförderung, Entlastung der Eltern usw. Wenn es aber ernst wird, kommt die Absage. Autor und Jurist, Ralf Beckmann, über die Krippen-Problematik.

Dreijährige will mit dem Moped in die Krippe fahren – besser einen Platz in der eigenen Gemeinde finden; das wünschen sich viele Eltern. Übrigens zu Recht. Foto: Carl Obereisenbuchner.

„Wir haben einfach keinen Platz für Sie und Ihr Kind!“, – kann dieser Einwand als Argument durchgehen?

Urteil des Verwaltungsgerichts Münster

Erneut aufmerksam wurde ich auf die Problematik, durch eine nette Nachbarin, die meiner Frau davon erzählte, dass man für den Jüngsten keinen Kita-Platz bekommen habe. Zudem wurde ich dann auf ein Urteil, besser einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Münstert aufmerksam.

Die Kernaussage: „Stadt Münster muss trotz fehlender Kapazitäten Kita- oder Tagespflegeplatz nachweisen“

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Das Hauptargument war, dass die Stadt sich gerade nicht auf Unmöglichkeit berufen kann. Also, wir haben einfach keinen Platz, zählt nicht. Es ist nämlich nicht Sache der Eltern, einen Platz zu schaffen. Beiläufig hat das Gericht darauf hingewiesen, dass der Platz sich in 30 Minuten Entfernung zum Wohnort der klagenden Eltern befinden müsse. Dies dürfte für viele Eltern im Tal ein weiteres, wichtiges Argument sein.

Und was tue ich, wenn mir der Kita-Platz für mein Kind verweigert wird?

Gespräch suchen, vorbereitet sein

Das Gericht in Anspruch nehmen und vielleicht sogar absolut sicher gewinnen, ist die eine Sache. Allerdings trauen sich viele Eltern nicht, dies auch in der Praxis zu tun. Manchmal ist die Hemmschwelle zu groß. Da fürchtet man soziale Ächtung durch den Pfarrer oder den Bürgermeister in kleinen Gemeinden; oder die hohen Kosten.

Am besten sucht man zunächst das Gespräch mit den zuständigen Personen bzw. Entscheidungsträgern. Aber, gehen Sie vorbereitet in ein solches Gespräch. Denn ihre Argumente werden durch die Aussage, „wir haben keinen Platz, woher nehmen und nicht stehlen?“ oftmals vom Tisch gewischt. Drucken Sie besser die Urteile / Beschlüsse des Verwaltungsgerichts München und Münster aus. Lassen Sie keinen Zweifel daran, dass Sie diejenigen Eltern sein werden, die nach einem unbefriedigenden Ausgang des Gesprächs den nächsten Schritt gehen werden (Klage). Dann stehen Ihre Chancen sicher besser. Damit hebeln Sie die oft entgegengebrachten Argumente aus: Sie nehmen Eltern mit einer längeren Wartezeit den Platz weg; Sie können einen Kita-Platz in X haben (der dann eine Stunde Fahrzeit bedeuten wird).

Gemeinden in der Pflicht


Es gibt sicher noch viel mehr Argumente, die man Ihnen entgegenhalten wird. Aber, das stärkste Argument haben Sie. Wenn der Anspruch auf einen Kita-Platz für alle besteht (und daran kann niemand zweifeln), war es spätestens seit 2013 die Pflicht der Gemeinde dem entsprechenden Bedarf gerecht zu werden. Diese Pflicht hat die Gemeinde vernachlässigt, und zwar auf Ihre Kosten und die der anderen, wartenden Eltern. Und auch die Pflicht, einen Platz nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch zur Verfügung zu stellen – in angemessener Entfernung. Denn ca. 30 Minuten Fahrzeit oder eine realisierbare Halbtagstätigkeit durch die Betreuung in der Kita stellen die gerichtlich gezogenen Grenzen dar. Gerade die zeitliche Entfernung hat für einen halbtags tätigen Elternteil im Tegernseer Tal eine enorme Bedeutung. Was nutzt der Krippen-Platz, wenn eine Anfahrzeit von mehr als 30 Minuten nötig ist und dadurch der Halbtagsjob wieder verhindert wird?

„Der Buchstabe des Gesetzes“ als Argumentationshilfe
Die Landesregierung Bayerns weist auf ihrer offiziellen Homepage darauf hin:
Seit dem 01.08.2013 haben Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr (ab 1. Geburtstag) bis zum Schuleintritt einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Kindertageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Der Anspruch ist auf Vermittlung eines Platzes gerichtet. Jede nach dem BayKiBiG förderfähige Einrichtung bzw. Kindertagespflege erfüllt die qualitativen Ansprüche an die frühkindliche Förderung im Sinne des Rechtsanspruchs.

Es bleibt natürlich allen Eltern selbst überlassen, ob sie dieses verbriefte Recht gegebenenfalls einklagen. Wenn Sie aber mit einer Klage liebäugeln, hier einige Stichpunkte für Sie, die Ihnen helfen können:

Bewohner des Tals müssen vor dem zuständigen Verwaltungsgericht für Oberbayern, nämlich dem Verwaltungsgericht München klagen. Wobei man wegen der zumeist vorliegenden Dringlichkeit wohl ein sog. Eilverfahren (Antrag auf einstweilige Anordnung) führen wird. Außer dem oben erwähnten Verwaltungsgericht Münster, hat auch das Verwaltungsgericht München sich bereits mit der Kita-Problematik im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beschäftigt.

Das Verwaltungsgericht erläuterte den elterlichen Kita-Anspruch u.a. wie folgt:
Dass ein zeitlicher Umfang des Anspruchs von drei bis vier Stunden dem grundlegenden Überlegungen des Bayerischen Landesgesetzgeber zum zeitlichen Umfang entspricht, kann man dem Basiswert aus Art. 21 Abs. 3 S. 1 BayKiBiG entnehmen. Nach der nunmehr überwiegenden Meinung ist jedoch mindestens eine zusammenhängende Stundenanzahl von sechs Zeitstunden abzudecken, um wenigstens eine Halbtagsberufstätigkeit inklusive Fahrtwege zu ermöglichen.“ (Unterstreichung und Fettdruck zur Verdeutlichung von der Redaktion hinuzgefügt).

Das Verwaltungsgericht bringt damit zum Ausdruck, dass eine Halbtagstätigkeit eines Elternteils durch die zeitliche Betreuung des Kindes von mindestens sechs Stunden gewährleistet sein muss. Nicht, weil die Anfahrt und Abfahrt von der Kita zwei Stunden dauern darf, sondern weil der arbeitende Elternteil ja ebenfalls Zeit benötigt, um von der Arbeit zur Kita zu gelangen.

Keine Gerichtskosten

Gut für die Eltern ist, dass das Verfahren kostenfrei ist. Es fallen also keine Gerichtskosten an. Sollten Sie sich allerdings im Verfahren von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt vertreten lassen, müssen Sie diese Kosten zunächst selbst tragen. Diese liegen bei dem Antrag auf eine einstweilige Anordnung in der Regel bei unter 700 Euro. Diese Kosten muss Ihnen der Antragsgegner (also Kita oder Gemeinde in dem Fall) erstatten, wenn Sie das Verfahren gewinnen. Sollte Ihr Einkommen gering sein, können Sie auch über Ihre Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt Prozesskostenhilfe beantragen.

Und das Fazit ist, wenn Sie Ihre verbrieften Rechte wahrnehmen, müssen Sie nicht zwangsläufig aus dem Tal bis nach München pendeln, um Ihrem Kind einen Kita-Platz zu ermöglichen.

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