Heute wird das Landgericht München I entscheiden, ob Manfred Genditzki 13 Jahre unschuldig im Gefängnis saß. Der Versuch einer Zusammenfassung.
Manfred Genditzki, Familienvater aus Rottach-Egern, war der Hausmeister von Liselotte Kortüm. 2008 wurde er beschuldigt, die 87-Jährige in ihrer Wohnung ermordet zu haben. Die damalige Motiv-These der Staatsanwaltschaft: Habgier. Denn: Zwei Polizisten stellen bei der Haushaltsauflösung fest, dass eine größere Summe Geld fehlt. Dieser Vorwurf konnte bereits bei der ersten Verhandlung 2009 entkräftet werden. Daraufhin wechselt die Staatsanwaltschaft die Strategie: Der Angeklagte soll die Rentnerin während eines Streits niedergeschlagen und anschließend ertränkt haben. Sein Motiv? Verdeckungsabsicht.
Am 12. Mai 2010 fällt das Gericht schließlich sein Urteil. Genditzki wird zu lebenslanger Haft in der Justizvollzugsanstalt Landsberg verurteilt. Aber hat es sich tatsächlich um einen Mord gehandelt, oder war es ein tragischer Unfall? Für Prozessbeobachter blieben erhebliche Zweifel am Schuldspruch. Eine erste Revision scheitert 2012 am Bundesgerichtshof. Doch Regina Rick, Genditzkis Verteidigerin, bleibt hartnäckig. Vier Jahre später startet sie mit der Rechtsanwältin, Dagmar Schön, einen Spendenaufruf. Ihr Ziel: Computer-Simulationen finanzieren, die beweisen sollen, dass Frau K. gestürzt ist.
Juni 2019 wird es erneut spannend. Rick reicht einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ein. Doch das Landgericht München I lehnt ab – ohne den Sachverständigen anzuhören. Rick geht in die nächste Instanz und legt beim Oberlandesgericht München Beschwerde ein. Dieses hebt den Beschluss auf und weist das Landgericht dazu an, zumindest den Sachverständigen anzuhören. Am 12. August 2022 gibt es gute Nachrichten für Genditzki: Das Landgericht München I ordnet die Wiederaufnahme des Verfahrens an. Nach 13 Jahren, 23 Wochen und sechs Tagen kommt Genditzki wieder frei.
Einen Teil der Kosten für das Beschwerdeverfahren muss der Verurteilte jedoch selbst tragen. Zwei Drittel übernimmt der Staat. Seit dem 26. April läuft das neu-aufgerollte Verfahren. Insgesamt wurden 20 Prozesstage angeordnet. Das abschließende Urteil wird heute Vormittag erwartet.
Technischer Fortschritt hebt Justiz auf neues Level
Seit Genditzkis ursprünglicher Verurteilung hat sich einiges getan. Ein Grund für die Entscheidung des Landgerichts, das Verfahren neu-aufzurollen, war der technologische Fortschritt in den vergangenen Jahren. Eine Computersimulation der Universität Stuttgart könne etwa beweisen, dass die Auffindeposition sowie die festgestellten Kopfverletzungen an Liselotte K. auch durch einen Sturz zu erklären seien. Zudem gibt es mittlerweile auch ein Wärmegutachten. Hier geht es um die Wassertemperatur in der Badewanne, als die Tote vom Pflegedienst gefunden wurde. Die passt nicht mit dem Zeitpunkt zusammen, an der Genditzki in der Wohnung gewesen sein soll.
Job und Familie: Genditzki zurück im normalen Leben?
Einem Interview vom 18. November 2022 zufolge geht es Genditzki seit seiner Entlassung den Umständen entsprechend gut. “Es geht mir heute auf alle Fälle besser. Ich würde nicht sagen, es geht mir super, aber es geht mir besser. Ich bin auf einem guten Weg. Aber es braucht noch Zeit. Viel Zeit. Alles zu realisieren, mit allem klarzukommen. Es gibt Tage, da läuft mir locker alles von der Hand und es gibt Tage, da fällt alles zusammen. Es wird mir alles zu viel”, sagt er.
Die vergangenen 14 Jahre sind nicht spurlos an ihm vorbeigegangen: “Ich hätte gerne die Jahre gehabt, wo meine Tochter noch ein Baby war. Ich sehe jetzt nur die Fotos. Keine Flasche geben, keine Windeln wechseln. Heute steht sie als Erwachsene vor mir. Die Zeit kommt nicht wieder und die Gedanken, aus meinem Kopf zu kriegen, ist das Schlimmste”. Für die Zukunft wünsche er sich nur: “Normalität, einfach Normalität. Ich verlange nicht viel vom Leben, ich will einfach nur mein normales Leben zurück. Ich möchte meiner Arbeit nachgehen, das Wochenende mit meiner Frau, meinen Kindern und mit meinem Enkel verbringen. Mehr brauche ich nicht.”
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