Fahrdienstleiter Schuld an Zugunglück

Eine Woche nach dem verheerenden Zugunglück in Bad Aibling mit elf Toten und 24 Schwerverletzten haben die Ermittler erstmals über ihren Kenntnisstand berichtet. Demnach ist menschliches Versagen die Ursache für den Zusammenstoß von zwei Meridian.

Stellwerk in Holzkirchen: An einem ähnlichen Pult hat der Fahrdienstleiter in Aibling wohl den tödlichen Fehler gemacht.
Stellwerk in Holzkirchen: An einem ähnlichen Pult hat der Fahrdienstleiter in Aibling wohl den tödlichen Fehler gemacht.

Wie vergangenen Dienstag am Tag des Unglücks drängten sich auch heute wieder zahlreiche Journalisten und Kamerateams im Saal des Rathauses in Bad Aibling. Während vor einer Woche die Politiker das Wort hatten, waren es heute die Ermittler, die Rede und Antwort standen, soweit es ihre Erkenntnisse zulassen.

Seit einer Woche setze man ein umfassendes Puzzle zusammen, um der Frage nachzugehen, ob ein schuldhaftes Verhalten vorliege, erklärte Wolfgang Giese von der federführenden Staatsanwaltschaft Traunstein. „Kurz nach dem Unglück ist bereits gegen den zuständigen Fahrdienstleiter ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung, Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr eingeleitet worden“.

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Nachdem sich der 39-Jährige zunächst auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen habe, „hat er sich dann gestern Nachmittag mit seinen Verteidigern einer mehrstündigen Vernehmung gestellt“. Der Fahrdienstleiter, der seine Ausbildung dazu bereits 1997 abgeschlossen habe, hätte sich in allen Einzelheiten zu seinem Verhalten im Zusammenhang mit der Zugabwicklung vor dem Unfallgeschehen geäußert. Dennoch, so Giese: „Sein Verhalten ist nicht mit dem ihm geltenden Regelwerk eines Fahrdienstleiters in Einklang zu bringen. Hätte er sich pflichtgemäß Verhalten, wäre es nicht zum Zusammenstoß der Züge gekommen“.

Fahrdienstleiter drohen 5 Jahre Haft

Die Handlungen des Beschuldigten, von der Freigabe des Zugverkehrs bis zu den zwei Notrufen, die sich bereits anbahnende Katastrophe zu verhindern, müsse nun anhand der umfassenden Daten überprüft werden.

„Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen gibt es kein technisches Versagen der Züge, oder der Signal- und Bremsanlagen. Es geht in unserem Ermittlungsverfahren um menschliches Versagen mit katastrophalen Folgen“, erläutert Giese den Stand seiner Ermittlungen.

„Es geht aber nicht um vorsätzliche Herbeiführung des Unglücks. Die Haftfrage stellt sich für uns nicht, da es um fahrlässiges und pflichtwidriges Handeln geht. Außerdem haben wir es hier mit allen Varianten der fahrlässigen Körperverletzung und des Eingriffs in den Bahnverkehr zu tun. Da ergeben sich Strafrahmen bis zu fünf Jahren“.

Staatsanwalt Wolfgang Giese, Rainer Kopp, Polizeipräsident von Oberbayern und Bernd Hackl von der Kriminalpolizei stellten heute in Bad Aibling ihre Ermittlungsergebnisse vor.
Staatsanwalt Wolfgang Giese, Rainer Kopp, Polizeipräsident von Oberbayern und Bernd Hackl von der Kriminalpolizei stellten heute in Bad Aibling ihre Ermittlungsergebnisse vor.

Schwierig sei für die Ermittler die Feststellung der genauen Zeit, denn die Zeiten der beiden Züge würden voneinander abweichen. Selbst der Funkverkehr habe eine eigene Zeit. Daher sei es eine knifflige Aufgabe, „das Ganze auf einen Zeitstrahl zu bringen“, so Jürgen Branz von der Staatsanwaltschaft in Rosenheim. „Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen wurde ein Sondersignal gegeben, das er nicht hätte geben dürfen. Wir mussten die Vernehmung abbrechen, nachdem ich ihn fragte, ob er pflichtgemäß gehandelt habe“.

„Dienst am Limit“

Die polizeiliche Aufklärungsarbeit schilderte Rainer Kopp, Polizeipräsident von Oberbayern. Die Identifizierung der 11 Toten sei „erfreulicherweise schnell gelungen“. 24 Personen seien schwerverletzt, 61 leichtverletzt. „Nicht feststeht, wie viele Personen sich im Zug tatsächlich befunden haben. Es wird von 150 Reisenden ausgegangen“, so Kopp. 62 Zuginsassen seien bisher vernommen worden. Auch von den Schwerverletzten wurden bereits 19 gehört. Doch selbst langjährige Polizeibeamte seien von den schockierenden Bildern tief bewegt worden. „Das war Dienst am Limit.“

Ausgewertet wurden bisher neben den drei Fahrtenschreibern, den Black-Boxen, die Videoüberwachungen im Innenraum der Züge, die Datenspeicher von GPS, der die Geschwindigkeit der Züge aufzeichnet und der Funkverkehr zwischen den Zügen und dem Fahrdienstleiter.

Der beschuldigte Fahrdienstleiter sei verheiratet und von seinen Verteidigern zu seinem Schutz an einen sicheren Ort gebracht worden. „Es geht ihm nicht gut“, so ein Ermittler.

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