Eine Gmunder Schriftstellerin und Projektleiterin wurde im November vergangenen Jahres auf der B318 bei Warngau in Fahrtrichtung Tegernsee geblitzt. Statt der erlaubten 70 fuhr sie 99 km/h. Ein Bußgeldbescheid der Polizei flatterte ins Haus – 80 Euro für Geschwindigkeitsüberschreitung. Sie erhob Einspruch dagegen. Der Grund: Zu der Zeit war ein Bekannter aus St. Petersburg bei ihr zu Besuch und hatte sich das Auto immer wieder geliehen.
Wer saß hinter’m Steuer?
Beide waren sich angeblich nicht sicher, wer auf dem Lichtbildfoto des Blitzers zu sehen ist. Die Frau gab bei der Polizei daher ihren russischen Bekannten an. Doch die Polizei schenkte der Gmunderin keinen Glauben. Sie schaltete eine Anwältin ein, die bei der Behörde noch andere Lichtbilder einsehen konnte, die damals vom Blitzer gemacht wurden. Es stellte sich heraus, dass die Gmunderin selbst an diesem Tag mit ihrem BMW unterwegs war – sie konnte eindeutig identifiziert werden.
Daher lenkte sie schlußendlich ein. Dennoch landete der Fall nun vor dem Miesbacher Amtsgericht. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Aufgrund des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit leitete die Zentrale Bußgeldstelle ein Verkehrsordnungswidrigkeitsverfahren gegen die Angeklagte ein und übersandte ihr einen Anhörungsbogen. In diesem Anhörungsbogen leugnete die Angeklagte ihre Fahrereigenschaft und gab als Fahrzeugführer bewusst wahrheitswidrig ihren russischen Bekannten an.
„Mit diesen Angaben bezweckte die Angeklagte zumindest auch, dass gegen die Person ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet wird“, so die Staatsanwältin. Dies sei strafbar als falsche Verdächtigung. „Ich muss diesen Vorwurf klar zurückweisen“, erklärte die Gmunderin, die ohne Anwalt vor Gericht erschien. Sowohl sie als auch ihr Bekannter haben gedacht, dass er gefahren sei. „Ich habe niemanden fälschlicherweise angeklagt. Ich dachte wirklich, er war es.“
Frau mehrfach vorbestraft
Richter Walter Leitner zeigte sich skeptisch: „Warum ist ihr Bekannter alleine rumgefahren, wenn er bei Ihnen zu Besuch war? Was haben Sie in der Zeit gemacht?“ Die Angeklagte verteidigte sich: „Wir haben viele Sachen zusammen gemacht, aber ich bin auch ein Mensch, der ab und zu mal alleine was unternimmt.“ Was genau sie an diesem Tag gemacht hat, wusste sie nicht mehr. „Ich schreibe kein Tagebuch darüber, was ich jeden Tag tue. Sorry.“
In dem Beweisaufnahmeverfahren legte die Angeklagte dann das Schreiben der Polizei mit dem besagten Blitzerfoto vor. „Hätte ich mich da eindeutig erkannt, hätte ich das ja auch gleich alles zugegeben.“ Richter Leitner verglich das Foto sowohl mit der Angeklagten als auch mit einem Bild des Bekannten aus St. Petersburg.
Bevor es zum Antrag der Staatsanwaltschaft ging, verlas Leitner die bisherigen Straftaten der Gmunderin. Die zwölf Einträge reichen von Fahren ohne Fahrerlaubnis über mehrfaches Erschleichen von Leistungen bis hin zu einer Körperverletzung zwischen 1983 bis 2009. „Sie hatten keine Phase, in der sie keine Straftat begangen haben“, stellte der Richter fest. „Ihre Jugendsünden spielen hier heute aber zumindest keine Rolle“, versicherte er.
Angeklagte zeigt keine Einsicht
In ihrem Schlussvortrag erklärte die Staatsanwältin den Sachverhalt für erwiesen. Dies steht nach Überzeugung der Anklage aufgrund der „äußerst lückenhaften und teilweise unglaubwürdigen Ausführungen der Angeklagten fest. Durch ihr Verhalten hat sich die Angeklagte einer falschen Verdächtigung strafbar gemacht.“ Zwar spreche für die Gmunderin, dass ihr Bekannter aus St. Petersburg keinen Schaden genommen hat.
„Gegen die Angeklagte sprechen allerdings ihre zahlreichen Einträge im Bundeszentralregister, dass es kein von Reue getragenes Geständnis gab, sie sich uneinsichtig zeigte und es wohl als günstige Gelegenheit sah, die Geschwindigkeitsüberschreitung auf ihren Bekannten zu schieben.“ Die Staatsanwältin hält eine Geldstrafe von 100 Tagessätze zu je 70 Euro für tat- und schuldangemessen. Die Angeklagte selbst beantragte einen Freispruch. „Ich bin der Willkür des Gerichtes ausgesetzt.“
„Sie haben sich selbst überführt“
Nachdem die Angeklagte in ihrer letzten Stellungnahme noch ein Gedicht zitierte, fiel Richter Leitner sein Urteil. Er sprach die Gmunderin für schuldig und verurteilte sie zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 70 Euro. Zusätzlich hat die Angeklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen. „Sie haben sich selbst überführt, indem Sie mir Ihr Original-Schreiben des bayerischen Polizeiverwaltungsamtes gegeben haben“, so Richter Leitner in seiner Urteilsbegründung.
Es gebe bei solchen Blitzer-Lichtbildern unterschiedlichste Qualitäten – von katastrophaler bis guter Qualität. Der Richter habe nur die qualitativ hochwertigen Fotos der Polizei vorliegen gehabt. „Ich wusste nicht genau, was Sie für ein Bild bekommen haben. Die Spannbreite der Qualität war hier riesig. Aber auf dem Bild, das Sie mir gezeigt haben, erkennt man sie eindeutig. Darauf ist eine Frau zu sehen, ihre Augenpartie, die langen Haare.“
Statt Geldstrafe lieber Haftstrafe auf Staatskosten
Es passe alles so gut, dass auch bei der Angeklagten kein Zweifel hätte bestehen können – von dem Foto über das Auto bis hin zu der Gegend. „Aber sie haben es halt so gemacht, wie es oft gemacht wird. Sie haben versucht, von der Ordnungswidrigkeit loszukommen – wenn’s auch nur ein niedriges Bußgeld war – und einen Ausländer genannt, der möglichst schwierig zu ermitteln war“, so Richter Leitner. „Leider hat die Polizei das aber nicht geglaubt und ist der Sache nachgegangen.“ Aufgrund ihrer Tat und ihrer finanziellen Lage halte er 70 Tagessätze zu je 70 Euro für angemessen. Dann überraschte die Angeklagte mit einer Aussage:
Ja, dann würde ich gerne ins Gefängnis gehen.
Richter Leitner erklärte ihr daraufhin ihre rechtlichen Möglichkeiten der Berufung oder einer Revision. Sollte das Urteil dann aber doch rechtskräftig werden, vollstreckt die Staatsanwaltschaft die Geldstrafe. „Wenn Sie dann die Geldstrafe nicht bezahlen, dann kommt das, was sie machen wollen: Dann werden 70 Tage Ersatzfreiheit fällig, die sie absitzen müssen. Also wenn sie das wirklich wollen.“
Die abschließenden Worte der Gmunderin: „Ja natürlich will ich ins Gefängnis. Ist dann auf Kosten des Staates.“
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