Nun, ganz ehrlich, bei uns daheim sah es an Weihnachten immer völlig anders aus. Schon seit Tagen liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren, sollte vor den Feiertagen schließlich alles im Haus halbwegs aufgeräumt und geputzt sein. Der Christbaum passte meist nicht recht ins Wohnzimmer, war entweder zu groß oder zu klein, manchmal auch ziemlich krumm. Die Hälfte der Christbaumkugeln vom Vorjahr hatte die Lagerung im Dachboden nicht heil überstanden und meine Mutter schlug angesichts der vielen Scherben jedes Mal die Hände über dem Kopf zusammen. An den kleinen Holzengeln aus dem Erzgebirge fehlte immer irgendetwas: mal ein Bein, mal ein Arm, mal ein Flügerl.
Während wir den Baum trotzdem nach unseren Möglichkeiten schmückten – dicke Strähnen silbernen Lamettas mussten unbedingt dabei sein – lief mein Vater beim Kochen zu Hochform auf. Schließlich sollte der Schinken im Brotteig diesmal Weltklasse werden. Betreten der Küche war also strengstens verboten!
So blieb uns Kindern am Nachmittag noch genügend Zeit, unsere selbstgemachten Geschenke an die Eltern zu verpacken. Ein gestricktes Nadelkissen für die Mama fand ebenso in rotgoldenes Papier samt Schleife wie das Schlüsselbord für Papa. Uns wäre damals nie in den Sinn gekommen, die Geschenke einfach nur zu kaufen. Sie sollten doch unsere eigene Handschrift tragen, etwas ganz Persönliches oder zumindest persönlich Gefertigtes sein. Die Geste war viel wichtiger als der materielle Wert der Dinge.
Je mehr die Zeit bis zur Bescherung schwand, umso mehr wuchs unsere Nervosität. Ob sich die Eltern wohl über die Päckchen freuen würden? Und welche Wünsche diesmal mit den Geschenken für uns unterm Christbaum in Erfüllung gehen würden?
Während es aus der Küche inzwischen stoßweise rauchte und ein beißender Geruch nach verbranntem Teig die Luft erfüllte, machten wir Kinder uns für den Familiengottesdienst am Nachmittag zurecht. Heuer durften wir die Hirten spielen – endlich! Und während wir in den unbequemen Holzbänken der Kirche auf unseren Auftritt warteten und dabei versuchten Kringel in die eisige Luft zu hauchen, geschah etwas Seltsames, nicht Erklärbares: Mit jeder Liedstrophe, die wir unbekümmert mitsangen, verlor sich unsere Aufregung und Anspannung. Eine feierliche Fröhlichkeit breitete sich in uns aus. Und spätestens, wenn wir vorne beim Altar stolz und zugleich ein bisserl unsicher unsere hundertfach geübten Sätze verkündeten und unsere Hirtenstäbe zu einem „Kommt, lasst uns gehen!“ hoch in die Luft schwangen, da war es, als wäre die frohe Weihnachtsbotschaft genau an diesem Abend in dieser Kirche in uns hineingeboren worden.
Mit glänzenden Augen trugen wir die brennenden Kerzen in unseren Laternen nach Hause. Dort hatte sich das Drama des verbrannten Schinkens schon in die Verheißung von schnell erwärmten Wienern, Debrezinern und Regensburgern verwandelt und wir drängten uns hungrig und glücklich um den festlich gedeckten Küchentisch mit seinem schlichten Mahl. Endlich fiel auch von meinen Eltern die Anspannung ab und es wurde ein heiteres Essen mit größter Vorfreude auf die anschließende Bescherung.
Wir Kinder durften im Gang warten, bis das Glöckchen ertönte. Stürmten dann ins Wohnzimmer, kurz in den Augenwinkeln den herrlich leuchtenden Christbaum erhaschend, die Augen aber nur auf die bunten Geschenke am Boden gerichtet. In Windeseile waren sie ausgepackt und die Begeisterung über neue Ski, einen Holzschlitten und das kleine Puppenhaus stand uns in die Gesichter geschrieben. Unsere Eltern waren mindestens ebenso gerührt, als sie die kleinen selbstgemachten Gaben von uns Kindern auspackten.
Und inzwischen konnte auch unsere Mutter über die leicht lädierten Christbaumengerl schmunzeln und unser Vater tüftelte schon wieder darüber nach, wie er im nächsten Jahr nun wirklich den weltbesten Schinken im Brotteig zaubern konnte. Wir Kleinen aber futterten uns selig durch die schier unerschöpflichen Vorräte an Weihnachtsplatzerl und Lebkuchen und träumten schon von all dem gemütlichen Zeitvertreib, den die Feiertage und die darauffolgenden Weihnachtsferien versprachen …
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