“Gebt uns eine Chance”

Die Organisation zur Aufnahme der Flüchtlinge für Rottach-Egern steht. Gestern Abend wurde das Konzept den 350 Besuchern im Seeforum präsentiert. Allein bei der Anzahl der Helfer mangelt es noch an Zuspruch. Bislang sind es 20, gebraucht werden aber mindestens 50 Ehrenamtliche, wenn im Februar die Traglufthalle im Birkenmoos steht und 120 Flüchtlinge kommen.

Vor Bürgermeister Christian Köck: Wolfgang Rzehak(Landrat), Johannes Hagn (Bürgermeister Tegernsee), Max Niedermeier (Integrationsbeauftragter), Gabriele Schultes-Jaskolla (3. Bürgermeisterin)
Vor Bürgermeister Christian Köck: Wolfgang Rzehak(Landrat), Johannes Hagn (Bürgermeister Tegernsee), Max Niedermeier (Integrationsbeauftragter), Gabriele Schultes-Jaskolla (3. Bürgermeisterin)

Zu Beginn der über dreistündigen Versammlung appellierte Bürgermeister Christian Köck (CSU) an die Besucher, „keine parteipolitischen Grabenkämpfe“ auszutragen und Diskussionen anzustrengen, „die wir nicht ändern können“. Als Kommune müsse man mit der auferlegten Aufgabe zurechtkommen. „Dies können wir nur gemeinsam lösen. Deshalb starten wir den Aufruf, uns zu unterstützen“, so Köck.

Er verwies auf die Probleme, die die Errichtung einer solchen Notunterkunft mit sich bringt. Allein schon die Erschließung der Traglufthalle auf dem ehemaligen Park- und Schneeräumplatz mit Strom und Wasser sei schon eine Herausforderung. Selbst von der Tegernseer Hauptleitung müsse Wasser abgezapft werden.

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Kurzlebige Prognosen bei Flüchtlingszahlen

Eine völlig neue Situation habe sich bei der Verpflegung der Flüchtlinge ergeben. „Da die Regierung von Oberbayern die Catering-Kosten von 600.000 Euro überraschend gestrichen hat“, erklärte Köck, „müssen nun auch Kochgelegenheiten in Containern neben der Traglufthalle geschaffen werden, die wir frühestens erst im Februar bekommen“. Die Bewohner müssten nun selbst für ihr Essen sorgen und würden dafür im Monat ein Verpflegungsgeld von 142 Euro pro Person bekommen.

Der Vorteil, den Köck sieht, sie müssten selbst einkaufen und kochen. Diese Beschäftigung lindere etwas ihr tristes Dasein in der 36 auf 36 Meter großen Traglufthalle. In ihr werden auch Büros für den Sicherheitsdienst, die Sozialberatung und für die Helfer eingerichtet.

Auch Landrat Wolfgang Rzehak (Die Grünen) war zur Diskussion geladen. Er verkündete die neueste Prognose, die nahezu im wöchentlichen Rhythmus nach oben korrigiert wird.

Bis zum Jahresende müssen wir im Landkreis 1.561 Personen unterbringen, derzeit sind bei uns 1.200 Flüchtlinge.

Fast nur noch auf den letzten Drücker gelänge es, so Rzehak weiter, Unterkünfte zu finden. Die wöchentliche Zuweisung der Regierung von Oberbayern sei nun von 29 auf 33 Menschen erhöht worden. “Dies alles schaffen wir nur, weil wir im Landkreis so gute Helfer haben“, erklärte der Landrat. Derzeit seien es 400 Ehrenamtliche.

Traglufthallen als Lösung

Stefan Köck, zuständig im Landratsamt für die Unterbringung der Asylbewerber, veranschaulichte das Problem Asyl mit perfekt aufbereitetem Zahlenmaterial. Dabei brach er das Thema von der Unterbringung in München bis in jede Gemeinde im Landkreis runter.

Es zeigt sich, dass so manche Kommune wie Tegernsee mit 192 Flüchtlingen sein Soll übererfüllt hat, während andere im Tal noch weit unter ihrer Quote liegen. In Kreuth seien es aktuell 27 Asylbewerber, in Gmund 33, in Bad Wiessee 47 und in Rottach, bis zur Errichtung der Traglufthalle, derzeit nur 3.

Dies wird sich ändern, meinte Köck vom Landratsamt, denn er rechnet zu Beginn des Jahres mit höheren Zuweisungen durch die Regierung von Oberbayern. „Da privater Wohnraum nicht mehr zur Verfügung steht“, so Köck, „schaffen wir dies nur mit einem gewissen Befreiungsschlag: durch Traglufthallen und andere Großobjekte. Dies gibt uns vielleicht eine Verschnaufpause von ein bis zwei Wochen, um wieder mittelfristig planen zu können“.

„Sorgen und Ängste nehmen wir ernst“

Rottachs Dritte Bürgermeisterin, Gabriele Schultes-Jaskolla (FWG), stellte ihr ausgefeiltes Organigramm zur Bewältigung der völlig neuen Aufgabe vor und erklärte: „Dafür bedarf es einer eigenen Organisation, da sie sich nicht mehr in den Alltag einer Verwaltung einspeisen lässt.” Diese Aufgabe werde nicht leicht sein.

Wir wissen auch um die Ängste und Sorgen der Bürger und nehmen dies auch sehr ernst. Deswegen wollen wir möglichst gut vorbereitet sein, um die Herausforderung effizient zu bewältigen.

Das ehrenamtliche Team sei gut aufgestellt, da man das Heft des Handelns nicht aus der Hand geben wolle. Mit von der Partie sind unter anderem namhafte Rottacher wie Dr. Klaus Fresenius, Dr. Hubert Hörterer, Ex-Bürgermeister Franz Hafner und der Zweite Bürgermeister, Josef Lang.

So soll die Traglufthalle in Rottach künftig aussehen - Fotomontage / Quelle: "Rottach-Egern hilft"
So soll die Traglufthalle in Rottach künftig aussehen – Fotomontage / Quelle: “Rottach-Egern hilft”

Schultes-Jaskolla verband den gestrigen Abend mit der Hoffnung einen funktionierenden und großen Helferkreis ins Leben rufen zu können. Bislang hält sich der Zuspruch jedoch in Grenzen. Erst zwanzig Helfer hätten fest zugesagt, 50 aber bräuchte man mindestens für 120 Asylbewerber.

Ihre Aufgabe wird sein, bei Behördengängen zu helfen, medizinische Leistungen zu organisieren, aber sich auch um die Freizeitbeschäftigung der Flüchtlinge zu kümmern, die Monate wenn nicht Jahre in der Traglufthalle leben werden. „Dringende Hilfe aus unserer Bürgerschaft bräuchten wir bei der Weiterbildung und den Deutschkursen, da haben wir noch niemand“, mahnte Schultes-Jaskolla die Versammelten im Saal an.

„Gebt uns eine Chance“

Selbst an die Öffentlichkeitsarbeit ist gedacht worden. Sie soll von Marja Schwartz, zuständig für die Pressearbeit, und dem Gemeinderat Thomas Tomaschek (Die Grünen) mit einer eigenen Homepage „Rottach-Egern-hilft“ gepflegt werden. Über den Internet-Auftritt sollen möglichst viele Kontakte zustande kommen, Hilfen angeboten werden. „Wir hoffen auf sehr viele Klicks, damit die Leute sehen, dass in Rottach etwas vorangeht“.

Eindringlich appellierte Schulte-Jaskolla „Auch die, die skeptisch und sorgenvoll sind, können uns dadurch unterstützen, dass sie uns eine Chance geben, zu beweisen, dass wir diese Herausforderung hinbekommen“.

Die anschließende Diskussion mit den Bürgern, folgt in einem zweiten Artikel auf der Tegernseer Stimme im Laufe des heutigen Tages.

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