Gestern luden die Mitglieder des Arbeitskreises Tegernseer Tal Energie und Klimaschutz (Attek) zu einer Veranstaltung zum Thema „Quo Vadis Tegernseer Tal“ im Seeforum Rottach. Im Rahmen der Podiumsdiskussion sollte die Frage erörtert werden, ob die angestrebte Aufnahme des Landkreises in den Münchener Verkehrs Verbund (MVV) einen Beitrag zur Verkehrswende leisten kann – und wenn ja welche.
Als Gastredner hatte der Arbeitskreis, der aus engagierten Bürgern aus dem Tal besteht, Dr. Bernd Rosenbusch, Geschäftsführer des MVV, und Fabian Amini, Geschäftsführer der Bayerischen Regional Bahn, eingeladen. Die Moderation der Veranstaltung übernahm der vielen vom BR bekannte Lutz Bäucker, der auch im Vorstand des ADFC ist. Er schaffte es, mit provokanten Einwürfen die Veranstaltung aufzulockern, aber auch den Finger das ein andere Mal in die Tal-Wunden zu legen.
Den Auftakt machte unser Landrat Olaf von Löwis (CSU), der allerdings nicht nur den Grußonkel im „Corona“-Forum spielen wollte, sondern selbst einige Gedanken zu Thema beisteuerte. So begann er mit einem Zitat von Wilhelm dem Zweiten: „Ich glaube an das Pferd – das Auto ist eine vorrübergehende Erscheinung.“
„Ganz so sei, es jetzt nicht“, lenkte der bekennende „Gern- Autofahrer“ Löwis ein, doch müsse man “Mobilität neu denken”. Wozu auch als zentrale Aufgabe gehöre, Wohnort und Arbeitsort näher zusammenbringen, so der Landrat weiter und ergänzte sofort: „Auch bezahlbaren Wohnraum.“
Die Menschen ins Boot holen
Ein Maßnahmenpaket sei nötig, um die Verkehrswende voranzutreiben, so der Landrat. Da würde allein der Beitritt zum MVV nicht ausreichend sein, aber ein wichtiger Beitrag auf dem Weg. Ideen seien in der Politik und bei den Bürgern genug vorhanden, es mangle nur seit Jahren an der konkreten Umsetzung.
Entscheidende Hemmnisse hierbei seien zum einen die fehlenden finanziellen Mittel, aber auch die Menschen, die an der Verkehrswende aktiv mitarbeiten würden. Es bedürfe einer Bewusstseins-Änderung, um alle Menschen bei den notwendigen Maßnahmen „mit ins Boot“ zu holen, betonte Löwis. Er machte allerdings deutlich, wie wichtig es ihm sein, den Landkreis selbst – am liebsten bis Ende 2023 – in den MVV zu führen. In jedem Fall noch in seiner Amtszeit, die 2026 enden würde.
Ehrgeizige Zeitpläne für Beitritt
Auf den Politiker folgend betrat Dr. Rosenbusch die Bühne des Seeforums. Ihm gab Moderator Bäuckner die Frage nach dem vom Landrat angesprochenen Beitrittsdatums des Landkreises mit auf den Weg – „23 oder 26?“ Die Antwort von Rosenbusch kam mit einem verschmitzten Lächeln:
Ganz klar 2023, Herr Landrat, mein Vertrag läuft bis 2023 – 2026 ist zu spät.
Rosenbusch ergänzte noch, dass das erklärte Ziel für den Eintritt Ende 2023 sein müsse, zumal dann Landtagswahlen seien, und die “könnten bekanntlich Themen befördern”. Auch sonst demonstrierte der Manager im öffentlichen Dienst sehr viel Optimismus auf der Bühne.
Leicht, beschwingt und durchaus kämpferisch stellte Rosenbusch zu Beginn die Struktur des MVV und dessen grundlegenden Merkmale vor. Sprach über in der Testphase befindliche Innovationen, wie die neue App für den papier- und automatenfreien Check-In, die gesamtheitliche Vernetzung von allen öffentlichen Verkehrsmitteln oder die neuen Ringbussysteme im ländlichen Raum.
Rosenbusch schaffte es in kürzester Zeit seine Zuhörer in die schöne, wenn auch nicht günstige, wie er immer wieder betonte, neue Welt des öffentlichen Nahverkehrs mitzunehmen. Zum Teil als Zukunftsmusik und zum Teil schon real existierend in München. Dabei lautete sein zentrales Credo:
Ein Netz – ein Fahrplan – einen Ticket – ein Preis
Dabei sei es laut dem MVV-Geschäftsführer egal, von wo man starte oder wo im MVV Gebiet man hingelangen wolle. Er selbst habe jetzt für seine Anreise nach Rottach drei Fahrkarten benötigt. Erst mit dem MVV, dann für die BRB und zuletzt den Bus von Tegernsee. “Das ist schon was für Profis – das macht jetzt nicht jeder – das ist echt unbequem”, gab er zu.
Daran, dass der Landkreis Miesbach Teil dieser Großraum-München-ÖPNV-Welt werden sollte, ließ Rosenbusch keinen Zweifel aufkommen. Das sei sowohl aufgrund der hohen Pendlerzahlen als auch der großen touristischen Bedeutung der Region fraglos sinnvoll im Hinblick auf die angestrebte Verkehrswende.
Vier Millionen ein- und ausgehende Fahrten im Oktober
So verwies er auf die gerade abgeschlossene erste Phase der von der MVV-Consulting erstellten Studie. Deren Ergebnisse (wir berichteten) würden die „verkehrliche Sinnhaftigkeit“ des Beitritts des Miesbacher Landkreises in den MVV deutlich unterstreichen.
Über vier Millionen ein- und ausgehende Fahrten allein im Oktober 2020 sprechen für einen hohen Bedarf im Nahverkehr. Im zweiten Schritt der Studie werden nun laut MVV-Chef Fahrgastbefragungen durchgeführt, um die „wirtschaftlichen Faktoren zu analysieren, um darauf basierend ein Migrationskonzept mit möglichen Tarif- und Fahrplananpassungen erstellen zu können.“
BRB steht hinter Eintritt in das Verbundnetz
Nach dem zugegeben sehr umfangreichen, wenn auch kurzweiligen Auftritt des MVV-Chefs, äußerte sich Fabian Amini im Anschluss für die BRB sehr kurz, wenn auch nicht weniger hoffnungsvoll zu den Chancen auf eine Verkehrswende:
Weil wir aus Sicht der BRB völlig gleich denken – wir die gleichen Ziele verfolgen. Wir werden die Verkehrswende und die Verkehrsentlastung nur schaffen, wenn wir das gesamthaft als Branche denken.
Deshalb, so Amini, konzentriere er sich bei seinem Beitrag darauf, die Rolle der BRB im Rahmen der Verkehrswende im Landkreis hervorzuheben. Er beschrieb anschaulich die Situation in den Zügen vor dem Austausch der Flotte: Von stinkenden Toiletten, zur Unzeit gekühlten oder überheizten Waggons und regelmäßig liegengebliebenen Zügen. Bis zu viermal mehr Ausfälle der Züge als bei jedem anderen Schienenfahrzeug wäre die Regel gewesen.
„Dann kam der Befreiungsschlag: Wir haben neue Fahrzeuge für das Oberland durchgesetzt.“ Das sei ein schwieriges Unterfangen gewesen, da sowohl die Eigentümer als auch die Politik von dieser sehr teuren Veränderung überzeugt werden mussten, berichtet der Geschäftsführer der BRB. Letztendlich sei es aber geschafft worden, nicht nur die bestehende Flotte auszutauschen, sondern auch neue Fahrzeuge anzuschaffen.
Ich verspreche Ihnen, wenn wir es nicht völlig vergeigen und einfach nur ein bisschen so weiter machen wie bisher, dann wird zum nächsten Halbjahresbericht die BRB im oberen Drittel des Qualitätsmesssystems stehen.
Besonders wies Amini auch darauf hin, dass die neuen Dieselfahrzeuge klimaverträglicher seien als die alten „Dreckschleudern“ der BOB. Zudem berichtete er in seinem Vortrag von einer Erhöhung der Fahrgastkapazitäten der BRB. Um bis 60 Prozent am Wochenende und 14 Prozent unter der Woche hätten die Platzkilometerzahlen gesteigert werden können.
Eine noch höhere Kapazität an den Wochenenden sei aber zurzeit nicht möglich – alles was technisch möglich sei, würde auch umgesetzt, betont Amini und führt weiter aus:
Wir brauchen eine Modernisierung und einen Ausbau der Infrastruktur – und das wird lange dauern.
Insgesamt sei die BRB aber jetzt schon sehr gut vorbereitet für den Eintritt des Landkreises in den MVV und würde diesen aktiv unterstützen. Der Eintritt, so macht Amini deutlich, sei zwingend notwendig und richtig.
Sagenhaft neue Erkenntnissen oder Vorhaben ließen sich bei der gestrigen Veranstaltung nicht erkennen – zumindest aber die Richtung ist deutlich vorgegeben. In unserer Instagram-Story findet ihr einige Videoausschnitte und Wortmeldungen des Abends.
Den Start macht der Oktober mit dem großen und viel diskutierten Thema Verkehr. ? Hierzu werden wir im Laufe der kommenden Wochen immer wieder themenspezifische Berichte, Interviews und Kommentare veröffentlichen.
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