Tegernsees Schlammproblem? So gut wie weggespült!

„Bin da, um zuzuhören“, sagt Umweltministerin Ulrike Scharf beim gestrigen Vor-Ort-Termin zum Thema „Schwaighofbucht“. Und genau das tut sie dann auch – trotz ihres straffen Zeitplans.

Sie nahm sich knapp eine Stunde Zeit für die Sachlage an der Schwaighofbucht: Umweltministerin Ulrike Scharf. Links neben ihr: Alexander Radwan.

Auf Initiative von Andreas Scherzer, dem Vorsitzenden des Vereins „Rettet den Tegernsee“ und mit Unterstützung des CSU-Bundestagsabgeordneten Alexander Radwan kam Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf gestern Nachmittag – mit etwas Verspätung – an den Tegernsee. Genauer gesagt ins Café Max I. Joseph nach Rottach-Egern.

Als „rein informatives Gespräch“ bezeichnete Tegernsees Bürgermeister Johannes Hagn das Zusammentreffen, an dem unter anderem auch der Rottacher Bürgermeister Christian Köck, Paul Geisenhofer vom Wasserwirtschaftsamt Rosenheim sowie der Vorsitzende des Rudervereins Heiner Felder teilnahmen.

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Bedenken kurz und knapp vorgetragen

Man wolle der Umweltministerin lediglich die Sachlage erklären, teilte Hagn allen Betroffenen vorab mit, und alle Argumente kurz und knapp vorbringen – ohne große Diskussionen. Schließlich habe die Ministerin einen straffen Zeitplan. Vor allem aber wolle man das leidige Problem „Schwaighofbucht“ endlich lösen.

Denn schließlich gelte es, 60.000 Kubikmeter Schlamm in der kompletten Schwaighofbucht auszubaggern – doppelt soviel Schlamm wie in den dreißiger Jahren zwischen Seehotel Luitpold und Seesauna hätte aufgeschüttet werden müssen. Da der Freistaat Eigentümer der Schwaighofbucht ist, und die Stadt für das Vorhaben finanzielle Unterstützung benötigt, wurde mit der Umweltministerin ein Vor-Ort-Termin vereinbart. Besichtigt wurde die Schwaighofbucht aufgrund des gestrigen Regens und der knappen Zeit allerdings nicht.

Seit 15 Jahren strebt die Stadt Tegernsee eine Lösung für die zunehmende Verschlammung der Bucht an. Schon Tegernsees Ex-Bürgermeister Peter Janssen befassste sich mit der Thematik, verfolgte sie aber nicht weiter, weil er damit die Haushaltskasse mit mindestens „einer dreiviertel Million Euro belastet hätte“, wie Tegernsees Bürgermeister Johannes Hagn zu berichten weiß. Aktuell kann niemand die Kosten abschätzen.

Zunächst brauche man eine „wissenschaftliche Aussage“, dass ein „Eingriff in die Bucht“, beziehungsweise ein Ausbaggern des Schlamms, keine negativen Auswirkungen auf die Wasserqualität habe. Wie berichtet, hatte die Stadt bereits ein Bodengutachten für 18.000 Euro in Auftrag gegeben, das zu je einem Drittel sowohl vom Wasserwirtschaftsamt als auch vom Verein „Rettet den Tegernsee“ mitfinanziert wird.

Das Problem der zunehmenden Verlandung der Schwaighofbucht will die Stadt Tegernsee nun endlich klären.

Zur Umsetzung der „Wasserrechtsrahmenlinie“, also der Verhinderung einer Verschlechterung des Wasserzustandes, ist ein zusätzliches Rechtsgutachten nötig, das der Stadt inzwischen als Entwurf vorliegt. Dafür müssen die Strömungsverhältnisse im See und die Bestandteile des Schlamms unter die Lupe genommen werden. Man geht zwar davon aus, dass der Inhalt des Schlamms nicht schädlich ist, aber all das kostet. Hagn befürchtet hier eine regelrechte Kostenexplosion.

Die finanzielle Belastung ist aber nicht die einzige Hürde für die Stadt Tegernsee. Die Kernfrage ist und bleibt: Wohin mit dem ausgebaggerten Schlamm? Bis vor kurzem ging man noch davon aus, dass eine sogenannte „Verklappung“, das heißt eine Entsorgung des Schlamms im See, verboten ist.

Am Beispiel Starnberg wurde man eines besseren belehrt. Dort ließ das Wasserwirtschaftsamt – in Zusammenarbeit mit Werften, Yacht- und Segelclubs – die Häfen „entschlammen“: Man baggerte das Material an der einen Seite des Sees aus, und führte es an anderer Stelle wieder rein. Das Gleiche passierte am Chiemsee. Bevor sich Umweltministerin Ulrike Scharf die Bedenken der Anwesenden geduldig anhörte, erklärte sie:

Im Ziel sind wir uns doch einig: Die Verlandung der Schwaighofbucht muss man irgendwie bewerkstelligen.

Schließlich gehöre der Tegernsee zu einem touristischen Ausflugsziel, das auch in Zukunft genutzt werden sollte. Touristische Gründe spielen dagegen für Rottachs Bürgermeister Köck bei der Entschlammung der Schwaigbucht keine Rolle. „Wir haben genug Freibäder drumherum.“ Die „Kiesentnahme“ sei einfach eine staatliche Angelegenheit, deshalb müsse auch die Finanzierung von dort kommen.

Öffentliche und wirtschaftliche Interessen sind abzuwägen

Einzig die Beeinträchtigung des Rottacher Freibads sei zu berücksichtigen. Das sieht Bürgermeister Hagn genauso. Eine Verschlammung des Freibades sei in seinen Augen ein wirtschaftlicher Nachteil. Man dürfe auch die Sicherheit und Verunreinigung beim Baden in der Schwaighofbucht nicht außer acht lassen.

Andreas Scherzer erklärte der Ministerin, dass eine Verschlammung der Schwaighofbucht „wirklich gefährlich“ sei. Erst in diesem Jahr seien zwei kleine Kinder im Schlamm steckengeblieben. Und ein älterer Herr habe beim Schwimmen „Entenscheiße“ geschluckt und dadurch gesundheitliche Probleme bekommen.

Hochwassergefahr

Außerdem bestehe Hochwassergefahr für die unmittelbar am Ufer stehenden Häuser, darunter ein Altenheim. Das Wasserwirtschaftsamt würde ignorieren, dass die Zuflüsse jährlich 30.000 bis 40.000 Kubikmeter Schlamm in den See tragen. Darunter Unmengen an Gehölz. Laut Gewässerunterhaltsverpflichtung sei man aber dazu verpflichtet, einen Rückstau zu vermeiden und Ablagerungen zu beseitigen.

Das bestätigt auch Helmuth Schaefer, ein privater Seeanlieger: „Aus der Rottach kommt kein Sediment mehr, sondern richtige Baumstämme und Schlingpflanzen“. Seine Idee, um die Ursache der Verschlammung einzufangen: Einen Rechen oberhalb der Rottach einzubauen.

Ruderclub sitzt beinahe auf dem Trockenen

Früher sei der Tegernsee regelmäßig ausgebaggert worden, wirft die 65-jährige Traudl Eberwein ein, was Bürgermeister Hagn hingegen nicht bestätigen kann. „In Tegernsee findet sich darüber in den letzten 15 Jahren weder eine Rechnung noch sonst irgendein Nachweis.“ Früher sei ihr das Wasser noch bis zur Schulter gegangen, als sie mit 20 im Ruderclub war, spricht Eberwein weiter, inzwischen gehe es ihr nur noch bis zum Knie.

Auch der Ruderclub sitzt heute schon fast auf dem Trockenen, wie dessen Vorsitzender Heiner Felder berichtet. Für die rund 150 Vereinsmitglieder sei der Tegernsee ein begehrtes Ziel, macht er der Ministerin klar. Deshalb sei es unbedingt notwendig, die Schwaighofbucht zu entschlammen, damit man auch in Zukunft rudern könne.

Erst hieß es “Warten” für Alexander Radwan und Johannes Hagn, dann kam sie endlich: Umweltministerin Ulrike Scharf (rechts).

Nur Vogelschutzexperte Wolfgang Hiller bereitet die Verschlammung weniger Sorgen. Er sieht den Grund des „stinkenden“ Schlamms, der beklagt wird, im Verkoten der Vögel. Ein Resultat von „unkontrolliertem Füttern.“ Das müsste verboten und geahndet werden, sagt er. Der Schlamm an sich stinke sowieso nicht, pflichtet ihm Bürgermeister Hagn bei. Der bestehe nämlich aus einer durchgängigen, federnden Laubschicht. Eine Geruchsbelästigung würde erst beim Ausbaggern entstehen.

Die vorgebrachten Argumente überzeugten die Umweltministerin davon, dass es „Sinn mache, in größerem Umfang zu denken.“ Sie befürworte – im Interesse aller Nutzer des Tegernsees – eine „gemeinsame Lösung“. „Ich glaube nicht, dass es an uns scheitern würde“, verspricht sie in die Runde, „selbst wenn die Stadt ein „größeres Gutachten“ zur Klärung aller Details brauche“. Dann wandert ihr Blick nach rechts: „Oder verspreche ich jetzt zuviel, Herr Radwan?“ Der schüttelt den Kopf. Auf keinen Fall wolle sie, dass es „an 10.000 Euro scheitert“.

Zeitplan und Maßnahmen

Ob es einen zeitlichen Plan gebe, will Scharf noch wissen. Hagn verweist auf das kommende Jahr: „Dann müssten alle Gutachten da sein.“ Nach Bekanntgabe der Ergebnisse könne man dann die entsprechenden Schritte einleiten und prüfen, welche der folgenden Maßnahmen sinnvoll sei:

• Den Schlamm mit Rohren aussaugen und wieder in den See zurückführen
• Den Schlamm ausbaggern und einen Teil als Dünger auf landwirtschaftliche Felder verteilen.
• Die Alternative: Den Schlamm am Ringsee oder am Kieswerk Königsdorf ablagern
• Den abgetragenen Schlamm als Baumaterial verwenden

Hagns Sorge, man schaffe einen Präzedenzfall, sollte der Freistaat die Entschlammung der Schwaighofbucht finanziell unterstützen, könnte also in absehbarer Zeit begründet sein. Ein Versprechen der Ministerin nimmt er bis dahin auf jeden Fall mit: „Wenn die Schwaighofbucht erst einmal entschlammt ist, rudern und baden wir mal.“

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