Gefangen im „Gummiparagrafen“

„Ohne Wasser kein See. Ohne See kein Seefest“. Mit diesen Worten leitete Waakirchens Gemeinderätin Gisela Hölscher (FWG) die gestrige Abendveranstaltung im Gmunder Gasthof Maximilian ein. Thema: die umstrittene Wasserentnahme der Münchner aus dem Mangfall- und Loisachtal – und die Konsequenzen.

Kämpfen gegen die Erweiterung des Wasserschutzgebietes: (Von links) Norbert Kerkel, Vorstand vom Verein “Unser Wasser”, Nebenerwerbslandwirt Udo Schmidt mit seiner Frau Gabi und Waakirchens Gemeinderätin Gisela Hölscher.

Trotz Seefest in Rottach-Egern hatten sich gestern Abend knapp 50 Interessierte im Gasthof Maximilian in Gmund eingefunden. Die Waakirchner Gemeinderätin Gisela Hölscher (FWG) hatte zwei Gastredner aus Mittelfranken organisiert: Die Landtagsabgeordnete Gabi Schmidt und ihren Ehemann Udo, ein „Nebenerwerbslandwirt“. Das Ehepaar war kürzlich im BR zu sehen. Gestern sprachen die beiden über ihre 25-jährige Erfahrung im Kampf gegen die Ausweisung von Wasserschutzgebieten.

Und so lautete auch das Thema des Abends: „Deckmantel Wasserschutzgebiet“ – Will München unser Wasser vergolden?“ Es sei das erste Mal, so Hölscher, dass die Freien Wähler einen „so großen Kampf ausfechten“. Wer in diesem Augenblick auf die Idee gekommen wäre, sie spreche von Wahlkampf, wurde am Ende des Abends mit einem spontanen Versprechen überrascht. Aber dazu später mehr. Erst einmal ließ Hölscher die Zuhörer wissen, dass „keine andere Partei das Thema bislang aufgegriffen“ habe.

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Wozu Wasserschutz, wenn Wasserqualität immer besser wird?

Zum Thema selbst: Seit Jahrzehnten holen sich die Münchner Stadtwerke rund 300.000 Kubikmeter Wasser pro Tag aus dem Mangfall- und Loisachtal. Etwa 130 Liter pro Tag verbraucht jeder Münchner davon pro Tag. Jede Sekunde seien das etwa 3,500 Liter reinstes Trinkwasser, das „kostenlos“ zur Verfügung gestellt werde“. so Hölscher. Während die Stadt München dieses Wasser als „M-Wasser“, also Münchner Wasser, verkauft und davon profitiert, bekomme der Landkreis Miesbach, der das Wasser liefert, immer mehr Probleme.

Um „ihr“ Wasser zu schützen, hatten die Stadtwerke München vor rund 25 Jahren ein sogenanntes „Bioprogramm“ gestartet. 170 Landwirte werden nach dieser Festlegung finanziell unterstützt – der Anteil der Biobetriebe stieg im Landkreis auf den höchste in ganz Deutschland. Aber genau diese Biobauern bekommen Probleme, wenn das Wasserschutzgebiet – so wie es die Stadt München schon vor vielen Jahren beantragt hat – auf fast das Doppelte erweitert wird (wir berichteten).

München kassiert, Betroffene zahlen drauf

Denn zu einer der hohen Auflagen gehört unter anderem, dass die Gülle – der wichtigste Dünger – nicht mehr auf die Felder gebracht werden darf. Einschränkungen, die zum Teil die Existenz der Landwirte bedrohen. Sie selbst profitieren nicht vom geschützten Trinkwasser – das Wasser haben die Münchner. Seit über hundert Jahren kämpft der Landkreis Miesbach gegen die in seinen Augen ungerechtfertigte Wasserentnahme.

„Es geht nicht, dass andere das Wasser wegpumpen“, machte gestern auch Waakirchens Gemeinderatsmitglied und neuer Vorstand vom Verein „Unser Wasser“, Norbert Kerkel, deutlich. Der „Schnellschuss“ des Landratsamtes im September vergangenen Jahres, die Erweiterung des Wasserschutzgebietes zu befürworten, und die sogenannten „Altrechte“ zu ignorieren, habe regelrechtes „Entsetzen“ ausgelöst, so Kerkel.

Über 70 Einwendungen seien eingegangen, die an einem drei Tage andauernden „Erörterungstermin“ am 24., 25. und 26. September behandelt werden sollen. Die Zeit bis dahin wolle man nutzen, um gegen die Erweiterung des Wasserschutzgebietes mit der „ein oder anderen Aktion“ anzugehen, so Kerkel. Was unter dem Deckmantel „Wasserschutz“ verkauft werde, sei in Wirklichkeit ein Kampf um „Wassernutzungsrechte“.

Für Gisela Hölscher das “erste Mal, dass die Freien Wähler einen „so großen Kampf ausfechten“.

Denn obwohl das Wasser noch nie besser gewesen sei als jetzt, werde von München aus alles daran gesetzt, das Wasser „zu schützen“. „Wir machen uns keine Illusionen. Wir wissen schon jetzt wie der Erörterungstermin ausgeht“, erklärte Alexander Bronisch, stellvertretender Vorstand des Vereins „Unser Wasser“, in seiner wortgewandten, sachlichen Darstellung der Gesamtproblematik. Dennoch sei man notfalls bereit zu klagen. Der Verein habe einen Anwalt, der schon „viele Prozesse“ gewonnen hat.

Diese Hoffnung machte der als Gastredner geladene Nebenerwerbslandwirt Udo Schmidt gleich einmal zunichte. „Ich kenne keinen, der ein einziges Wasserschutzgebiet verhindert hätte“. Ohne eine Zusammenarbeit der Gemeinden mit den Landratsämtern bestünde keine Chance, so der 54-Jährige, der zusammen mit seiner Frau Gabi diese Problematik seit 20 Jahren kennt. „Außer Zeit, Geld und Nerven haben die 700 Klagen nichts gebracht.“

1999 hatte er die Bürgerinitiative Wasserschutz in der mittelfränkischen Marktgemeinde Uehlfeld im Landkreis Neustadt an der Aisch gegründet. Dort wurde eine Erweiterung des Wasserschutzgebietes 1997 beantragt und im Dezember 2016 vollzogen. Als Konsequenz aus dem Willen des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, zehn Prozent der Flächen als Wasserschutzgebiet auszuweisen, so Schmidt.

Die Folgen für Landwirte und Kommunen

Von den Folgen seien Gewerbe, Siedlungen, Industrie und Waldgebiete betroffen gewesen. Mit der Ausweisung sei nicht nur ein Wertverlust der Flächen für die Landwirte einhergegangen, sondern ebenso ein immenser Kostenberg durch die hohen Auflagen entstanden. Doch auch die Kommunen spürten Einbußen: Seit 2010 wurde dort kein einziger Quadratmeter Gewerbefläche mehr verkauft.

Ganz zu schweigen davon, dass ihnen weniger Gewerbeflächen zur Verfügung stünden, machte Schmidt deutlich. „Die Ü-40-Generation kann mit Wasserschutzgebieten leben. Probleme kriegen unsere Kinder und Enkel.“ Insbesondere prangerte er die Wasserwirtschaftsämter an, die nicht „neutral“ seien und von denen es keine „Übersicht“ zu den Auflagen gebe. Eine Lösung sei die Zahlung eines „Wasserpfennigs“, so Schmidt, der den Landwirten als Entschädigung 1:1 ausgezahlt werden sollte.

Wie wird man “Herr über die Kosten”?

Doch dafür müsste das Bayerische Wasserhaushaltsgesetz (WHG) geändert werden, woran seitens der Regierung bislang kein Interesse bestünde, so Schmidt. Insbesondere der Paragraf 50 des Bayerischen Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) sei aufgrund seiner „dehnbaren“ Auslegung für die Misere verantwortlich: „Der Wasserbedarf der öffentlichen Wasserversorgung ist vorrangig aus ortsnahen Wasservorkommen zu decken, soweit überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dem nicht entgegenstehen.

Der Bedarf darf insbesondere dann mit Wasser aus ortsfernen Wasservorkommen gedeckt werden, wenn eine Versorgung aus ortsnahen Wasservorkommen nicht in ausreichender Menge oder Güte oder nicht mit vertretbarem Aufwand sichergestellt werden kann.“ Man könne den Münchnern das Wasser zwar nicht „absperren“, könne aber zumindest die Wasserversorgung versuchen in Eigenregie zu regeln, um so „Herr über die Kosten“ zu werden.

Es könne nämlich nicht sein, dass die Stadt München Wasser aus einem „fremden Gebiet“ entziehe, kassiere und Gewinne mache. Zumal diese sowohl im Hofoldinger Forst als auch in der Schotterebene selbst ausreichend Wasser zur Verfügung hätten. Zustimmendes Gemurmel von den Zuhörern: Eine Kommerzialisierung des Trinkwassers wolle man nicht.

Alexander Bronisch betonte: Die Problematik vor Ort liegt am Bayerischen Wassergesetz von 1908.

Wasser sei ein Lebensmittel und müsse was kosten, betonte hingegen Gabi Schmidt. Die Ballungsräume sollten sich lieber Gedanken darüber machen, wie sie von ihrem Trinkwassergebrauch runterkommen. Das Wasser und dessen Qualität werden „von hier aus gewährleistet“, aber von der Stadt München nicht ausreichend geschätzt. An dieser Stelle hakte Alexander Bronisch ein.

Die Erfahrungen und Überlegungen in Uehlfeld würden sich zwar mit den hiesigen decken, dennoch gehe es vor Ort um eine andere Problematik: Dass die Stadt München das Wasser aus dem Mangfall- und Loisachtal entnehmen dürfe, läge am Bayerischen Wassergesetz von 1908. „Der zentrale Punkt hier ist der Kampf gegen diese Altrechte.“ Für die Landwirte, die die Stadt München zu Biobauern gemacht hat, müsse es seiner Meinung nach einen Ausgleichsfond direkt im Landkreis geben.

Wenn “Wasserklau” verhindert werden soll, dann JETZT

„München sollte einen Euro pro Flasche Wasser zahlen. Es kann nicht sein, dass sich die Stadt potentiellen Reichtum durch versteckte Gewinne verschafft, während wir auf den Kosten sitzen bleiben.“ Warum die Parteien das Thema nicht miteinander aufgreifen, wenn es denn alle betrifft, kam ein Einwand aus dem Publikum. Man spiele das Thema seit zehn Jahren in der Öffentlichkeit, aber die Bevölkerung nehme davon wenig Notiz, weil es sie „nicht interessiert“, beantwortete Norbert Kerkel die Frage.

Woraufhin Gisela Hölscher spontan versprach, alle Parteien zusammenzubringen und eine gemeinsame „Aktion“ zu starten. Gabi Schmidt gab den Anwesenden abschließend mit auf den Weg. „Verlasst Euch auf niemanden. Seid massiv! Wenn Ihr Einfluss nehmen und den „Wasserklau“ verhindern wollt, dann JETZT – kurz vor der Wahl.“ Man könne Gesetze ändern, so Schmidt. „Wir ändern jede Woche Gesetze.“

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