Luftige Alternative zu Schwimmbad:-Neubau
Im Handumdrehen zum Tal-Hallenbad?

Seit Monaten plant eine Arbeitsgruppe ein kommunales Hallenbad. Der Bau des Plantsch-Projekts wird nach ersten Schätzungen 30 Millionen kosten. Geht das auch günstiger?

Traglufthallen für Freibäder – eine Alternative für das Tegernseer Tal? Foto: Paranet Deutschland

30 Millionen Euro – dafür gibt es fast zwei Realschulen, vier Mittelschulen oder anderthalb Kita-Zentren im Tegernseer Tal. 30 Millionen Euro soll der Bau eines interkommunalen Hallenbades in Bad Wiessee kosten.

Wer mit Bauten in öffentlicher Hand vertraut ist, weiß, dass es wohl deutlich teurer werden kann. Dazu kommen jährliche Defizite im Betriebsergebnis von geschätzt über einer Million Euro. Weil Bad Wiessee das alleine nicht stemmen kann, wurden andere Tal-Gemeinden ins Boot geholt, auch Waakirchen ist dabei. Die Kommunen sollen gemeinsam die Kosten für das Bad tragen, nach einem Finanzschlüssel. So steht es in einer Präsentation, die der zweite Tegernseer Bürgermeister, Dr. Michael Bourjau, für eine Arbeitsgruppe im letzten Jahr verfasst hatte. In Zeiten gestiegener Zinsen und immer noch hoher Baukosten ist das ein riskantes Spiel für die Kommunen.

Besser Baden, weniger Badetote

Nun ist so ein Bad kein Luxus. Hier trainieren im Winter die Wasserwachten, damit sie für den Sommer fit sind. Hier lernen Kinder Schwimmen. Doch das Tal mag auch ein Zuckerl: Attraktiv soll es schon auch sein. Das wünscht sich zumindest Josef Bogner vom Rottacher Verkehrs- und Verschönerungsverein:

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“Wir würden uns aber schon wünschen, dass es ein wenig mehr wird als ein ganz normales Bad.“ Für die Tourismus-Region solle, so schrieb er, der Neubau eine Attraktion darstellen. Auch in den Bürgerversammlungen wird regelmäßig der Wunsch nach einer Saunalandschaft laut. Gern werden von Kommunalvertreterinnen und Kommunalvertretern solche Projekte auch “hübsch” gerechnet, wie vor zwei Jahren in Fulda.

Schon jetzt ist vielen Bürgermeistern im Tal klar: Steht das Gebäude erst einmal, schleppt man über Jahrzehnte einen Kosten-Wackerstein am Haushaltshals, der künftige Generationen in den Kommunen durchaus belasten könnte.

Status-Quo der kommunalen Kassen

In Rottach-Egern steht das Rathaus-Projekt mit mehr als elf Millionen Euro an. In Tegernsee verdauen sie mit Mühe das 16 Millionen Feuerwehrhaus. Gmund will in Kita- und Seniorenpflege mächtig investieren. Bad Wiessee? Muss man nicht groß erklären. Der neue Gasthof zur Post, das Kita-Zentrum – das kostet viel. In Kreuth hat man schon nicht mehr genug Geld für eine TTT-Budget-Erhöhung von 60.000 Euro. Kurz: Wenn es nur ums Schwimmen gehen soll, das geht auch günstiger …

Im Tegernseer Tal gibt es zwei Warmbäder, eines in Rottach-Egern, eines in Kreuth. Wäre es nicht möglich, die auch im Winter zu nutzen?

Das Zauberwort lautet Traglufthalle. Eine von Überdruck und Stahlseilen gehaltene Konstruktion könnte das Becken eines der Freibäder im Winter überspannen. In Kommunen wie Neustadt an der Weinstraße (Rheinland-Pfalz) hat man seit zehn Jahren damit gute Erfahrungen gemacht. Ebenso in und um Berlin herum.

Spricht man mit den kommunalen Betreibern ergibt sich nach ihren Einschätzungen ein Kostenkorridor von 1,1 – 1,6 Millionen Euro für den Bau samt Technik (abhängig auch von der Bahnlänge). Das Membrandach wäre in jeweils zwei Tagen auf- und abbaubar. 35. 000 bis 45. 000 Euro jährlich sollen Montage und Lagerung kosten. Exakte Zahlen für die Betriebskosten hängen natürlich von der Nutzung ab und den gewünschten Featuren, auch hier kann man nach oben eskalieren: “Das ist wie beim Autokauf”, erklärt Christian Behm, Vertriebsleiter von Paranet Deutschland, die Traglufthallen vermieten. Wer sich für eine Traglufthalle entscheidet, kann aus zahlreichen Featuren wählen, etwa Solar-Protect-Schicht und anderen “Featuren” aufpeppt, dann sind die Kosten “nach oben offen”, erklärt Behm.

Wer auf moderne Energie-Gewinnungsformen setzt, kann die Kosten nochmal drücken, deutlich unter denen eines „klassischen“ Hallenbades, das über die Jahre immer wieder Renovierungsbedarf in der Bausubstanz anmelden wird.

In der Schweiz hat man schon länger auf dieses Konzept gesetzt. Ob Chur im Kanton Graubünden oder jüngst in Aarau im Kanton Argau – Traglufthallen sind für die Eidgenossen eine praktische Lösung, die gemeindeübergreifend Kosten spart und schnell umzusetzen ist. Auch in Frankfurt, Berlin und Umgebung greifen mehr und mehr Kommunen auf die Übergangslösung Traglufthalle zurück; übrigens auch für Turnhallen.

Vorteile:

Deutlich geringere Kosten. Der Aufbau und Abbau der Halle geschieht durch eine Firma. Die Konstruktion kann geleast bzw. vermietet werden.
Schnellere Umsetzung: Statt Jahre auf eine neue Halle zu warten, könnten die Tal-Kinder schon im nächsten Winter schwimmen. Wenig Eingriff in bestehende Bauten: Dank moderner Technik werden Verankerungen sehr schonend im Boden versenkt.
Umweltschonend. Zum einen werden deutlich weniger Materialien verwendet. Zum anderen sollen die Traglufthallen bis zu 40 Jahre einsetzbar sein und Material, wie Schläuche oder Türen können von Traglufthalle zu Traglufthalle recycelt werden.

Kreuth und Rottach-Egern eher skeptisch

Aber wo könnte so eine Traglufthalle eingesetzt werden? In Rottach-Egern, so sagt uns der Bürgermeister Christian Köck, habe der Betriebsleiter des örtlichen Freibads abgewunken. Die direkte Nähe zum See ist für eine solche Konstruktion zu risikoreich. Die Technik für das Warmbad liege unterhalb der Becken, Verankerungen seien nicht möglich. Zudem seien Umkleide- und Duschmöglichkeiten zu weit vom Becken entfernt, und auch fehlende Isolierungen würden dagegensprechen. Eine Traglufthalle könne die Anforderungen nicht abdecken.

Aber Einschätzungen von Firmen, die Traglufthallen vertreiben, wurden nicht eingeholt. Zudem stehen im Freibad Rottach-Egern in nächster Zukunft auch Renovierungsarbeiten an. Könnte man hier nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen? Köck winkt ab. “Als Idee ganz prima, aber wenn es zur Umsetzung kommen soll, stehen zu viele Dinge dagegen.”

Eine Gemeinde weiter: In Kreuth ist man auch skeptisch. Josef Bierschneider, Bürgermeister der südlichsten Gemeinde im Tal, sagt: “Auch bei uns in Kreuth würden sich die gleichen Probleme ergeben, wie in Rottach-Egern (fehlende Isolierungen zur Wärmehaltung, fehlende Beheizbarkeit des Fußbodens um das Becken, etc.). Darüber hinaus haben wir in Kreuth noch das zusätzliche Problem, dass unser Warmfreibad ausschließlich über eine Solar-Absorber-Anlage beheizt wird, die im Winter bei Schnee nicht verwendbar sind bzw. über die im Winterhalbjahr nicht die notwendige Wärme produziert werden kann. Das würde bedeuten, dass unser Bad komplett auf eine andere Heizung ausgerichtet werden müsste.”

Nun sind das sicher alles valide Punkte. Aber selbst wenn bisherige Freibäder saniert oder energetisch angepasst werden müssen, dürften im Ansatz nicht hohe zweistellige Millionenbeiträge dabei entstehen. Eine Gegenüberstellung der möglichen Konzepte ist bis dato nicht erfolgt. Für Kreuth könnte die Ortsmitte auch im Winter aufgewertet werden. Für Gastgeber wäre ein weiteres Angebot geschaffen worden. Motto: Nach dem Langlauf in Wildbad noch einmal die Muskeln im Wasser dehnen? Bei einer Lösung in Kreuth könnte das Holzschnitzel-Kraftwerk eine entscheidende Rolle spielen. Sicher mag der Anfahrtsweg für alle Rettungs- und Schwimmvereine rund um den See nach Kreuth groß sein. Aber besser als nach Holzkirchen zu fahren?

Endstation Brache – Gelände des einstigen Badeparks in Bad Wiessee. Foto: Redaktion

Bürgermeister Robert Kühn, der erst eine Bürgerbefragung durchführte, dann den maroden Badeparks abreißen ließ, hatte damit Fakten geschaffen, ehe er die anderen Gemeinden um Unterstützung für ein interkommunales Hallenbad bat.

Der 40-jährige Kommunalpolitiker gibt sich offen für eine Traglufthallen-Lösung. “Wir haben einen engagierten Arbeitskreis. Es ist sicher hilfreich, auch solche sehr sparsamen Lösungen anzusprechen. Uns ging und geht es immer darum, eine nachhaltige, für das ganze Tal offene Schwimmbad-Lösung herzustellen. Ob so ein Provisorium funktioniert, müssen die Gemeinderäte der Tal-Gemeinden letztlich entscheiden.”

Nicht schick genug?

Fakt ist: Bislang hat man sich in den Arbeitskreisen, wie auch auf Bürgermeister-Ebene, wenig bis gar nicht um diese kostengünstige Alternative gekümmert. Die Absage aus Rottach-Egern schien entmutigend genug zu sein.

Ausgewählte Gemeinderäte aus den sechs Kommunen planen weiter am 30-Millionen-Euro-Projekt. Wie wäre es mit einer neuen Runde mit externer Expertise? Eher unwahrscheinlich.

Vermutlich wird es beim 30-Mio-Neubau irgendwann in den nächsten Jahren bleiben. Warum? Man mag es am Tegernsee gern schick. Das darf dann auch mal etwas kosten, und man wartet gern. Das Tegernseer Tal ist ja eine Premium-Destination.

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