Top-3-Artikel des Jahres: Gymnasium untersagt Verkauf von Abiturzeitung

Auch in diesem Jahr geben wir wieder einen Rückblick auf die drei meistgelesenen Tegernseer-Stimme-Artikel der vergangenen zwölf Monate. Heute die Nummer Drei mit einem Thema, das am Ende für viel Aufregung, aber keine echten Erkenntnisse gesorgt hat.

Der Artikel über das Missverständnis zwischen der Schulleitung des Tegernseer Gymnasiums und einigen Schülern des Abiturjahrgangs um Abizeitungs-Herausgeber Wolf Weimer Ende Juni wurde in den letzten sechs Monaten insgesamt 4.353 Mal gelesen.

Der “Eklat” dämpfte zuerst die Stimmung auf dem Abiball, sorgt aber mittlerweile eher für Kopfschütteln, und das auch bei Lehrern des Gymnasiums. Lesenswert ist der Artikel aber allemal. Vor allem weil man sieht, wie schnell Situationen – zum Schaden aller – eskalieren können.

Artikel vom 28. Juni 2012
Nicht nur am Gymnasium in Tegernsee hat es eine lange Tradition, dass der Abiturjahrgang eine Zeitung mit Geschichten über Schüler, Kurse, aber auch zu Lehrern herausgibt.

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Ein Novum ist allerdings, dass die Abiturzeitung in Tegernsee unzensiert in den Umlauf gerät. Die Herausgeber hatten die fast 400 Seiten umfassende Zeitung gedruckt, ehe sie grünes Licht von der Schulleitung bekamen. Mitabgedruckt ist daher auch ein Gedicht, das nicht nur für Autoren, sondern auch für die Herausgeber um Wolf Weimer Konsequenzen haben wird.

Direktor Werner Oberholzner ist nicht angetan von der Kritik an seinen Lehrern.
Direktor Werner Oberholzner tut sich schwer mit der Form der Kritik an seinen Kollegen.

500 Exemplare der Abiturzeitung hat die Oberstufe in Auftrag gegeben, um diese am Dienstag während des Abiturstreichs für fünf Euro im Pausenhof der Schule zu verkaufen. Als der Direktor der Schule, Werner Oberholzner, davon erfuhr, dass die Zeitung eins zu eins in der ursprünglich nach Pfingsten bei ihm eingereichten Fassung verkauft wird, untersagte er kurzerhand den Verkauf.

Mit einer Lautsprecherdurchsage von der Bühne herab informierte er die feiernden Schüler. “Wir haben hier vom Hausrecht der Schule Gebrauch gemacht”, erklärt Oberholzner auf Nachfrage.

350 Exemplare im Umlauf

“Der Verkauf wurde dann auch umgehend eingestellt”, berichtet der Direktor. Insgesamt sind laut Aussagen der drei Herausgeber Max Apel, Wolf Weimer und Sebastian Bertele 350 Stück in Umlauf gekommen.

Die Schüler ärgert jedoch vor allem die Konfiszierung der übrigen Exemplare:

Einige Lehrer haben die Pakete mit den Schülerzeitungen einfach aus einem Schülerauto herausgeholt und weggesperrt. Herausgeben möchte die Schule sie nur, wenn wir die kritischen Stellen mit Edding überschreiben.

Werner Oberholzner ließ diese Aktion zum Schutz der in den Artikeln beleidigten Lehrer durchführen, auch wenn ihm durchaus bewusst war, dass die Unterlagen Eigentum der Q12 sind. Er wies allerdings daraufhin, dass die Exemplare jederzeit abgeholt werden könnten, sofern die entscheidenden Passagen geschwärzt würden.

Keine Zeugnisse bei Abiball

So oder so ist der Direktor derzeit “nicht wirklich gut gelaunt”. Der Stress der letzten Wochen sei durch die Aktion der Schüler nur noch größer geworden. Im Laufe des Mittwochvormittags musste eine Lehrerkonferenz einberufen werden. Beschlossen wurde dort unter anderem, dass den Herausgebern als auch den Autoren des Gedichts ihre Zeugnisse nicht im Rahmen des Abiturballs am Freitag in der Hanns-Seidel-Stifung in Kreuth übergeben werden. Die fünf müssten diese persönlich an der Schule abholen.

Außerdem will Oberholzner in seiner Festrede auf die jüngsten Vorfälle eingehen. Die Hochschulreife, die man durch das Abitur erlangt, gehe laut Oberholzner hier eben nicht mit der persönlichen Reife einher. Darüber hinaus rechnet Oberholzner damit, dass viele Mitglieder des Lehrkörpers – als Reaktion auf die Vorkommnisse – nicht am Abiball teilnehmen werden.

Wolf Weimer, einer der drei Herausgeber der aktuellen Abizeitung

Die betroffenen Schüler bezeichnen die Situation als sehr unangenehm: “Wir hatten den Artikel im Redaktionsteam aufgrund des Abistresses nicht gelesen. So ist der irgendwie reingerutscht”, sagt Wolf Weimer im Gespräch. Am gestrigen Mittwoch habe es darüber hinaus bereits ein Entschuldigungstreffen gegeben. Auf einem Plakat im Eingangsbereich des Gymnasiums steht: “Manche Dinge, die geschrieben wurden, bereut man. Deswegen entschuldigen wir uns. Die Q12”

Hassartikel sprengt Grenzen

Vor allem ein spezieller Artikel, der sich sehr persönlich gegen eine Lehrkraft richtet, ist es, der die Gemüter bewegt. “Du hast ne Meise”, “von Ihrer Dummheit erschlagen” oder “wenn Sie eines konnten, dann Scheiße erzählen”, sind nur einige der Passagen, die deutlich unter die Gürtellinie gehen. Für Oberholzner ein Hassartikel, der die Grenzen annehmbarer Kritik sprengt. “Hier geht es um eine durchgehende Beschimpfung der Lehrkraft”, so das Urteil des Schulleiters, der allerdings auch weitere Passagen der Abiturzeitung kritisch sieht.

In den nächsten Tagen soll nun versucht werden, so viele Abiturzeitungen wie möglich wieder zurückzubekommen. Die kritischen Textpassagen sollen geschwärzt oder die entsprechenden Seiten zusammengeklebt werden. Damit will man den Schaden vonseiten der Schule wie auch der Schüler, zumindest so weit es geht, wieder “reparieren”.

Wie sich jedoch die im speziellen Gedicht angegangene Lehrkraft verhalten wird, kann der Schulleiter nicht beurteilen und schließt rechtlich Konsequenzen wegen übler Nachrede nicht aus. “Dies ist Sache der betroffenen Privatperson. Wenn ich das allerdings lese und einem Rechtsanwalt zeige, ist die Möglichkeit von rechtlichen Konsequenzen durchaus gegeben”, so der Rektor. Alle drei Herausgeber wie auch die eigentlichen Verfasser seien alt genug, um zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Abiturzeitung formell sehr gut gelungen

Abgesehen von den unzensierten Inhalten hält Oberholzner die Abiturzeitung formell für “sehr gelungen”. Das Layout, der ungewöhnlich große Umfang, der Satz und insgesamt die Gestaltung seien in dieser Form “noch nie dagewesen”.

Allerdings sei es auch noch nie vorgekommen, dass die Abiturzeitung gedruckt wurde, ohne vorher “zensieren” zu können. “Das ist ein bis dato noch nie dagewesenes Kaliber”, meint Oberholzner, dessen Mitleid sich gegenüber den Autoren und Herausgebern “in Grenzen hält”.

Wie es nun konkret weitergehen wird, steht derzeit noch nicht fest. Sicher ist allerdings, dass die Verfasser des Artikels vom Abiturball in Kreuth ausgeschlossen sind. So zumindest das Ergebnis der gestrigen Konferenz.

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