Horrortrip an den Tegernsee

Für einen schwerstbehinderten Jugendlichen wurde die Fahrt mit der BOB von München an den Tegernsee zu einer Reise voller Hindernisse: kein Bus des RVO war für den Rollstuhlfahrer verfügbar. Doch das hätte nicht sein müssen, wie die RVO-Verantwortlichen erklären.

Einen Bus mit Zugang für Rollstuhlfahrer. Das hätte sich Valentin Seiler bei seinem Trip an den Tegernsee gewünscht.
Einen Bus mit Zugang für Rollstuhlfahrer. Das hätte sich Valentin Seiler bei seinem Trip an den Tegernsee gewünscht.

Es hätte für den 19-jährigen Valentin Seiler ein unbeschwertes Wochenende in Rottach-Egern werden sollen. Für Anfang November hatte er ein Preisausschreiben der Egerner Höfe gewonnen. Da ihn die unheilbare Krankheit Muskelschwund an den Rollstuhl fesselt, ist seine Patentante Henrike Seiler bei solchen Unternehmungen immer an seiner Seite. Doch die Erfahrungen, die beide machten, werfen kein gutes Licht auf ein barrierefreies Reisen im Oberland.

Den beiden Münchnern half es wenig, dass sich die Bayerische Staatsregierung die „Barrierefreiheit im Öffentlichen Raum und im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)“ auf die weiß-blaue Fahne geschrieben hat. Die „Mobilität“ sieht in der Realität eben anders aus. Davon kann Valentins Tante bei den Reisevorbereitungen ein Lied singen.

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Lange Planung

Um ganz sicher zu gehen, begann sie bereits im August mit den Planungen. Henrike Seiler: „Wir hatten uns vorgenommen, mit der BOB um 10:05 Uhr in München abzufahren, Ankunft 11:09 Uhr in Tegernsee. Hier hatte ich als Anschluss den RVO-Bus 9559, Abfahrt 11:12 Uhr Tegernsee Bahnhof (im Fahrplan mit einem Rollstuhlzeichen gekennzeichnet) heraus gesucht. Eventuell hätten wir auch eine BOB früher genommen, um den Anschluss sicher zu kriegen“.

Doch als sie erfuhr, dass am vergangenen Wochenende ein Schienenersatzverkehr (SEV) statt der BOB unterwegs war, begann das Drama. Beim RVO riet man ihr zunächst mehrmals zu einer Busfahrt von München nach Rottach. Doch ein erneuter Anruf brachte es an den Tag: “Den besagten Bus 9551 können Sie nicht nehmen, da er Stufen hat“, zitiert Henrike Seiler einen RVO-Mitarbeiter.

Er wollte mir das in den nächsten Minuten schriftlich geben und mir eine für uns brauchbare Verbindung heraussuchen. Ich habe nie mehr etwas von ihm gehört, auf diese Mail warte ich noch heute.

Sie war auf einen Bus angewiesen, der als barrierefrei gekennzeichnet ist und eine Klapprampe für Rollstuhlfahrer hat.

„RVO ist zu nichts verpflichtet“

Auch beim RVO in Tegernsee wusste man keinen Rat. “Ich kann Ihnen gar keine Anschlussverbindung von Tegernsee aus nach Rottach zusagen, da es immer ungewiss ist, welcher Bus gerade eingesetzt wird; wir arbeiten mit sieben Subunternehmern zusammen und ich kann dort nicht nachfragen“, zitiert Seiler ihr wenig hoffnungsvolles Gespräch mit einem weiteren RVO-Mitarbeiter.

Ich fragte ihn nun, welche Bedeutung die Rollstuhlzeichen in den Kursbüchern/Fahrplänen dann überhaupt hätten. Er sagte, dass diese Zeichen keinerlei Gewähr/Garantie böten, dass dann auch ein für Rollstuhlfahrer zugänglicher Bus käme. Es fielen dann noch Aussagen wie, ‚der RVO ist zu nichts verpflichtet‘, und ‚ich nicht zuständig‘.

Eventuell, so Seiler weiter, wüsste ein Fahrdienstleiter Freitagmittag mehr, aber auch das wäre ungewiss. Des Weiteren habe der RVO-Mitarbeiter erklärt, dass es nicht einmal beim SEV von Schaftlach nach Tegernsee sicher sei, dass man ihn mit dem Rollstuhl nutzen könne.

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Barrierefrei – oft nur ein Schlagwort / Archivbild

In ihrer Not wandte sich Seiler an den Behindertenbeauftragen des Landkreises Miesbach, Anton Grafwallner. „Ich ließ dann eine Rundmail los und habe um Lösungsvorschläge gebeten. Als keine Rückmeldungen kamen, machte ich den Vorschlag, mit der BOB nach Miesbach zu fahren, um von dort mit einem rollstuhlgerechten Taxi in ihr Hotel nach Rottach zu gelangen. Das funktionierte dann auch“, berichtet Grafwallner, selbst Rollstuhlfahrer.

Er kennt die Misere, er erlebt sie tagtäglich. „Auch im Tegernseer Tal gibt es kein Taxi mehr für Rollstuhlfahrer“. Henrike Seilers Fazit fällt dagegen klar aus: in solchen Fällen müsste einer der Beteiligten – die Bahn, die BOB oder der RVO – die Kosten übernehmen müsse, wenn diese nicht in der Lage seien, einem Rollstuhlfahrer die Bedingungen für eine sichere Anreise zu schaffen. „Es ist beschämend, dass das aus privaten Mitteln gestemmt werden muss“.

Peter Bartl – zuständig für Planung und Verkehr beim RVO in Tegernsee – erklärt auf Nachfrage, dass es zum Tagesgeschäft gehöre, für jeden Zug vom Tegernsee für eine Anschlussverbindung nach Rottach-Egern zu sorgen. 90 Prozent der Busse beim RVO seien barrierefrei, sagt er. Im Fall des behinderten Jungen hätte der Schienenersatzverkehr zwischen Schaftlach und Tegernsee das Problem verursacht:

Wir haben fünf zusätzliche Busse zur Verfügung gestellt. Lediglich einer war nicht barrierefrei. Wenn man uns gesagt hätte, wann der Junge in Rottach-Egern ankommt, hätten wir dort einen barrierefreien Bus hingestellt. Da aber die Begleitung des Jungen die Reise stornierte, hatten wir keine Möglichkeit dazu.

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