Grenzen der Meinungsfreiheit

Viel Wirbel rund um das geplante Holzfäller-Museum in Bad Wiessee: CSU-Gemeinderätin Ingrid Versen kämpft mit scharfen Äußerungen gegen das Vorhaben an, Bernd Kuntze-Fechner (SPD) schießt mit einem offenen Brief zurück. Von “öffentlicher Misshandlung” ist die Rede – hat das Ganze nun ein juristisches Nachspiel für Versen?

In diesem Haus am Zeiselbach soll das Holzfäller-Museum entstehen - doch im Wiesseer Gemeinderat ist damit eine große Diskussion entfacht.
In diesem Haus am Zeiselbach soll das Holzfäller-Museum entstehen – doch im Wiesseer Gemeinderat ist damit eine große Diskussion entfacht.

Ein Holzfäller-Museum für Bad Wiessee – so zumindest der Plan der Gemeinde. Der wurde jedoch vergangenen Donnerstag in der Gemeinderatssitzung nicht nur kritisiert, die CSU verlangte sogar einen sofortigen Baustopp. Der Grund: Der Gemeinderat habe von der Entscheidung über die Einrichtung eines Museums am Zeiselbach nichts gewusst.

Vor allem Ingrid Versen (CSU) schoss scharf gegen die ihrer Meinung nach fehlende Demokratie im Gemeinderat. In ihrer Wut griff sie außerdem zwei Mitarbeiterinnen der Gemeinde, an: „(…) da müssen wir mitten im Wald ein Museum eröffnen, nur um zwei Frauen zu beschäftigen.“

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Öffentliche Misshandlung?

SPD-Gemeinderat Bernd Kuntze-Fechner, der an besagter Gemeinderatssitzung selbst nicht teilnehmen konnte, brachte am Samstag wie berichtet seine Entrüstung in einem offenen Brief zum Ausdruck. Die zwei Mitarbeiterinnen hätten „diese öffentliche Misshandlung durch die Kollegin Versen nicht verdient.“

Die Äußerungen Versens seien ein Skandal und dürften von den Verantwortlichen nicht hingenommen werden. Kuntze-Fechner forderte daher eine öffentliche Entschuldigung der CSU-Politikerin und eine rechtliche Prüfung des Verhaltens. Doch wie geht es für die Parteien in Wiessee weiter und was macht die Gemeinde?

CSU zieht an einem Strang

Florian Sareiter (CSU) stärkt nach dem Eklat vom Donnerstag seiner Kollegin den Rücken. Auf Nachfrage erklärt Sareiter: „Wir stehen hinter Frau Versen.“ Sie habe die Namen der Mitarbeiterinnen nie genannt und Herr Kuntze-Fechner kenne nicht mal die genauen Zusammenhänge des Abends:

Ich kann seine schroffe Vorgehensweise nicht verstehen. Er war an dem Abend nicht anwesend und konnte so nur der Presse entnehmen, wer was gesagt hat.

Parteiintern werde es daher keine spezielle Vorgehensweise geben, „aber wir werden das Thema sicher nochmal in einer der kommenden Sitzungen auf den Tisch bekommen.“ Die CSU wolle dann eine ausführliche Antwort im Gremium abgeben. „Wir werden für das Ganze sicher eine Lösung finden“, so Sareiter.

Auch Michael Herrmann, Geschäftsleiter der Gemeinde Wiessee, schließt sich der CSU an: „Das Thema wird in einer Gemeinderatssitzung nochmal explizit aufgegriffen und behandelt – von mir aus auch emotional.“ Schließlich seien die Gemüter ja nach dem vergangenen Donnerstag erhitzt. Aber auch Herrmann wiederholt das Mantra: „Ich denke, am Ende des Tages kommt man zu einer Lösung.“

Der Wiesseer Geschäftsleiter kann Kuntze-Fechners Kritik im Gegensatz zu Sareiter aber insgesamt gut verstehen. Mit dem Brief habe er seine Meinung kund getan und „es ist sehr schön, dass er sich hinter die Mitarbeiter der Gemeinde stellt. Juristisch prüfen wolle die Gemeinde aber nichts. Trotz klarer Meinungen der unterschiedlichen Parteien und damit der Gemeinderäte ist man sich in Wiessee in Einem einig: Das Thema soll nicht weiter hochkochen.

Die Grenzen der Meinungsfreiheit

Und auch das Landratsamt beschwichtigt. Laut Sprecher Birger Nemitz werden man rechtlich nicht gegen die getroffenen Äußerungen vorgehen.

Ein entsprechender Antrag auf Prüfung ist bei der Kommunalaufsicht auch nicht eingegangen. Falls kein Bezug zur Arbeit als Gemeinderätin oder als Gemeinderat besteht, können Kontrahenten eine zivilrechtliche Lösung suchen. Falls ein Gemeindebezug besteht, kann das LRA verwaltungsrechtlich tätig werden.

Im konkreten Vorfall sei das allerdings nicht gegeben. Nach Einschätzung des Landratsamtes dürften die Wortmeldungen von Ingrid Versen unter das das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz, fallen. Das gelte zwar nicht uneingeschränkt, sei jedoch sehr weit auslegbar.

Auf den Vorwurf von Kuntze-Fechner auf Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiterinnen durch Versen, antwortet Nemitz, dass es sich jeder Bürger direkt an die Gemeinde wenden kann. Falls eine Behauptung durch Gemeindeorgane jemanden in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, wäre auch der Erste Bürgermeister ein möglicher Ansprechpartner.

Dabei habe dieser auch die Möglichkeit verbale Auswüchse, wie die von Versen zu unterbinden. So kann der Bürgermeister während einer Sitzung mit Zustimmung des Gemeinderats Mitglieder ausschließen, die die Ordnung fortgesetzt erheblich stören. Dies, so Nemitz, diene jedoch nicht dazu, “temperamentvollen Ausführungen entgegenzutreten. Möglicherweise reichen auch normale Mittel der Verhandlungsleitung wie etwa Rüge, Ordnungsruf oder Wortentzug aus.”

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