Wer kommunales Schwimmen versteht - und wer nicht
Hallenbad ist kein “Wünsch Dir was” Ding

Es entwickelt sich zum Dauerthema: Das Hallenbad vom Tegernsee. Werden die Kommunen sich zusammenraufen? Werden Kinder schwimmen lernen, Vereine trainieren? Oder fällt alles ins Wasser? 

Rathaus Holzkirchen – Millionen-Investitionen in den letzten Jahren für Großprojekte – und jetzt? Foto: Redaktion

Holzkirchen ist nicht schön. “Wer hierherzieht , entscheidet sich für eine hervorragende Infrastruktur und nicht allein für der Schönheit des Ortes”, sagt der Bürgermeister. Das fängt schon beim Rathaus an. Kein Traumblick auf den Tegernsee, keine Lüftlmalerei, ein funktionaler Bau, der so auch in Salzwedel oder Velbert stehen könnte. Holzkirchen ist aber reich, boomt. Die Marktgemeinde ist mit fast 17. 000 Bürgerinnen und Bürgern die einwohnerstärkste Kommune im Landkreis. Ihre Infrastruktur, ob Schulen oder Bahnhof, ist für umliegende Weiler und Gemeinden überlebenswichtig.  

Christoph Schmid ist seit vier Jahren Bürgermeister und hat schon eine Menge Geld ausgegeben. “Für den Neubau der KITA, der Mittelschule und des Bauhofs hat Holzkirchen über 80 Millionen Euro aus dem Haushalt bereitstellen müssen”, erklärt er, als er die TS zu einem Termin empfängt. Wir wollen über das Batusa sprechen, die Sportstätte der Gemeinde. Sie ist alt, sanierungsbedürftig. Aber seit dem Abriss des Wiesseer Badeparks eine der wenigen Training-Anlaufstellen für die DLRG und Wasserwacht vom Tegernsee. 

Investitionen in die Daseinsvorsorge

Das ist für den Bürgermeister Alltag. Holzkirchen investiert in Daseinsvorsorge Millionen und Nachbargemeinden profitieren. “Wir haben mit den jüngsten Ausgaben sicher das Ende der Fahnenstange erreicht. Große Sprünge werden in der Zukunft nicht mehr drin sein”, warnt der gelernte Bankkaufmann. Aber sein Schwimmbad, das Batusa, steht, wie er launig sagt, im “Spätherbst” seiner Lebensdauer.

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1992 erbaut, verfügt das Schwimmbad über ein 25-Meter-Becken mit Sprungbrett, eine 50-Meter-Rutsche und ein Außenbecken mit 33 Grad warmem Wasser. Dazu kommen ein Kinderbecken sowie ein Außenbecken nebst Liegewiese. Vielleicht noch drei, vier Jahre wird es mit dem Schwimmen in Holzkirchen gehen. Dann muss der Bau weg. Sanieren lohnt sich nicht. Warum?

“Für unsere Pumpen im Keller gibt es oft keine Ersatzteile mehr. Wir haben beim Abriss des Wiesseer Badepark aus deren Equipment uns bedienen müssen”, erklärt Schmid. Und für ein saftiges Defizit von einer Million Euro jährlich sorgt der Bau auch. Dagegen kann Schmid keine Abschreibungen setzen, das Geld geht als reines Cash out aus dem Budget. Energetisch entspricht es nicht im Ansatz heutigen Standards. 

Hat er gut lachen? Auf jeden Fall einen Plan für das neue Schwimmbad, der sich rechnet. Schmid ist zuversichtlich, aber auch realistisch; er braucht die anderen Gemeinden. Foto: Redaktion

Und jetzt schaut der 54-Jährige zum Tegernsee, wo um ein neues kommunales Hallenbad gerungen wird.  “Ein Spaßbad kommt hier nicht infrage, das ist nicht machbar und aus meiner Sicht auch nicht Aufgabe der Kommune. Sie muss den Bürgern die Möglichkeit geben, Schwimmen zu lernen, den Vereinen einen vernünftigen Raum zur Ausbildung und Training geben. Das ist kommunale Vorsorge.” Schon jetzt hat Schmid einen groben Plan für einen Neubau rechnen lassen. Bodenständig soll es sein, keine Innenrutsche, die das Gebäude und damit durch die Beheizung auch die Energiekosten in die Höhe schießen lässt.  Da die Wasseroberfläche sehr teuer ist, kann ein beweglicher Boden zur Änderung der Wassertiefe sinnvoll sein, sodass dasselbe Becken vom Trainingsbecken für Kinder zu einem Übungsbecken für ältere Menschen verwandelt werden kann. 

Wie am Tegernsee wird diese Aufgabe nicht von einer Gemeinde allein zu stemmen sein. Es braucht eine gemeinsame Strategie mit Nachbargemeinden. Schmid hat das mit den Gemeinden im Nordkreis schon angesprochen. Ob Warngau, Otterfing oder Valley: Die kleinen Nachbarn profitieren über die Maße vom großen Bruder Holzkirchen. Aber Solidarität darf keine Einbahnstraße sein.

Schmid, der Anfragen für die Nutzung seines Oldtimer-Bads aus weit entfernten Gemeinden erhält, sieht längst die Zeit für gemeinsame Projekte über Kommunengrenzen gekommen. “Wir werden zukünftig auf lokaler Ebene viel genauer schauen müssen, was Daseinsvorsorge ist, und was nicht mehr leistbar ist. Angesichts so vieler neuer Anforderungen, die uns vom Land und Bund gestellt werden, können wir uns Luxus nicht leisten.” Und so wird auch in Holzkirchen von Wellness-Träumen wie Saunalandschaften und Whirlpools wohl Abstand genommen. 

Über 44 Millionen Euro für den Neubau der Mittelschule Holzkirchen Foto: Redaktion

Die Schwimmbad-Diskussion offenbart vor allem eines: Schleichend kommt auf hiesige Kommunen eine Diskussion zu: Wie unabhängig können kleine Gemeinden noch sein, wenn sie angesichts fehlender Einnahmequellen, zunehmender Pflichtversorgungen wie z. B. Kinderbetreuung nicht mehr in der Lage sind, weitreichende Projekte autonom anzugehen? Ein Beispiel:

Ganztagesbetreuung auch kommunale Aufgabe

Ab 1. August 2026 wird stufenweise bundesweit ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter eingeführt, zunächst für die Erstklässler im Schuljahr 2026/27, und weiter bis zum Schuljahr 2029/30, für alle Kinder der 1. bis 4. Klassenstufe. Damit wird der Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung für Kinder, ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zum Ende der Grundschulzeit, verlängert. Und am Ende wird es eine weitere kommunale Aufgabe werden.

Gerade Holzkirchen, einer der beliebten Ausweichorte für Familien aus der Stadt, wird hier investieren müssen. Die Zeiten voller Kassen sind vorbei. Die Investitionen der letzten Jahre müssen verdaut werden. Auch eine Marktgemeinde wie Holzkirchen, die erhebliche Steuereinnahmen aus der heimischen Wirtschaft zieht, wird sich überlegen müssen, wo ihre Prioritäten in den nächsten Jahren liegen müssen. Umso mehr gilt dies für kleinere, wirtschaftlich schwächere Kommunen im Landkreis. Südlich von Holzkirchen hat man schon Konsequenzen gezogen:

Waakirchen hat sich in einer Ratssitzung in der letzten Woche aus dem Arbeitskreis “Hallenbad” verabschiedet. Waakirchen sollte sich, so der Vorschlag des Arbeitskreises, mit 2,1 Millionen Euro an den Investitionskosten beteiligen und 110.000 Euro Unterhaltskosten pro Betriebsjahr beisteuern.  Das schaffen wir nicht, war die einhellige Meinung im Waakirchener Rat. „Wir sind nicht leistungsfähig mitzumachen. Wir müssen die Hosen runterlassen – wir sind draußen”, zitiert der Merkur ein Ratsmitglied.

Die Zeit für ambitionierte Freizeitbad-Träume – sie ist damit wohl endgültig vorbei.

Was wünscht Ihr Euch?

Das neue Hallenbad für das Tal braucht ...

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