Heißes Pflaster

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gegen lästiges Unkraut auf öffentlichen Flächen ist seit einigen Jahren verboten. Die Alternative: Heißes Wasser. Wie heute berichtet, macht es Wiessee seit einigen Jahren vor. Aber wie handhaben es die anderen Talgemeinden?

In der Wilhelminastraße in Bad Wiessee sprießt das Kraut.
In der Wilhelminastraße in Bad Wiessee sprießt das Kraut, sobald es warm wird / Archivbild

Wer Chemie gegen Unkraut einsetzt, wird dafür schon seit Jahren mit hohen Geldbußen geahndet. Denn chemische Vernichtungsmittel sind auf befestigtem Grund per Gesetz für Gemeinden tabu. Landrat Wolfgang Rzehak hat dazu extra eine Dienstanweisung erlassen. Der Umwelt zuliebe, versteht sich. Von dem Verbot sind sowohl Schulen, das Krankenhaus Agatharied als auch die VIVO, das Kommunalunternehmen für Abfallvermeidung, betroffen.

Dabei sprießt das unerwünschte Grün auf den öffentlichen Gehwegen und Straßen im Tegernseer Tal Jahr für Jahr. Büschelweise sucht sich das Unkraut seinen Weg durch den Asphalt. Gärtner und Bauhofmitarbeiter sind gefordert und rücken dem Kraut teilweise sogar händisch zu Leibe. Weil die Gemeinde Bad Wiessee von der Regierung von Oberbayern vor ein paar Jahren sogar abgemahnt wurde, weil sie ein Unkrautvernichtungsmittel mit dem bedenklichen Inhaltsstoff Glyphosat verwendete, brach deshalb in Wiessee mal eben kurzerhand der Wildwuchs aus.

Anzeige

Unkraut vergeht nicht (von allein)

Das Verbot stellte die Wiesseer damals vor eine große Herausforderung. “Wir hatten Probleme mit der Entfernung”, erklärte Klaus Schuschke vom Wiesseer Ordnungsamt vor einiger Zeit auf Nachfrage. Denn das Gift sei natürlich viel wirksamer gewesen als eine händische Entfernung, bei der die Mitarbeiter oft stundenlang auf Knien “durch den Ort rutschen” mussten.

Dennoch hatte Schuschke Verständnis für die “Anweisung von oben”. Denn über die Leitungssysteme war das Gift, das zur Unkrautbeseitigung eingesetzt wurde, direkt in den Tegernsee gelangt. Geschäftsleiter Michael Herrmann sieht das Ganze dagegen unter einem anderen Aspekt. Er weiß, welch finanzieller Aufwand es ist, dem Unkraut Herr zu werden, seit das Gift nicht mehr erlaubt ist.

Alle paar Monate rücke in Wiessee jetzt die Spezialfirma “pro communa AG” mit einem High-Tech-Gerät an, um die Pflanzen mit heißem Wasser zu übergießen und mittels Hitze abzutöten. Denn ab 42 Grad Celsius sterben die pflanzlichen Eiweiße ab, wie der Teamleiter Vertrieb der “pro communa AG”, Franz Höhensteiner, auf Nachfrage erklärt.

Wasser statt Chemie

Herrmann dagegen sieht in der thermischen Methode den Nachteil, dass sie nicht so wirksam ist wie die chemische. Will man nämlich einen ähnlichen Effekt erzielen, müsste das Unkraut mit dem heißen Wasser eigentlich wöchentlich übergossen werden. Vor allem verursache diese Methode mehr Kosten, so der Geschäftsleiter. Denn die Fremdleistung werde nach Arbeitsstunden abgerechnet. 12.000 Euro kostet das Bad Wiessee im Jahr. Natürlich sorgt sich auch Herrmann um die Umwelt, gibt aber eins zu bedenken:

Gift ist nie gut, aber auf die Folgeschäden schaut niemand!

Abgesehen davon, dass sich das Unkraut von Jahr zu Jahr weiter vermehre, wenn es nicht vollständig eliminiert werde und es zudem nicht gut ausschaue, sei zusätzlich damit zu rechnen, dass der Teer Risse bekomme und durch die Macht der Wurzeln sogar Gehsteige angehoben werden könnten.

Dass sich die Gemeinde selbst ein solches High-Tech-Gerät, das bisher aufgrund seiner Sensorik und des großen Flächeneinsatzes einzigartig in Süddeutschland ist, zur Unkrautvernichtung anschaffen wird, schließt Herrmann aus, weil er es für unwirtschaftlich hält. Zwischen 200.000 und 250.000 Euro müsste die Gemeinde nämlich für eine solche technisch hochausgetüftelte Unkrautlösung hinblättern.

Heißwasser-Methode in Kreuth

Im Kreuther Gemeindegebiet wendet man die Heißwasser-Methode schon seit Jahren an. Auch dort hatte man erst einen Drittunternehmer mit der Unkrautvernichtung beauftragt, was sich aber letzten Endes nicht als rentabel erwies. So kaufte sich die Gemeinde im letzten Jahr ein eigenes Gerät.

Keine High-Tech-Kehrmaschine, sondern ein Aufsatzgerät mit Sprühfunktion für den Unimog. Damit das Unkraut allerdings dauerhaft verschwindet, müsse man zwei- bis dreimal in der Vegetationsperiode – von Mai bis August – das Unkraut mit heißem Wasser besprühen, erklärt Kreuths Bürgermeister Josef Bierschneider.

Das Gerät kostet zwischen 10.000 und 20.000 Euro und ist langfristig viel rentabler.

Den Hype aus dem Landratsamt kann Bierschneider nicht nachvollziehen. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sei schon seit Jahren nicht mehr zulässig.“ Warum ausgerechnet jetzt so ein Wirbel um das Verbot gemacht werde, verstehe er nicht.

Gmund setzt auf Metallbesen und Feuer

Auch in Gmund verwendet man seit mindestens acht Jahren kein Glyphosat mehr. Um hier dem unerwünschten Grün Einhalt zu gebieten, setze man neben einer Maschine mit einem Metallbesen auch Feuer gegen das Wildkraut ein, weiß Geschäftsleiter Florian Ruml. “Unser Hausmeister hat dafür eine Gaskartusche, mit der die Pflanzen verbrannt werden.“

Außerdem sei man Mitglied in einem Zweckverband, der für die Landschaftspflege zuständig sei, und der die Aufgabe der Unkrautvernichtung zweimal im Jahr für die Gemeinde übernehme. Dem Zweckverband gehören insgesamt 104 Gemeinden an. Darunter auch Tegernsee, Bad Wiessee, Kreuth und Rottach.

Ebenso setzt man in Rottach-Egern aufs Handwerk. Die Bauhofmitarbeiter reißen das Gewächs hauptsächlich mit bloßer Hand aus dem Boden, weiß Bürgermeister Christian Köck: “Da gibt es welche, die sich stundenlang hinknien und das rausrupfen.”

Tegernsee hat Stadtgärtner

In Tegernsee geht man größtenteils noch per Hand gegen das Unkraut vor. Ein Team aus 18 Bauhof-Mitarbeitern, darunter Angestellte einer Gärtnerei, ist stetig dahinter, die vielen Beete, den Friedhof und die Straßen zu pflegen. Heißes Wasser wird nicht eingesetzt.

Für Tegernsee zu teuer – die Maschine von “pro communa”

Diese Möglichkeit gebe es zwar, wie Tegernsees Stadtgärtner Anian Hölzl sagt, aber die Kosten für die Nutzung einer geeigneten Maschine, wie sie das Unternehmen “pro communa” anbietet, seien einfach zu hoch. Deren Dienstleistung nur ein paarmal jährlich in Anspruch zu nehmen, sei zudem zu wenig. “Das Gerät müsste auf jeden Fall öfter eingesetzt werden, damit es den gewünschten Erfolg bringt.”

Ob Gas- oder Bunsenbrenner, Infrarot-Wärmestrahlen, Unkrautbürsten oder die jätende Hand der Bauhof-Mitarbeiter – wirklich zufriedenstellend scheinen die Alternativlösungen zur chemischen Bekämpfung jedenfalls nicht für jeden zu sein.

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Allgemein

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner