Der Weg zum Rottacher Tierheim führt durch die Weissachauen. Rechts und links heulen Motorsägen auf. Statt des Herbstlaubes fallen Bäume und durchbrechen das leise Rauschen der nahen Weissach. Nach 400 Metern Forstweg findet man das Tierheim – das einzige im Landkreis – auf einer kleinen Anhöhe. Es wirkt einsam und verlassen, fast so als hätte die herbstliche Jahreszeit ihre Stimmung auf diesen Ort übertragen.
Hinter einem Gitterzaun bellt ein Jack Russell Terrier. Im Eingangsbereich diskutiert gerade ein älteres Ehepaar mit der Vorsitzenden des Tierschutzvereins, Johanna Ecker-Schotte. Die Beiden wollen eine Katze wieder zurückgeben, der sie eigentlich ein neues Zuhause versprochen hatten. „Die Katze ist aggressiv und kratzt. Wir können sie nicht behalten.“
Mit wenigen Worten erklärt Ecker-Schotte dem Ehepaar, dass man jetzt nach einem anderen Domizil für den kleinen Vierbeiner suchen werde. Als ob sie der Äußerung einen unausgesprochenen Vorwurf entnommen hat, reagiert die Frau empört:
Wir haben zwei Katzen mitgenommen. Mit der einen kommen wir nicht zurecht. Sie wollen mir doch jetzt nicht vorwerfen, wir wären keine Tierliebhaber. Sie wissen doch, dass ich regelmäßig ans Tierheim spende.
Während der Ehemann seiner Frau verbal die Treue hält, ist die kleine Katze Filou inzwischen wieder zurück in ihrem Einzelzimmer. Unverträglich, nicht sozialisierbar – so das Urteil, das sich nun wie ein unsichtbarer Stempel in ihr Fell gebrannt hat. So wie der Uringeruch aus den anderen Teilen des Katzenhauses, der sich über den Gang bis hin zu ihrem feuchten Näschen ausbreitet.
Bei Angriff Charme
Nebenan hockt Einstein, der mit seinem Löwenkopf scheinbar desinteressiert aus seinem Schlafplatz lugt und den Besucher seelenruhig betrachtet. Als Pensionsgast ist sein Aufenthalt auf sieben bis zehn Tage begrenzt. Ihm reicht es, wenn er in dieser Zeit zweimal täglich gefüttert wird und seine Tabletten bekommt.
Einer anderen Katze, einer sogenannte Abgabekatze, genügt das nicht. Schließlich hat sie hat sich auf einen längeren Aufenthalt einzustellen. Im neuen Zuhause ihres ehemaligen Frauchens war kein Platz mehr für sie. Also begegnet sie dem Neuankömmling offensiver. Viel Zeit zum Kennenlernen bleibt ihr nicht. Auf Zehenspitzen nähert sie sich ihrem potentiellen Besitzer und springt unvorhergesehen auf dessen Schultern. Sie schnurrt und schmust, bevor dieser den Raum wieder verlässt, um nach Alternativen zu suchen.
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33 Kater und Katzen tummeln sich zur Zeit in den großen hellen Räumen des Tierheims. Manche von ihnen haben nicht so funkioniert, wie ihre Besitzer es von ihnen erwartet haben. Andere waren unsauber, verletzt oder standen im Weg, wenn ein Umzug geplant war. Die Gründe ihres Aufenthalts sind unterschiedlich.
Doch weder Einstein noch Filou wissen, dass ihr Aufenthalt das Tierheim im Durchschnitt zwei Euro pro Tag kostet, hochwertiges Futter noch nicht einkalkuliert. Hochgerechnet auf ein 18-jähriges Katzenleben ist das eine Summe von 12.000 bis 16.000 Euro.
Jede einzelne Katze wird vor ihrer Vermittlung geimpft, kastriert, gechippt und entwurmt. Auch das kostet. Der Tierschutzverein als Träger des Tierheims kommt für die Gelder auf. „Man muss so rechnen, dass man drei Jahre überleben kann“, sagt Johanna Ecker-Schotte.
Wie finanziert sich das Tierheim?
Und rechnen kann sie mit den Mitgliedsbeiträgen der 500 Vereinsmitglieder, die alle einen Jahresbeitrag zwischen 25 und 100 Euro zahlen. Hinzu kommt die jährliche Kreisumlage von 10 Cent pro Einwohner. Auch prominente Geldgeber wie beispielsweise Schönheitsfarm-Betreiberin Gertraud Gruber oder die Otto-Kern-Stiftung tragen mit ihren Spenden zum Erhalt des Tierheims bei.
Zusammen mit Tierpflegerin und Teilzeitkraft Manuela Hefele sowie einigen Aushilfen versorgt Tierheimleiter Markus Glanz, der nach längerer Krankheit seine Arbeit erst jetzt wieder aufgenommen hat, seine Heimbewohner: Ein Hase, mehrere Nager, zwei Pensionshunde, drei Ziegen, 33 Katzen.
Ehrenamtliche Helfer
Im Sommer hatte das Tierheim über 60 Pensionshunde, seit September sind es nur noch zwei. Dafür ist die Katzenunterkunft rappelvoll. Auf der Krankenstation sind deshalb die Katzenbabys untergebracht. Fehlen tut ihnen nichts.
Theresa (13) und Daphne (14), zwei Schülerinnen aus Waakirchen, die sich an den Wochenenden ehrenamtlich um die Tiere kümmern, sitzen am Boden und spielen mit den Kleinen. An anderen Tagen gehen sie mit den Hunden Gassi, streicheln die Katzenbabys oder füttern die Tiere.
Solange, bis sich jemand findet, der den Eignungstest als neuer Besitzer besteht und 100 Euro auf den Tisch legt. Das Telefon klingelt. Erst jetzt fällt die Stille auf, die von den bewohnten Räumen ausgeht. Der Weg vom Rottacher Tierheim führt zurück durch die Weissachauen. Die Motorsägen sind verstummt.
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