Zuletzt hatte sich Bürgermeister Peter Höß (Wiesseer Block) im Juli noch im Gemeinderat dagegen verwahrt, dass „der Schuldenstand nicht so dramatisch ist, wie eben dargestellt“. Florian Sareiter (CSU) hatte zuvor Wiessee „als höchstverschuldete Gemeinde“ hingestellt, was dem Gremium eigentlich Sorgen bereiten müsste. Denn Wiessee hatte bei der Vorlage der Jahresrechnung 2018 noch Schulden von 24 Millionen Euro. Nicht einmal mehr der Straßenerhalt als Pflichtaufgabe sei der Gemeinde möglich, klagte Sareiter. Bald würde man nur noch über Schlaglöcher fahren. Die Gemeinde „stehe so gut da, wie schon lange nicht mehr“, konterte Höß. Dies seien „Märchen über unseren Schuldenstand. Das lasse ich mir nicht länger gefallen“, erregte sich Höß.
Kein Märchen ist dagegen die pro-Kopf-Verschuldung in Bad Wiessee mit 5.036 Euro. Damit steht der Ort ganz oben im Landkreis-Ranking. Auch im ganzen Oberland gehört die Talgemeinde zu den Spitzenreitern. Rottach-Egern dagegen verzeichnet eine pro-Kopf-Verschuldung von nur 466 Euro. Davon kann Wiessees Kämmerer Franz Ströbel nur träumen. Immer wieder mahnt er, sich bei den Ausgaben nur „auf Pflichtaufgaben zu konzentrieren“, denn in Bad Wiessee werde das Geld für „größere Investitionen knapp“. Die Verschuldung, so Ströbel, müsse wieder auf ein „akzeptables Maß zurückgeführt“ werden. Doch schnell wird im Rathaus wieder zur Tagesordnung übergangenen und weitere Projekte auf Kiel gelegt.
Der Badepark: ein Fass ohne Boden
„Hirngespinste oder Größenwahn“ überschrieb nun ein Wiesseer Baufachmann (Name der Redaktion bekannt) seine Auflistung geplanter Investitionen. Unter dem Strich kommt er auf atemberaubende Summen, die die Gemeinde investieren will. Realisiert werden soll bereits im Herbst der Anbau des Rathauses. Das Baureferat soll dort neue Räume bekommen. Diese werden mit knapp einer Million Euro veranschlagt. Doch dabei dürfte es nicht bleiben, denn der Altbau muss nicht nur für den Brandschutz ertüchtigt werden, auch ein Lift soll eingebaut werden. Hier würde nach Aussage von Sareiter eine weitere Million fällig.
Die nächste Baustelle für die Gemeinde wird ihr Badepark sein. Er ist 50 Jahre alt und braucht dringend eine Sanierung. Doch die könnte Unsummen verschlingen, wie im Gemeinderat deutlich wurde. Die Rede ist bei einer Generalsanierung von mindestens 19 Millionen Euro. Abriss und Neubau des Badeparks würde 30 bis 40 Millionen Euro Kosten, so der Baufachmann. Tatsache ist, dass der Altbau ohne energetische Maßnahmen auch im Haushalt 2019 wieder ein „negatives Betriebsergebnis von etwa 1,7 Millionen Euro“ machen wird, mit steigender Tendenz, prognostizierte Kämmerer Ströbel zuletzt.
Errichtet wird derzeit das neue Jodbad. Am 17. Dezember soll es fertig sein. Dann hat es statt der ursprünglich kalkulierten 6,7 Millionen mit der Quellensanierung etwa 10 Millionen Euro gekostet. Immerhin kommen 3,2 Millionen Euro als Förderung vom Freistaat. Bleiben unterm Strich etwa die einst veranschlagten 6,7 Millionen Euro, die von der Gemeinde zu berappen sind. „Vorsichtshalber“, so Höß, wurde eine Kreditaufnahme von 9 Millionen Euro beschlossen. Denn die Befürchtung sei, dass die Förderung zeitverzögert ausbezahlt werde, die Gemeinde aber handlungsfähig bleiben müsse.
Die Aufhübschung der Seepromenade ist überfällig
Wird Strüngmanns Hotelprojekt an der Seepromende realisiert, will auch die Gemeinde nachziehen und die Flaniermeile am See aufhübschen. Denn sie ist schon lange keine Zierde mehr: eine halbverfallene Pergola, ein beengter Musikpavillon, unbequeme Sitzbänke und eine mangelhafte Beschaffenheit der Oberfläche. Ortsplaner Eberhard von Angerer sieht für die Neugestaltung einen Finanzbedarf von gut 600.000 Euro. Mit weiteren 400.000 Euro soll auch der Dourdan-Platz den Bedürfnissen angepasst werden.
„Ein Großteil unserer Gemeindestraßen samt Gehsteigen ist in einem katastrophalen Zustand“, kritisiert der Mann vom Fach und errechnet dafür einen Finanzbedarf von 5 bis 10 Millionen Euro. Trotz des Baustopps auf dem SME-Gelände will die Gemeinde auch die Wilhelminastraße im Kurviertel verschönern. Sie soll zudem auf das Niveau des neuen Badehauses angehoben werden. Insgesamt sind für die Schaffung neuer Parkplätze und einer Allee 1,25 Millionen Euro vorgesehen.
Starkes Interesse hat die Gemeinde am Erwerb des Josefsheims am Löblweg. Sie will dort bezahlbaren Wohnraum für Einheimische schaffen. Das Vorkaufsrecht hat sich die Kommune bereits gesichert. Doch bislang sind die Verhandlungen mit den Eigentümern, den Speyrer Ordensschwestern, gescheitert. Die Preisvorstellungen für das 2.000 Quadratmeter große Grundstück liegen zu weit auseinander. Der Haken dabei sei auch, sagt der Baufachmann, dass die Josefskapelle dann zeitlebens von der Gemeinde erhalten werden müsste. Sollte Wiessee die Immobilie erwerben können, würden gut 2 Millionen Euro fällig werden, so der Mann vom Fach.
Will also Bad Wiessee alle Projekte realisieren, von denen die Rede ist, so dürften, vom Experten vorsichtig geschätzt, weitere etwa 35 Millionen Euro für angefangene und noch zu realisierende Baumaßnahmen zu Buche schlagen. Und dies bei einem Schuldenstand von bereits 24 Millionen Euro. Höß jedoch bleit weiterhin optimistisch: „Die Gemeinde steht so gut da, wie schon lange nicht mehr“.
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