Frischzellenkur – Skandal oder hilfreiche Therapie?

Das Deutsche Zentrum für Frischzellentherapie will eine Klinik in Tegernsee bauen. Das Therapieverfahren verspricht Heilung, Revitalisierung und Verjüngung, ist aber aufgrund seines Gesundheitsrisikos umstritten. Ein rheinland-pfälzischer Arzt behauptet nun, der einzige zu sein, der eine „Frischzellen“-Therapie in Deutschland überhaupt anwenden darf.

Dr. Burkhard Aschhoff im Gespräch mit der Tegernseer Stimme.
Dr. Burkhard Aschhoff im Gespräch mit der Tegernseer Stimme.

Der 16. Februar 2000 ist nach Aussage von Dr. Burkhard Aschhoff ein Glückstag. An diesem Tag hebt das Bundesverfassungsgericht das Frischzellen-Verbot von 1997 auf. In der Urteilsbegründung heißt es:

Der Staat hat nicht das Recht, die Herstellung solcher Arzneimittel zu regeln, die der Arzt am eigenen Patienten anwendet. Er darf nur den „Verkehr“ mit Arzneimitteln regeln.

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Dieser Urteilsspruch gewährleistet die Therapiefreiheit der Ärzte. Ein Sieg für Dr. Burkhard Aschhoff, Leiter der Frischzellen-Klinik Villa Medica im rheinland-pfälzischen Edenkoben. Er gehört zu den Ärzten, die damals gegen das Verbot klagten. Somit war es fortan Ländersache, wie mit der umstrittenen Therapie umgegangen werden sollte. Doch die Bundesministerium für Gesundheit, die Bundesärztekammer sowie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) äußerten sich weiter kritisch zu der Heilmethode und stuften die Frischzellen – nach §5 des Arzneimittelgesetzes – als gesundheitlich bedenklich ein.

Das Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, veröffentlicht viel später, im Jahr 2014, einen kritischen Beitrag zu der Therapieform. Inzwischen konnten Q-Fieber, Rheuma, Infektionen und Schockzustände als Reaktionen nach Behandlungen mit Frischzellen nachgewiesen werden. Der Nutzen? Ihrer Meinung nach nicht erkennbar.

Bund holt sich Kompetenz zurück

Durch die Föderalismusreform bekam der Bund am 28. August 2006 die Gesetzgebungskompetenz für das „Recht der Arzneien“ zugewiesen (Art. 74 Abs.1 Nr. 19 GG). Damit war es ihm nun auch möglich, die „Herstellung“ von Arzneimitteln zu regeln. Von diesem Recht macht der Bund Gebrauch und ändert sein Arzneimittelgesetz zum 23. Juli 2009. Obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits an einem Bayerischen Arzneimittelgesetz (AMG) gearbeitet wird, ist die landesrechtliche Regelung mit einem Mal hinfällig. Frischzellen-Hersteller müssen ihre Patente jetzt wieder beim Bund anmelden und brauchen eine Erlaubnis (§13 Abs.1 AMG).

Das bestätigt auch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege. Wie die Presseabteilung auf Anfrage mitteilt, ist eine Herstellungserlaubnis nach §13 AMG für die „klassische Frischzellentherapie“ nötig, bei der Organ- und Gewebeteile von Feten oder jungen Kälber oder Lämmern unmittelbar nach der Schlachtung dem menschlichen Körper als Zellsuspension injiziert werden. In Bayern erteile die Regierung von Oberbayern oder die Regierung von Oberfranken eine solche Erlaubnis. Weiter heißt es:

In Bayern sind derzeit kein Arzt und keine Einrichtung bekannt, die klassische Frischzellensuspensionen herstellen.

Wird also im Oberland mit Frischzellen geworben, die gar keine sind? Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen bleibt den Frischzellen-Anbietern als Alternative zur Frischzellentherapie nur die Extrakt-Therapie – eine Behandlung mit „Präparaten“ aus tierischen Zellen, erklärt der 69-jährige Dr. Aschhoff. Und eine solche Therapie wende auch das Deutsche Zentrum für Frischzellentherapie an, sagt er.

Dies sei aber nur eine oberflächliche, hormonelle Wirkung, bei der nur die flüssigen Inhaltsstoffe der Zelle verwendet werden, so der Mediziner. Die wichtigen, für die Zelltherapie wirkungsvollen Bestandteile wie Zellwand, Zellkern und Endoplasmatisches Reticulum würden dabei herausgefiltert werden.

Diese Therapie hat dadurch den Effekt einer Antibaby-Pille. Heute genommen, wirkt sie zwar, vergessen Sie sie das nächste Mal aber, wirkt sie schon nicht mehr.

Auf telefonische Nachfrage bei Dr. Klaus Dieter Burkhart, Chef des Deutschen Zentrums für Frischzellentherapie mit Sitz in Bad Tölz, erklärt dieser:

Bei der „klassischen“ Frischzellentherapie wurden früher – im einstigen Zentrum für Frischzellentherapie Dr. Siegfried Block in Lenggries – ganze tierische Zellen verwendet, die bereits zwei bis drei Stunden später injiziert wurden. Heute dauert der Prozess wesentlich länger. Die Zelle wird aufgebrochen, die Zellwand entfernt und der Zellkern per Sterilfiltration zu einem Präparat verarbeitet.

Also keine „klassische“ Frischzellentherapie mehr?! Warum wird dann aber beim Deutschen Zentrum mit der Frischzellentherapie geworben? „Auf unserer Webseite weisen wir darauf hin, dass wir keine klassische Frischzellentherapie mehr durchführen“, sagt Dr. Burkhart, fügt aber hinzu: „Wir nutzen ganz einfach den Namen aus. Im Ausland haben wir mit dem Begriff keinen Nachteil.“

Herstellung von Frischzellen in Bayern eigentlich verboten

Als im Sommer 2014 in der Schafherde des rheinland-pfälzischen Frischzellenzentrums das Q-Fieber auftritt – eine Schafkrankheit, die für den Menschen gefährlich ist – löst das bei den Behörden eine Lawine aus. „Sämtliche Frischzellen-Anbieter, auch die bayerischen Kollegen, mussten damals eine Erklärung unterschreiben, aus der hervorging, keine lebenden Zellen mehr herzustellen“, erklärt Dr. Aschhoff.

Er selbst habe eine solche Erklärung nicht unterschrieben, so Aschhoff, da er bereits 2011 in Rente ging und erst im Jahr 2015 aus seinem Ruhestand zurückkam, um die Klinikleitung noch einmal zu übernehmen. Deshalb sei er der einzige, der die klassische Frischzellen-Therapie noch durchführen dürfe.

Solange die Hygienvorschriften eingehalten werden, sind die Risiken wie Virusübertragung oder Überempfindlichkeit gegen artfremde Zellen gleich Null.

Dass eine solche Erklärung existiert, bestätigt auch Dr. Claus Dieter Burkhart vom Deutschen Zentrum für Frischzellentherapie. Er sagt: „Wir haben unser Herstellungsverfahren beim Bund angemeldet, unterliegen strengen Vorschriften und arbeiten in Eigenverantwortung.” Bisher, so Burkhart, habe es keinen nachweisbaren Fall gegeben, dass etwas passiert sei.

Des einen Freud`, des anderen Risiko

Trotz aller Zelldiskussionen ist unter anderem Bürgermeister Johannes Hagn (CSU) für den vom Deutschen Zentrum für Frischzellentherapie geplanten Bau eines Sanatoriums. „Das Verfahren hat eine Bundeszulassung“, so Hagn Anfang August in einer Stadtratssitzung. Welche Risiken aber der Einsatz tierischer Zellen birgt, oder ob die Methode ein reiner Placebo-Effekt ist, das obliege weiteren Gutachten beziehungsweise der Schilderungen von Patienten.

Zumindest wäre eine ortsansässige Frischzellenklinik ein werbewirksames Unternehmen für die Stadt und würde sowohl gute Steuereinnahmen als auch ein zahlungskräftiges Gästeklientel aus dem In- und Ausland garantieren.

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