Bad Wiessee:
Trinkls Ferienwohnung eine Spezl-Nummer?

Birgit Trinkl, Vize-Bürgermeisterin in Bad Wiessee und erfolgreiche Unternehmerin soll im Gemeinderat Bad Wiessee – ohne Diskussion – ihren Bau durchgebracht haben. Ein Skandal? Eher nicht.

Sitzungssaal Gemeinde Bad Wiessee – hier wurde Trinkls Bau nicht besprochen. / Foto: Redaktion

Bauanträge werden in Bauausschüssen und Gemeinderatssitzungen zuweilen mit großer Verve diskutiert. Hier passt dem einen der Giebel nicht, dort wird die Gesamtoptik (“zu massiv”) kritisiert. Dabei geht es immer darum, ein „gemeindliches Einvernehmen” herzustellen, also die Zustimmung der Kommune. Schon mancher Bauplan wurde hier in der Luft zerrissen. Das kann Zeit und Geld kosten, wenn die Räte um eine “weitere Runde”, also eine Nachbesserung bitten.

Landratsamt genehmigt

Nun steht aber das Landratsamt als genehmigungsführendes Organ darüber. Salopp gesagt: Ober sticht Unter, Miesbach hat das Sagen. Kommt da kein grünes Licht, bleibt der Kommune nur der Klageweg mit unsicherem Ausgang für beide Seiten. Das will keiner. Lieber soll so ein Prozess möglichst geräuschlos verlaufen. Hat man einen versierten Bauamtsleiter, der „die Dinge” auf dem kleinen Dienstweg regeln kann, kann man schon einmal mühsame Sitzungen vermeiden. Da kann es auch hilfreich sein, wenn man nicht als einfacher Bittsteller ins Rathaus geht, sondern als Gemeinderat, respektive Gemeinderätin. Illegal ist das nicht. Unüblich schon eher. Den Gemeinderat zu umgehen, ist halt eher nicht so demokratische Etikette. Aber genau das soll in Bad Wiessee passiert sein. 

Birgit Trinkl ist der Empfehlung der Verwaltung gefolgt / Quelle: Birgit Trinkl

Die Gemeinde soll auf dem kurzen Dienstweg durch den damaligen Zweiten Bürgermeister, Robert Huber, ihr Einvernehmen zum Bau des Ferienwohnungskomplex‘ von Birgit Trinkl erteilt haben. Konkret: Birgit Trinkl reichte am 3. Dezember 2018 einen Neubauantrag bei der Gemeinde ein. Eine Woche später lag bereits eine Stellungnahme durch den damaligen Bauamtsleiter Helmut Köckeis vor.

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Bauamtsleiter Helmut Köckeis

Der Chef aller Bauvorhaben war von 2003 bis 2019 im Amt. Er nickte das Bauvorhaben ab, es entspräche aus seiner Sicht dem Bebauungsplan. Auch eine Abweichung von der Ortsgestaltung befand das Wiesseer Bauamt für okay. Am 4. April 2019 stimmte der Helmut Köckeis überdies einer beantragten Überschreitung der zulässigen Grundfläche um 27,42 Quadratmeter zu. Am 23. April 2019 segnete Robert Huber eine neu eingereichte geänderte Planung ab, und am 15. Mai 2019 erteilte das Landratsamt Miesbach schließlich die Baugenehmigung. Zwischen der ersten Einreichung und dem endgültigen „Go“ durch Miesbach vergingen nicht einmal sechs Monate. Das ist schnell. Mit vielleicht zwei oder drei Sitzungsrunden hätte Trinkl nicht vor dem Sommer mit dem Bau beginnen können. Alles hätte sich verzögert. Hinzu kommt: Trinkl hatte einen Speicher-Ausbau vor der Genehmigung durchführen lassen. Also erst bauen, dann genehmigen – das kennt man sonst nur vom Betonbaron Haslberger.

Könnte das eine Vorteilsnahme gewesen sein? In einer Stellungnahme, die der Bürgermeister vor einer Woche verschickte, sagt die Gemeinde: „Das gesamte Verfahren fand ohne Gremiumsbeteiligung statt. Dieser hier beschrittene Weg zur Erlangung der Baugenehmigung erfüllt alle gesetzlichen Vorgaben, ist allerdings unüblich und selten.“ Somit nicht illegal, aber auch nicht schön? 

Aufgedeckt hat das der CSU-Fraktionschef Florian Sareiter. Das ist gute Arbeit der Opposition im Wiesseer Gemeinderat – könnte man meinen. Und natürlich wirft das erst einmal ein schlechtes Bild auf die Arbeit des einstigen Bauamtsleiters wie auch des damaligen Bürgermeisters und seinen Vertreter. Der aktuelle Amtschef Robert Kühn kann nur mit den Schultern zucken. Als das alles passierte, verkaufte er noch Schuhe in der Münchner Straße. Aber da sind ein paar unklare Punkte. Hat jemand mit dem einstigen Bauamtsleiter gesprochen? Und was könnten eigentlichen Beweggründe für diese verspätete Investigativ-Arbeit des CSUlers aus Bad Wiessee erklärten?

Der öffentliche Dienst hat eine wichtige Funktion im Gemeinwesen. Gerade leitende Angestellte in sensiblen Bereichen kommt eine große Verantwortung zu. Sie sind immer wieder Korruptionsvorwürfen ausgesetzt. Sätze wie “Wer nach seiner Zeit als Gemeinderat ohne Baugrund da steht, hat was falsch gemacht”, insinuieren eben diese Möglichkeit der Bestechlichkeit, mindestens aber der Mauschelei. Helmut Köckeis, der einstige Bauamtsleiter in Bad Wiessee, hat nun erst durch die Zeitung von dem Fall Trinkl erfahren.

Am 12. 12. 2023 schrieb er dem Bürgermeister Robert Kühn, und der Brief hat es in sich. Nach seiner Darstellung lief alles richtig. Er, Trinkl wie auch der damalige Bürgermeister und dessen Vertreter, hätten alles richtig gemacht: Köckeis in dem Schreiben an Kühn: “Frau Trinkl hat als damaliges Mitglied des Gemeinderats bei der Antragstellung sowie auch im weiteren Verfahrensverlauf eigentlich alles richtig gemacht. Auch Herr Huber hat sich als damaliger Stellvertreter des Ersten Bürgermeisters völlig korrekt verhalten.”

Köckeis erklärt auch noch mal, wie sich alle Beteiligten an die Verfahrensvorgaben gehalten hatten. Ferner erinnert er an die damaligen Wünsche des einstigen Rats nach mehr Tourismus: “Ich darf daran erinnern, dass der Gemeinderat selbst auf Antrag des ursprünglichen Grundstückseigentümers, Herrn Erlacher, grundsätzlich bereits zugestimmt hat, auf dem Grundstück auch dem Neubau einer Eigentumswohnanlage zuzustimmen (!) unter der Voraussetzung, dass zusätzlich auch ein touristischer Betrieb auf der Fläche entsteht. Dazu gibt es auch einen entsprechenden Beschluss. Tourismus war damals noch das Nonplusultra für die Gemeinde, und abgesehen von den o.g. rechtlichen Modalitäten wollte die Verwaltung schon aus diesem Grunde eine zügige Behandlung des Bauantrags nicht blockieren.”

Zusammengefasst: Alles der Norm entsprechend abgelaufen und der Rat wollte das auch so.

Und dann wird Köckeis doch noch einmal emotional: “Was ich nicht verstehe ist, warum sich in dieser Sache bisher niemand die Mühe gemacht hat, mich um eine Stellungnahme zu bitten. Es wird hier nur über mich gesprochen, jedoch nicht mit mir. Ich glaube, dass ich in meiner Zeit als Bauamtsleiter 2003- 2019 doch einiges Positive für die Gemeinde bewirken konnte und habe deshalb kein Verständnis dafür, wenn nach meinem Schlusspfiff jetzt noch nachgetreten wird. Das hätte es nicht gebraucht.”

Wenn das stimmt, ist das natürlich fragwürdig. Warum hat die aktuelle Führung der Gemeinde sich nicht mit dem Vorgänger ins Benehmen gesetzt? Robert Kühn sah dazu keine Veranlassung: “Wir haben ja keine Vorwürfe gemacht. Die Verwaltung hat den Vorgang neutral dargestellt, so wie es die Aktenlage zeigt. Mehr war aus unserer Sicht nicht erforderlich.”

Warum sprach Florian Sareiter nicht mit Köckeis, bevor er seine Vorwürfe mehrfach und recht hartnäckig vortrug? / Quelle: Redaktion

Ein Rückblick: 

Seit 2014 saß neben dem Bürgermeister Peter Höß (FW) im Sitzungssaal der Gemeinde Bad Wiessee regelmäßig Florian Sareiter, ab 2020 in seiner Funktion als Fraktionschef. Der Sparkassen-Angestellte wohnte länger mit seiner Familie nicht weit vom Trinkl-Bau entfernt. Er dürfte oft genug auf dem Weg zur Arbeit den Bau gesehen haben. Aber weder 2019, noch in den darauffolgenden Jahren machte Sareiter auf die ungewöhnliche Genehmigung des Trinkl-Baus in der Verwaltung oder in Sitzungen aufmerksam. 2020 – ein neuer Bürgermeister in Bad Wiessee ist gewählt. Sareiter bewirbt sich, scheitert extrem knapp. Als Zweitplatzierten stünde ihm, so glauben viele seiner Unterstützer und auch er selbst, der Platz des 2. Bürgermeisters zu. Doch Kühn, will Frauen stärken, wählt Birgit Trinkl als seine Stellvertreterin aus. Das wurde dann auch vom Gemeinderat bestätigt. Diese Schlappe muss Sareiter geschmerzt haben. Seitdem bleiben dem CSU-Chef wenig Möglichkeiten, sich im Ort darzustellen. Wurde hier eine alte Rechnung beglichen? 

Goodies für den Gemeinderat

Einerlei – der Fall ist in der Welt. Er wirkt wie ein Geist aus der Vergangenheit auf die jetzigen Gremien, denn nun tauchen immer neue Gerüchte auf. Das Bauamt in Bad Wiessee soll auch bei anderen Projekten im Ort eher den “kleinen Dienstweg” gesucht haben, Ausnahmen zugelassen haben. Aber Belege kann derzeit keiner liefern. Man raunt. Und ein pensionierter Bauamtsleiter wie Köckeis kann sich dagegen kaum wehren.

Nun ist so eine Geschmäckle-Nummer nicht auf das Westufer beschränkt. In anderen Gemeinden des Tegernseer Tals sollen Gemeinderäte und 2. Bürgermeister für einen Neubau im Außenbereich Sondergenehmigungen von einer bestehenden Ortssatzung bekommen haben. Alles legal. Und auch solche Goodies gab es nie nur für Gemeinderäte allein: Nicht nur sie können von diesen baurechtlichen Abkürzungen profitieren. Auch andere Cleverle, die das Spiel beherrschen, Verbindungen, Netzwerke haben, profitieren. Da fließt kein Geld, da wird kein Urlaub finanziert. Das läuft auf der zwischenmenschlichen Ebene. Man kennt sich, man hilft sich. Nun ist es aber so, dass eine Bauverzögerung durch Gremien-Diskussionen einem Bauwerber erhebliche finanzielle Schäden verursachen kann. Jene, deren Vorhaben in die Länge gezogen werden, schauen dann mit Neid auf die Bauten, die schnell und unkompliziert umgesetzt werden dürfen. Dazu zählt ein Bau in der Seestraße von Bad Wiessee. Optisch fügt sich der Doppelglaskasten eines Unternehmers wie ein Dixie-Klo im Kolosseum in die Umgebung ein. Kaum steht das da, ziehen all jene, die damals in den Gremien jeden Schritt abgenickt hatten, die Schultern hoch und tun verwundert.

Oder der Brenner-Park im Ortsteil Abwinkl. Der Grund gehörte dem einstigen Gemeinderat und Gastronomen Jupp Brenner. Auf dem Biergartengelände entstand ein Senioren-Ghetto für Vermögende, viel zu eng und massiv bebaut. Regie führte das Unternehmen Planquadrat. Auch hier zeigte sich der damalige Bürgermeister nach Bau-Vollendung verwundert. So habe er sich das nicht vorgestellt. Das Unternehmen Planquadrat sitzt und zahlt seine Steuern nunmehr in Bad Wiessee.    

Das alles trägt nicht dazu bei, Vertrauen bei Bürgern herzustellen. Vielleicht sind es kleine Schmutzeleien. Im Fall von Birgit Trinkl ist wohl eine Spezl-Nummer auszuschließen sein. Sie selbst sagt, sie habe nur dem Verwaltungsweg entsprochen. Die engagierte Unternehmerin hatte sich ein Riesen-Projekt vorgenommen, war wohl auch dankbar, wie der damalige Bauamtsleiter ihr im dichten Baurechtsdschungel mit Rat und Orientierung half. Wer hätte diese Unterstützung ausgeschlagen?     

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