Experten decken Risiken auf

Bereits im September haben wir darüber berichtet, wie der Masterplan zur neuen Wiesseer Therme in groben Zügen aussieht. Nun sind Details aus der Machbarkeitsstudie der renommierten Wiener Hotelexperten PKF verfügbar.

Bei aller Euphorie der Verantwortlichen decken die Planer dabei auch schonungslos Schwächen Wiessees und des gesamten Tegernseer Tals auf, weisen auf die Hochwassergefahr hin und kritisieren die Verkehrsanbindung vor Ort.

So könnte das Kurareal in Bad Wiessee einmal aussehen / Quelle: Gemeinde Bad Wiessee
So soll nach den Vorstellungen der Architekten das Kurareal einmal aussehen / Quelle: Gemeinde Bad Wiessee

Der Tegernseer Stimme liegt die Machbarkeitsstudie der Wiener PKF Hotelexperts GmbH vor. Die österreichische Firma ist ein international anerkannter Marktführer im Bereich Hotel-Consulting und kümmert sich im Auftrag der Gemeinde Bad Wiessee um die Ausarbeitung der wirtschaftlichen Aspekte des Millionenprojekts. 

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Ausgelöst durch die Bürgerversammlung am 17. Januar 2013, in der das Hotelprojekt der neuen Therme von Architekt Matteo Thun und der Hotelplanungsfirma PKF vorgestellt wurde, sorgte sie unter den Bürgern Bad Wiessees bereits für Kontroversen. Ein genauerer Blick in die Studie der Experten offenbart nun interessante Details.

Schwächen des Standortes

Aufgeführt werden neben den Stärken des Standortes Bad Wiessee mit dem vielfältigen Angebot für Sportinteressierte und Naherholungssuchende auch dessen Schwächen:

Die ausgeprägte Saisonalität der touristischen Nachfrage, überlastete Zufahrtsstraßen zum Tegernsee, mangelnde Schlechtwetteralternativen, rückläufige Aufenthaltsdauer in der Region Tegernsee, rückläufiger Wintertourismus, Bedeutungsverlust im Vergleich zu anderen Sommerdestinationen, natürliche Bedrohung durch Hochwasser.

Zudem bestehe im unmittelbaren Projektumfeld ein Mangel an hochwertigen Gastronomie- und Einkaufsmöglichkeiten und eine zunehmende Konkurrenzsituation zwischen den Destinationen. Für Geschäftsreisende erscheint der Standort darüber hinaus nur bedingt geeignet.

Positiv wird allerdings angemerkt, „dass durch die natürliche Beschaffenheit des Projektgrundstücks sowie der guten Lage direkt am Tegernsee das Projektareal sehr gut für Individual- und gut für qualitätsorientierte Gruppentouristen geeignet ist“.

Alternative Konzepte

PKF schlägt daher Folgendes vor: „Aufgrund der Lage und der Positionierung der anderen Betriebe rund um den Tegernsee würden wir am untersuchten Standort daher die Entwicklung eines Hotels mit 150 Betten der Vier-Sterne- bzw. Vier-Sterne-Superior-Kategorie empfehlen.“

Und läuft es mit dem Hotelbetrieb nicht so gut, hat PKF auch schon andere Konzepte entwickelt, „wie z. B. Time-Sharing (Verkauf von 52 Wochen Ferienwohnrechten), Fractional Ownership (Verkauf von längeren Ferienwohnrechten, in der Regel ein bis drei Monate pro Käufer) und Sale-and-Lease-Back-Konzepte (Verkauf einzelner Einheiten mit beschränkter Eigennutzung – in der Regel zwei bis vier Wochen pro Jahr – mit Rückmietungsverpflichtung an einen Hotelbetreiber während dem Rest des Jahres) stellen attraktive Ansätze dar, um die Rentabilität des Gesamtprojekts zu verbessern“.

Fakten aus der Studie

Die Kosten des Gesamtprojekts für den Hotel- und Eventbereich, der Therme, dem medizinischen Bereich, den 84 Wohnungen in den 17 Residenzen sowie den 350 Tiefgaragen-Stellplätzen werden auf knapp 130 Mio. Euro (129.170.120,85) taxiert. Die Größen der 84 Wohnungen in den 17 Häusern reichen von 50-160 m2. Gesamtpreis der Residenzen: 45.366.250,00 Euro.

Die Therme umfasst: Hauptbecken, Aktivbecken, Whirlpool, Solebecken und ein Erholungsbecken. Die Wasserfläche insgesamt wird mit 1063 m2 angegeben. Geschätzte Kosten der Therme: 37.239.038,00 Euro.

Die Quellen gruppieren sich um das neue Thermenareal.
Die bestehenden Quellen gruppieren sich um das neue Kurareal / Quelle: Gemeinde Bad Wiessee

Der medizinische Bereich wird mit 6.278.615,00 Euro veranschlagt. Vorgesehen sind Fachbereiche unter anderem wie innere Medizin, Kardiologie, Gastroenterologie, Hämatologie, Neurologie, Dermatologie, Gesichtschirurgie, Gynäkologie, Urologie und Orthopädie.

Das Hauptrestaurant des Hotels ist mit 120 Sitzplätzen geplant und sollte über einen direkten Zugang zu einem Wintergarten (ca. 80 Sitzplätze) verfügen und den Gästen einen Ausblick auf den Tegernsee sowie die umliegende Natur bieten. Idealerweise sollte der Wintergarten während der Sommermonate ganz geöffnet werden können.

Eine moderne Strukturierung des Restaurants, mit verschiedenen Front-Cooking- und Buffetstationen, erscheint laut PKF sinnvoll. Neben dem Hauptrestaurant empfehlen die Experten die Integration eines separaten A-la-carte-Restaurants mit rund 35 Sitzplätzen, um eine größere Vielfalt an Speisen anzubieten.

112 Mitarbeiter allein für das Hotel

Auch für die Bewirtung im Thermenbereich ist Großes geplant: „Das Gastronomieangebot der Therme sollte über ein Self-Service-Bistro mit rund 150 Sitzplätzen verfügen. Das Bistro sollte mit einer angeschlossenen Terrasse mit etwa 80 Sitzplätzen ausgestattet sein und vorrangig einfache regionale Küche und kleine Snacks anbieten.“

Zusätzlich empfehlen die Planer die Integration eines kleinen, traditionellen bayerischen Biergartens mit rund 80 Plätzen, der für Hotelgäste, Thermengäste und auch für externe Gäste zugänglich ist und eventuell exklusiv bei Veranstaltungen in der Wandelhalle genutzt werden kann. „Der Biergarten sollte während der Sommermonate geöffnet sein.“

Das Personal: Im Rahmen einer individuellen Stellenkalkulation wurde die Anzahl der Mitarbeiter berechnet. Dabei sind für das angeschlossene Hotel 112 Angestellte eingeplant. Auszubildende und Praktikanten wurden als volle Mitarbeiter gerechnet, Teilzeitkräfte und Aushilfen wurden nur zeitanteilig berücksichtigt. Die Gesamtkosten des Personals berechnen die Hotelexperten mit 3,1 Mio. Euro pro Jahr – nur für das Hotel.

Erbbaurecht sehr kurz

Die Erträge aus Übernachtungen bis 2024 errechnet PKF mit knapp 55 Mio. Euro. Als „bereinigtes Netto-Betriebsergebnis im stabilisierten Jahr“ werden knapp 1,8 Mio. Euro angegeben. In den „Eckpunkten für den Erbbaurechtsvertrag“ über 66 Jahre ist festgehalten, dass „der Investor der JSB (Jod- und Schwefelbad Bad Wiessee) GmbH die bisherigen Planungskosten in Höhe von ca. 200.000 Euro erstattet“.

Gerade die kurze Laufzeit des Erbbaurechts könnte aber ein Hemmschuh für potenzielle Investoren werden. 66 Jahre sind für ein renommiertes Hotel nicht viel. Etliche Jahre davon vergehen alleine, bis es sich einen Namen gemacht hat und auf dem Markt etabliert ist. Wie auch den Rest des Projekts kann man diesen Punkt also durchaus als ambitioniert betrachten.

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