Für “Pisser” und “Praktikanten” gibt’s kein Pardon

Wegen Beamtenbeleidigung stand ein 23-jähriger Tegernseer am Donnerstag vor Gericht. Was er gesagt haben soll, daran erinnerte er sich nicht mehr so genau. Dafür war das Erinnerungsvermögen der Polizisten umso besser.

Wegen Beamtenbeleidigung und des Verdachts des Diebstahls stand gestern ein Tegernseer vor dem Miesbacher Amtsgericht. /Archivbild

Kurz nach zwei Uhr im Miesbacher Amtsgericht. Die Tür zum Sitzungssaal ist noch geschlossen. Davor wartet ein junger Mann, dessen Haarscheitel dank Gel gekonnt nach links fällt. Ein anderer Mann – untersetzt, mit schwarzem Käppi, Typ Bud Spencer – bewegt sich schnellen Schrittes auf den jungen Mann zu, nimmt sein Käppi ab und sagt:

Ich wollte mich entschuldigen. Ich bin eigentlich ein ganz Netter. War nur betrunken. Sonst bin ich nicht so.

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Der Haarscheitel nimmt die Entschuldigung an. Nicht so der Kollege, der gerade seinen Kopf aus einer Tür steckt: „Tut mir leid, des is‘ a bissl spät.“ Noch etwas später müssen die beiden Polizisten nur bestätigen, dass sich der junge Mann mit dem Käppi bei ihnen entschuldigt hat. Auf ihre Zeugenaussage wird verzichtet.

Szenenwechsel.

14:30 Uhr direkt im Gerichtssaal. „Buddy“, der Angeklagte sitzt neben seinem Tegernseer Verteidiger Frank Zahnert. Das Käppi hat er beiseite gelegt. Die Staatsanwältin legt ihm folgenden Sachverhalt zur Last: Am 21. Oktober vergangenen Jahres soll er zwei Polizeibeamte vor der Rottacher Diskothek Riva mit den Worten „Pisser, Schwanzlutscher, Praktikanten“ und „Ich fick‘ Euch“ beschimpft haben. Damals hatte sich der 23-Jährige in eine Schlägerei eingemischt, woraufhin die Polizisten seine Arme hinter seinem Rücken fixiert hatten.

Dem vorausgegangen war eine körperliche Auseinandersetzung in der Diskothek, an der der Angeklagte zwar nicht beteiligt gewesen war, bei der er den Beamten aber schon vorab zu verstehen gegeben hatte, was für „Grünschnäbel“ sie seien. Verteidiger Frank Zahnert kann dem vor Gericht nicht viel entgegensetzen: „Dieser Tatbestand ist leider zutreffend.“

Wer war der Dieb?

Sein Mandant könne sich nur nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern, weil er alkoholisiert gewesen sei. Das Erinnerungsvermögen kommt bei ihm zurück, als sich Richter Walter Leitner nach der Alkoholmenge erkundigt. Eine Flasche Wodka und vier halbe Bier dürften es bei seinem „Mischkonsum“ schon gewesen sein, beantwortet der Tegernseer die Frage so ehrlich wie möglich.

Die Staatsanwältin wirft dem jungen Mann aber nicht nur den Strafbestand der Beleidigung vor. Angeblich, so erklärt sie, soll er einer befreundeten Familie – ebenfalls im Oktober – mindestens zweimal Geld aus der Tasche geklaut haben. Bei dem ersten Diebstahl soll es sich einmal um 130 Euro gehandelt haben, die er aus der Tasche der Mutter seines Freundes entwendete, das andere Mal waren es 90 Euro, die er aus der Jackentasche der Tochter gestohlen haben soll.

Unklare Zeugenaussagen

Diese Taten bestreitet der Tegernseer allerdings. Zwar sei er in der Wohnung gewesen, gesteht er, habe aber keinesfalls Geld entwendet. Auch die Zeugenaussagen sowohl von seinem Freund als auch von dessen Mutter und Schwester klären den Sachverhalt nicht auf. Der Freund gibt alerdings noch an, er habe dem Angeklagten eine „Falle“ gestellt, indem er bei dessen letztem Besuch 20 Euro auf seinem Schreibtisch drapierte. Auch dieses Geld sei “auf unerklärliche Weise” verschwunden.

Nachweisen können habe man dem Angeklagten dies allerdings nicht. Keiner der Zeugen hatte die Tat beobachtet. Und auch die Mutter verstrickt sich bei ihrer Aussage in Ungereimtheiten. Weder konnte sie den genauen Tag der Tat angeben noch wie das Geld in ihrem Geldbeutel „gestückelt“ war. Da zur Tatzeit zudem eine weitere Person anwesend war, hätte auch diese in Frage kommen können.

Langes Vorstrafenregister

So war das Gericht nicht davon überzeugt, dass diese Beweise ausreichen, um den 23-Jährigen des Diebstahls zu bezichtigen. In diesem Fall wurde er freigesprochen. Der Strafbestand der Beleidigung hingegen habe sich nach Ansicht von Richter Leitner bestätigt. Hier habe sich der Angeklagte schuldig gemacht. Leitner verurteilt ihn daher zu einer Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen zu je 15 Euro.

Was im Nachhinein nicht für den Tegernseer spricht und beim Strafmaß eine Rolle spielt, sind dessen sechs Einträge im Bundeszentralregister. Diese reichen von Hausfriedensbruch, Diebstahl, Beleidigung, räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung bis hin zu sexuellem Missbrauch von Kindern. Ausschlaggebend beim Strafmaß ist, dass der Angeklagte bereits wegen mehrfacher Beleidigung vor Gericht stand, und die Beamten während seiner „offenen Bewährungsstrafe“ beschimpfte. Zu Gute kam ihm sein Geständnis.

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