Der Europäische Gerichtshof hat diese Praxis nun für rechtswidrig erklärt. Auch Kunden im Tegernseer Tal können ihr Geld zurückfordern.
Lange Jahre gab es beim Gas keinen Wettbewerb. Wer Gas wollte, bekam es vom örtlich zuständigen Versorger. Grundversorger ist immer der Anbieter, der in einer festgelegten Region die meisten Kunden aufweist. Für vier der fünf Gemeinden im Tegernseer Tal ist das derzeit die Tegernseer Erdgasversorgungsgesellschaft (TEG) mit Sitz in Tegernsee. Nur für Gmund hat die Energie Südbayern GmbH mit Sitz in München noch die Oberhand. Auch dieses Unternehmen bietet verschiedene Gastarife an.
Der allgemein teuerste ist der Grundversorgungstarif. Im Normalfall bleibt ein Kunde aber nur für kurze Zeit in dieser Preiskategorie und bekommt vom Versorger einen günstigeren Sondervertrag angeboten. Laut der Bundesnetzagentur haben etwas über 60 Prozent der Kunden von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht und sind so zum sogenannten Sonderkunden avanciert. Kein Wunder: Mit den sogenannten Sondertarifen lassen sich gegenüber der Grundversorgung je nach Verbrauch und Region oft viele Hundert Euro sparen.
Preiserhöhung nur mit eindeutiger Begründung
Auch bei Sondertarifen behalten sich viele Anbieter jedoch vor, die Preise trotz des laufenden Vertrages eigenständig zu erhöhen. Doch damit soll nun Schluss sein. Vor einigen Monaten erklärte der Europäische Gerichtshof diese Praxis für rechtswidrig. Die Unternehmen müssen Verbraucher vor Vertragsabschluss klar und verständlich über die grundlegenden Voraussetzungen für Preiserhöhungen informieren.
Viele Versorger haben sich bei der Preiserhöhung auf § 5 GVV berufen – das reicht aber nicht aus, da hier nichts über den Grund der Preiserhöhung ausgesagt wird
, erklärt Claudia Czekalla von der Bayerischen Verbraucherzentrale. Zudem bezieht sich dieser Paragraf streng genommen nur auf die Bedingungen im Grundversorgungstarif. Auch laut Meinung der Richter des Europäische Gerichtshofes (EuGH) reicht dieser Hinweis zukünftig nicht mehr aus.
Anpassungen müssen so transparent dargestellt werden, dass der Verbraucher die etwaigen Änderungen dieser Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien vorhersehen kann, heißt es in dem Urteil. Und dazu gehört auch die Nennung von Gründen, weshalb der Preis steigt. Dies sei eine eindeutige Voraussetzung für eine wirksame Preiserhöhungsklausel, so Czekalla weiter.
Noch weigern sich viele Anbieter
Trotz des Richterspruchs im März 2013 hat sich aber offenbar noch nicht viel geändert. Das hat die Stiftung Warentest bei einer Untersuchung herausgefunden. „Die Mehrheit der getesteten Gasversorger hat immer noch vor, die Preise ohne Angabe von Gründen zu ändern“, heißt es in dem Testbericht. So hält sich auch die Energie Südbayern GmbH als Gmunder Grundversorger derzeit noch bedeckt.
„Im Moment gibt das Urteil noch keinen genauen Aufschluss darüber, wie sich das auf bestehende Verträge auswirkt.“ Daher warte man derzeit noch ab, so Bettina Gaebel, Pressesprecherin des Unternehmens. Das bedeutet: Trotz geltender Rechtsprechung erhalten einige Kunden immer noch keine klare Begründung dafür, weshalb man ihren Tarif erhöht.
Norbert Kruschwitz, Geschäftsführer der TEG, erklärt, dass das Urteil zumindest für einen Großteil ihrer Verträge keine Relevanz hat: “Unsere Kunden im Tegernseer Tal sind von solchen einseitigen Preiserhöhungen nicht betroffen, da in unseren aktuellen Verträgen keine sogenannten Preisgleitklauseln enthalten sind.” Gerade diese hatte der Europäische Gerichtshof im März für unwirksam erklärt. Man werde in den nächsten Tagen zur Sicherheit aber prüfen, ob nicht noch einige wenige Altverträge mit solchen Klauseln bei der TEG existierten, so Kruschwitz weiter.
Tarife über Testportale vergleichen
Doch wie findet man eigentlich den für sich günstigsten Tarif? „Grundsätzlich sind Preisrechner im Internet die einfachste Möglichkeit, die Preise verschiedener Anbieter zu vergleichen“, erklärt Czekalla. Auf Portalen wie Verivox.de oder Check24.de lässt sich so eine Übersicht über die verschiedenen Angebote erstellen.
Doch hier gibt es ebenfalls einen Haken. „Auch diese Portale arbeiten auf Provisionsbasis“, so Czekalla. Entscheidet sich ein Kunde nach der Recherche auf einem der Portale also für einen Gasanbieter, zahlt dieser den Betreibern der Internetplattform eine Provision.
Das sei grundsätzlich akzeptabel, da auch diese Portale Geld verdienen müssten. Man würde sich hier aber mehr Transparenz wünschen, betont Czekalla. Negative Auswirkung dieser Praxis: Die Tarife einzelner Anbieter werden auf dem Internetportal prominenter beworben als andere – ein hundertprozentiger Vergleich ist also auch auf diesem Wege nicht möglich.
Kosten zurückfordern
Durch das Urteil des EuGH haben die Kunden nun immerhin die Möglichkeit, die Kosten der Preiserhöhung zurückzufordern, wenn diese aufgrund unwirksamer Preiserhöhungsklauseln zustande gekommen sind. Werden beispielsweise keine eindeutigen Gründe für die Erhöhung genannt, hat der Kunde Anspruch auf Entschädigung. Das gilt für Preiserhöhungen innerhalb der letzten drei Jahre. Zudem kann man einer Preissteigerung auch unmittelbar nach Bekanntwerden widersprechen und stattdessen weiterhin den bislang geltenden Tarif bezahlen.
Will man den Vertrag kündigen, obwohl man noch keinen neuen Anbieter gefunden hat, wird nicht von heute auf Morgen die Heizung abgestellt. Man fällt dann zunächst in den Grundversorgungstarif des bisherigen Anbieters und kann sich in der Zwischenzeit einen neuen Versorger suchen. Ganz optimal ist das aber nicht, da die Grundversorgung immer die teuerste aller Möglichkeiten ist. Daher ist es sinnvoll, schon einen neuen Anbieter im Auge zu haben, bevor man den Vertrag mit dem alten kündigt.
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