Gemeinden wollen “Stück vom Kuchen”

Seit Jahren sorgt die Senkung der Kreisumlage für Diskussionen. Das Landratsamt will mehr zahlen, doch CSU und Freien Wählern trauten dem Frieden nicht. „Eine Herabwürdigung des Gremiums“, wie Robert Wiechmann (B`90/Grünen) befand.

Verwirrung um Senkung der Kreisumlagen im Kreistag

Mit einem Spitzenwert von 54 Prozent müssen die Kommunen in Oberbayern über die Hälfte ihrer Steuereinnahmen an den Landkreis abführen. Den Wunsch, die Kreisumlage zu senken, hatten die Kommunen seit Jahren. Der Landkreis habe lange genug von der „sehr guten“ Steuerkraft seiner Gemeinden profitiert, befanden sie, und forderten deshalb ein Absenken um einen Punkt auf 53 Punkte. Was für den Landkreis eine Mindereinnahme von etwa 1,36 Millionen Euro pro Jahr bedeuten würde.

Nach langem Hin und Her hatte Grünen-Landrat Wolfgang Rzehak die Kämmerei schließlich Mitte August damit beauftragt, einen Haushaltsentwurf zu erarbeiten. Zweifel an der Umsetzung äußerten die Fraktionen von CSU und Freien Wählern. Weil „der Eindruck entstanden sei, die Kreisumlagensenkung sei nicht wirklich gewünscht“, stellten sie einen entsprechenden Antrag, um die Senkung der Kreisumlage um einen auf 53 Punkte in trockenen Tüchern zu wissen.

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Ihre Forderung begründeten sie damit, dass der Landkreis seit 2014 jährliche höhere Kreisumlagenzahlungen seiner Gemeinden in Empfang habe nehmen können. So sei die Kreisumlage von 50,5 Millionen Euro im Jahr 2014 auf rund 64 Millionen Euro im Jahr 2018 gestiegen. Fazit von CSU und FW: Der Landkreis nimmt heuer 15 Millionen Euro mehr Kreisumlage ein als noch im Jahr 2014 – trotz einer im Jahr 2017 erfolgten Senkung der Kreisumlage von 55 auf 54 Prozentpunkte). Auch die Schlüssel- und Finanzzuweisungen hätten sich in diesem Zeitraum erhöht.

Gemeinden haben „große Aufgaben“ zu erledigen

Diese höheren Einnahmen hätten es dem Landkreis in den vergangenen Jahren erlaubt, erheblich mehr Schulden zu tilgen, als ursprünglich vorgesehen. Seit Ende 2014 bis Ende 2018 habe der Landkreis (ohne Eigenbetrieb) so rund 26,7 Millionen Euro Schulden abbauen können. Da auch die Gemeinde große Aufgaben zu bewältigen hätten, für die sie Finanzmittel benötigen, läge es im Interesse aller Landkreisbürger, durch eine Senkung der Kreisumlage entlastet zu werden.

Gestern lag der Antrag der Fraktionen von CSU und FW dem Kreistag zur Abstimmung vor. Kreiskämmerer Gerhard de Biasio äußerte rechtliche Bedenken am letzten Absatz des Antrags, der da lautete:

Eine Kreisumlagenerhöhung soll in Zukunft nur dann erfolgen, wenn durch den Kreistag beschlossene Projekte oder Investitionen in einem der Folgejahre einen konkreten Mehrbedarf an Finanzmitteln erfordern. In dem Fall muss zu gegebener Zeit im Kreistag über den Erhöhungsbedarf diskutiert werden.

Gemeinden brauchen „Luft zum Atmen“

Die Kreistagsmitglieder Norbert Kerkel (FWG) und Josef Bierschneider (CSU) seien gebeten worden, so der Kämmerer, diesen Absatz aus dem Antrag rauszunehmen. Kerkel erklärte zunächst, dass die Gemeinden „Luft zum Atmen“ bräuchten, um ihre Aufgaben zu erledigen. Sie hätten „große Projekte“ vor, weshalb eine Senkung der Kreisumlage „unbedingt“ in die Haushaltsplanung mit einfließen müsse.

Der beanstandete letzte Absatz sei lediglich eine Meinung gewesen, wie man in Zukunft verfahren solle. Man brauche den Passus nicht unbedingt und könne ihn streichen, so Kerkel. Auch Bierschneider bekräftigte, dass ihre „Seligkeit“ nicht davon abhänge. „Wir nehmen es raus, wenn es problematisch für Euch ist“, sagte er und fügte hinzu „Künftig werden wir auch alles akribisch prüfen vom Landratsamt“. Das wiederum konnte Landrat Rzehak nicht unkommentiert auf sich sitzen lassen: „Nehmt es an, wenn Euch die Verwaltung auf Fehler hinweist.“

Gemeinden haben mehr Spielraum als Landkreis

Als völlig „überflüssig“ bezeichnete Robert Wiechmann (B`90/Grünen) den Antrag. „Wieso behandeln wir ihn, wenn schon alles beschlossen ist?“ Kern des Antrags sei doch, dass der Kämmerer mit einem Punkt minus rechnet – und genau das sei Mitte August beschlossen worden. Ein solcher Antrag sei eine „Herabwürdigung des Gremiums“, sagte Wiechmann.

Als „völlig skurril“ bezeichnete er die im Antrag aufgeführte Begründung für die Senkung. Dass der Landkreis die Schulden schneller abbaue als geplant, werde darin als „Vorwurf“ formuliert, und nicht als „Erfolgsgeschichte“, so Wiechmann.

Nicht die Kommunen sind überschuldet, sondern der Landkreis.

Die Gemeinden haben viel mehr Spielraum, unterstrich Miesbachs zweiter Bürgermeister Paul Fertl (SPD). Der Landkreis sei der mit Abstand am meisten in der Kreide stehende Landkreis. Durch eine Senkung der Kreisumlage würde Miesbach 150.000 Euro sparen, Holzkirchen eine Viertel Million und die anderen Gemeinden etwa 50.000 Euro, so Fertls Schätzung. Der Landkreis sei nicht die „Insel der Seligen“.

Die Kämmerei müsse in ihrem Vorentwurf deutlich machen, so Fertl, welche Konsequenzen eine Senkung auf die freiwilligen, sozialen Leistungen hätte. Josef Bierschneider (CSU) meldete sich zu Wort: „Das Riesendrama seitens der SPD und Grünen“ sei ihm unverständlich. Denn man stimme nur für 2019 ab, und nicht für die Folgejahre. Wenn der Landkreis rund sieben Millionen Steuern einnehme, sei die Senkung „nichts Unverschämtes“. (Klatschen von Gmunds Ex-Bürgermeister Georg von Preysing).

Gemeinden wollen ein Stück vom Kuchen

Norbert Kerkel betonte noch einmal, was die Fraktionen dazu bewogen hatte, diesen Antrag zu stellen: „Der Landkreis ist in der Lage, seine Schulden zu tilgen. Dazu haben die Gemeinden beigetragen. Jetzt kann man ihnen ein Stück vom Kuchen zurückgeben.“ Bis jetzt gebe es zudem keinen Beschluss, die Kreisumlage zu senken, so Kerkel. Von einem „Show-Antrag“ könne deshalb keine Rede sein.

Auch Josef Bichler (CSU) zeigte sich genau wie Bierschneider erstaunt darüber, wie die Kollegen von den Grünen und der SPD die Verschuldung „dramatisieren“. Eine Senkung der Kreisumlage sei „das Stück Vertrauen“, das sich die Gemeinden für ihr „Wagnis“ in der Vergangenheit verdient hätten.

Denn dass in Miesbach einer der Spitzensätze veranschlagt werde, sei in der hohen Schuldenlast begründet gewesen, die nicht zuletzt durch die geballte Investition in die weiterführenden Schulen entstanden sei. Dennoch sei der Landkreis einer der am meist verschuldeten, hakte Landrat Wolfgang Rzehak ein (Anmerk. d. Red.: Schuldenstand: etwa 120 Millionen Euro (mit Eigenbetrieben)).

Wir müssen von dem Schuldenberg runterkommen.

Mehrheitlich unterstützte der Kreistag schließlich den Antrag der Fraktionen von CSU und Freien Wählern. Die SPD zog ihren Antrag wieder zurück. Jetzt könnte nur noch die Regierung von Oberbayern der im Haushalt vorgesehenen Senkung der Kreisumlage einen Strich durch die Rechnung machen. Solange der Landkreis keinen Kredit aufnimmt, muss sie ihren Haushalt von der Regierung nicht genehmigen lassen. Falls aber doch, dürfen die Gemeinden weiter um ihr Kuchenstück zittern.

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