Normalerweise sucht man als Journalist händeringend nach Gesprächspartnern. Wer ist bereit, über seine Erfahrungen in der Pandemie zu sprechen? Nun kommen drei junge Frauen auf uns zu, wollen sich ihren Frust von der Seele reden, zeigen, wie wenig sie sich von der lokalen und der Bundespolitik wahr- und ernstgenommen fühlen. Katharina Gerold (22) , Julia Schmeizl (20) und ihre Schwester Leonie (15) haben genug.
“Seit November sind wir in einem quasi Dauerlockdown. Es scheint kein Licht am Ende des Tunnels zu geben”, beklagt die Tegernseerin Gerold. Aber warum jetzt klagen, wo doch mit der zunehmenden Impfquote eine Besserung nahe scheint? “Es hat mich aufgeregt, dass in der Öffentlichkeit und von der Politik fast nur von den Nöten der Kinder und der Alten gesprochen wird. Für uns als junge Menschen, die von Corona zumindest gesundheitlich erst einmal weniger betroffen sind, gibt es keinen Plan B oder alternative Lösungen”, klagt Julia Schmeizl. Sie fordert von den örtlichen Politikern Mut zu Schnelltest-Verfahren, um im Tal wenigstens in kleinem Maße und kontrolliert Kneipen und Geschäfte zu öffnen.
Zeit spielt bei Jugendlichen eine andere Rolle
Von ihren Freundinnen weiß Katharina Gerold, dass die Situation an den Unis noch schlimmer sei. “Man fühlt sich von der Politik echt nicht repräsentiert. Ich habe von Herrn Radwan (CSU-Bundestagsabgeordneter) nie irgendetwas in unsere Richtung gehört”, moniert sie, betont auch, dass es nicht nur um Radwan geht, sondern auch den anderen Entscheidungsträgern im Oberland. Gerolds Frust sitzt tief. Sie arbeitet in einem Rottacher Einrichtungshaus:
Ich stehe auf, arbeite, komme heim und gehe schlafen. Das ist es. Das ist mein Leben – und zwar seit vielen Monaten. Wir haben keine Möglichkeit, Menschen kennenzulernen, hängen nur vor unseren Laptops.
Auch Leonie findet, dass besonders die Ausgangssperre die jungen Menschen trifft, “vielleicht auch bewusst treffen soll, weil ältere Menschen eben meist früher ins Bett gehen.” Tatsächlich merken wir im Gespräch mit den drei jungen Frauen, wie weit weg wir von der Lebenswirklichkeit der Jungen diskutieren, die nicht die Existenz und die Gefährlichkeit des Virus infrage stellen, vielmehr sich mehr Flexibilität bei den Maßnahmen wünschen.
“Man segelt in das Illegale”
Ganz selbstverständlich nehmen wir seit über einem Jahr dieser Bevölkerungsgruppe Lebensqualität, die zum Jungsein gehört. Wir vergessen leicht, dass der Faktor Zeit für die Jungen einfach anders verläuft. Ein Monat, ein Jahr ist eine andere Größe, wenn man jung ist. Kann man abtun, führt aber zu Frust. “Man segelt”, sagt eine unserer Gesprächspartnerinnen, “einfach in das Illegale, verstößt gegen die Auflagen, weil man es nach Monaten auch nicht mehr aushält, seine Freunde nicht mehr zu treffen und abzuhängen.”
Es stünde der Politik, namentlich einem Alexander Radwan, einem Landrat und auch den Jugendorganisationen der Parteien sehr gut zu Gesicht, sich mit den Fragen und Klagen dieser jungen Menschen auseinanderzusetzen – zumal vor einer Wahl. Klar, die Politiker haben viel um die Ohren. Aber in diesem Gespräch wurde deutlich, wie sehr Frust zu politischer Wut führt. Eines ist auch klar: Kathi, Julia und Leonie äußern und wehren sich jenseits von Kerzen aufstellen und Huperei. Sie lassen sich, das betonen sie alle drei, “nicht von AfD-Rattenfängern einfangen”, wollen aber von etablierten Parteifunktionären, sagen wir es neudeutsch, ‘abgeholt’ werden. Ob sich irgend jemand aus der aktuellen Politik bei diesen Frauen meldet?
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