Doch was passiert, wenn in Kürze Asylbewerber in dieser Halle einziehen? Wie läuft das ab, was macht die Stadt, kann man helfen? Wir haben nachgefragt.
Am Dienstagabend hieß es noch, dass 40 Asylbewerber an diesem Freitag in der Tegernseer Turnhalle einziehen sollen. Doch bereits am Mittwoch änderten sich die Rahmenbedingungen. Noch hat der Landkreis 15 Plätze frei, unter anderem in der Holzkirchner Containersiedlung. Doch wenn diese aufgebraucht sind, werden die neuen Flüchtlinge ins Tegernseer Tal geschickt.
Für den Tegernseer Bürgermeister Hans Hagn ist das zwar eine große Herausforderung. Aber eine, die man gemeinsam bewältigen kann. „Wir haben eine Tradition, was die Flüchtlingshilfe betrifft.“ Dies, so der CSU-Politiker, habe insbesondere damit zu tun, dass das Tal das große Glück hatte, im Krieg verschont geblieben zu sein. Ein idealer Zufluchtsort also.
Viele der Flüchtlinge kehrten irgendwann auch wieder in ihre Heimat zurück. Laut Hagn waren es weniger als 1.000 Personen, die sich damals entschlossen, hier zu bleiben. Einige von ihnen etablierten sich schließlich und wurden angesehene Bürger. Vor diesem Hintergrund sieht Hagn die aktuelle Situation und den Zuwachs an Flüchtlingsfamilien auch als Bereicherung. Doch auch der Stadt sei laut Hagn der Umfang der Aufgabe bewusst.
Es handelt sich um ein äußert schwieriges Unterfangen.
Einen genauen Termin für die Ankunft der Flüchtlinge gibt es nicht. Es wird alles unvermittelt und sehr kurzfristig ablaufen – dann gilt es, schnell zu reagieren: „Wir müssen vom schlimmsten Fall ausgehen“, so Hagn. Auf verschiedene Szenarien will die Stadt vorbereitet sein: Die Menschen brauchen warme Kleidung. Die Kolpingfamilie hatte erst vor Kurzem eine große Kleidersammlung veranstaltet, davon möchten sie etwas zur Verfügung stellen.
Erste Anlaufstelle: Gemeindesaal
Nächster Schritt ist die Notunterkunft. Die städtische Turnhalle muss schnellstmöglich bereitgestellt werden. Das kann zwei bis drei Stunden dauern. Hagn möchte auf jeden Fall vermeiden, dass sich die ankommenden Personen schutzlos in der Kälte herumdrücken müssen. Im katholischen Gemeindesaal sollen sie mit Kaffee und Kuchen empfangen werden. Dort sollen auch die Namen und Daten der Flüchtlinge aufgenommen werden.
Doch mit der Ankunft in der Turnhalle gibt es die ersten Herausforderungen: Dort werden die Neuankömmlinge mit vielen Problemen konfrontiert, schließlich herrscht keine echt Homogenität. Jung und alt, Muslime, Christen sowie verschiedene Ethnien leben dort auf engstem Raum. Die sprachliche und kulturelle Barriere ist dabei sowohl für sie, als auch für die Helfer ein Problem. Ferner haben viele der Flüchtlinge schlimme Schicksale hinter sich, sind von ihren Familien getrennt und teilweise schwer traumatisiert.
Helfende Hände aus allen Ecken
Die Stadt versucht daher alles, um Vorkehrungen zu leisten und vorbereitet zu sein für das, was kommen könnte. Doch genau das ist der Haken: Was genau erwartet die Gemeinde? Wie geht man mit den Personen um? Das weiß aktuell noch keiner so genau. Schließlich hat man kaum Erfahrung in diesem Bereich, wie Hagn betont: „Wir sind auf viele Freiwillige angewiesen.“
Neben Dekan Walter Waldschütz gaben dafür bereits die Kolpingfamilie, die AWO sowie die evangelische Kirche ihre Zusage. Auch mit der Freiwilligen Feuerwehr und dem Bauamt sei man bereits in Verbindung. Ferner will der Direktor des Tegernseer Gymnasiums zusammen mit engagierten Schülern helfen. Laut Hagn wollen sich die Verantwortlichen an der Schule demnächst intensiv mit der Frage auseinandersetzen, was die Personen, die mit „Schäden an Körper und Seele“ in einer unbekannten Umgebung ankommen, benötigen könnten, um möglichst „weich zu landen“.
Viel Koordinationsarbeit – ein Ansprechpartner
Neben seelischer Unterstützung hofft man in Tegernsee dabei auch auf Sachspenden. Doch wie können diese die Asylbewerber erreichen? Um solche Fragen zu beantworten, möchte Hagn einen Ansprechpartner, einen „Asylkoordinator“, verpflichten. Dazu habe er bereits eine bestimmte Person ins Auge gefasst – derjenige wisse jedoch noch nichts von seinem Glück.
Wer wann zum Einsatz kommt, soll schließlich telefonisch geregelt werden. Idealerweise werde durch diese „Meldekette“ mit der Zeit eine Art Automatismus entstehen. Wenn ein Helfer im Moment unabkömmlich ist, sollen andere, auf möglichst einfachem Weg, zu erreichen sein und dabei wissen, was zu tun ist. Ferner sollen Checklisten geführt werden, um sich auf weitere Situationen besser einstellen zu können.
Platz für die Asylbewerber – nur wo?
Für die Hilfe vor Ort ist die Stadt Tegernsee zuständig – die Organisationsarbeit obliegt dem Landratsamt Miesbach. Doch auch dort sei man laut Hagn „heillos überfordert.“ Das Problem sei, dass man ursprünglich von 90 Asylbewerbern, welche auf den Landkreis aufgeteilt werden müssen, ausging. Doch nun, seit zu der Gefahrenzone Syrien der Terror durch die IS hinzukam, ist die Zahl der Bewerber erheblich gestiegen: Die Rede ist von bis zu 600 Personen.
Wie komplex das Thema Flüchtlingshilfe ist, wird jedoch genau dann deutlich, wenn die Asylbewerber einen Platz zugewiesen bekommen und Wohnungen beziehen müssen. Hagn erklärt das Dilemma:
Natürlich haben wir eine Quote zu erfüllen und das wollen wir auch. Gleichzeitig haben wir lange Wartelisten auf unsere Wohnungen.
Die richtigen Probleme kommen allerdings laut Hagn erst dann, wenn die Bewerber anerkannt werden, also einen Status mit Bleiberecht, meist bis zum Ende der Krise, erhalten. Von diesem Zeitpunkt an gilt der Flüchtling als normaler Bürger. Plötzlich sind die Menschen auf sich allein gestellt – auf spezielle Hilfe haben sie dann keinen rechtlichen Anspruch mehr.
Umso wichtiger sei es, dass die Freiwilligen ihnen dabei helfen, Selbständigkeit zu erlangen. Schließlich müssen die Heimatfremden eine Arbeit und eine eigene Wohnung finden. Diese und die anderen Herausforderungen seien auch der Grund dafür, warum viele andere Talgemeinden so zögerlich mit dem Thema Flüchtlingshilfe umgehen.
Dennoch steht fest: Tegernsee muss und will helfen. „In der Theorie haben wir alles besprochen, wie das dann in der Praxis funktioniert, bleibt abzuwarten“ , so Hagn abschließend. Es sei klar, dass anfangs nicht alles ganz reibungslos ablaufen könne. Erfreulicherweise hätten sich immer mehr dazu bereit erklärt, zu helfen. „Das spricht für das Tal.“
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