I red boarisch! Host mi?

Dialekt ist für viele Menschen Bestandteil ihrer Identität – so auch hier im Tal. Es gehört zur Kultur, drückt ein Stück Heimatgefühl aus. Doch immer wieder gibt es Diskussionen rund um das Thema Dialekt an Schulen. Sollten Kinder bayerisch im Unterricht sprechen dürfen? Was sagen hierzu die Schulen im Tal?

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„Dialekte vertiefen das Sprachbewusstsein, sie stiften Identität und Heimatverbundenheit. Deshalb ist es uns ein wichtiges Anliegen, dieses kulturelle Erbe auch in den Schulen im Freistaat zu pflegen“, erklärte der bayerische Kultusminister Prof. Dr. Michael Piazolo bei seinem Antrittsgespräch im Mai 2019 beim Förderverein Baierische Sprache und Dialekte e. V. (FBSD).

Auch Ministerpräsident Markus Söder betonte zum Schuljahresanfang 2019, wie schon im letzten Jahr, die Bedeutung der Mundart für die Sprachkultur und die Identität. Er wolle den Stellenwert der Mundart noch deutlicher machen und im neuen Lehrplan für Realschulen und Gymnasien verbindlich verankern.

Doch eigentlich ist das Thema „Dialekte“ an bayerischen Schulen nicht neu. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt das Dialektsprechen in manchen Kreisen als ungebildet und nicht erwünscht. Auch wurde es an Schulen nicht gerne gesehen, wenn die Schülerinnen und Schüler Mundart sprachen. Vor 20 Jahren ging dann ein „Aufschrei“ durch Bayern. Der Fall des damals achtjährigen Florians aus Otterfing, in dessen Zeugnis die nicht aus Bayern stammende Lehrerin vermerkte:

Florian hat Probleme, sich verständlich auszudrücken, da er zu Hause nur bayerisch redet.

Die Empörung in der Bevölkerung war groß und erreichte sogar den Landtag. Die damalige Kultusministerin Monika Hohlmeier fand es “bedenklich, wenn Schüler für ihren Dialekt kritisiert werden” und beteuerte: “Die Grundschule hat den Auftrag, Mundart zu fördern.” Auch der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber äußerte sich zu dem Fall öffentlich.

So steht es in der bayerischen Verfassung

In dieser Diskussion wurde auf den Artikel 131 der Bayerischen Verfassung verwiesen sowie auf das Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Art. 1 BayEUG), die besagen, dass die Schulen im Freistaat nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden sollen und dass die Schülerinnen und Schüler u. a. in der Liebe zur bayerischen Heimat erzogen werden sollen.

Kultusminister Piazolo sagt hierzu: „Ein Stück Heimat, das Gefühl, dazuzugehören und zu seinen regionalen Wurzeln zu stehen – all das verbinde ich mit Dialekt. Die verschiedenen Mundarten gehören zu Bayern dazu und bereichern die Hochsprache um viele, sehr prägnante Wörter und Wendungen. Natürlich müssen unsere Schülerinnen und Schüler die Standardsprache sicher beherrschen. Aber die Schulen schätzen und vermitteln den besonderen Wert des Dialekts und bestärken die Schülerinnen und Schüler darin, ihn zu sprechen.“

Wie sieht es mit Dialekt an den Schulen im Tegernseer Tal aus?

Das Thema Mundart stand schon vor 15 Jahren im Lehrplan, etwa in Deutsch für die 8. Klasse: „Untersuchen der Merkmale und Leistungen von Mundart: regionale Besonderheiten erkennen, Mundartliteratur kennenlernen“. Aktuell ist das Thema im LehrplanPLUS Deutsch in allen Schularten und in verschiedenen weiteren Fächern verankert. Ziel sei es, dass die Schülerinnen und Schüler Sprache situationsangemessen verwenden und auch junge Menschen, die nicht Dialekt sprechen, dessen Wert einschätzen und schätzen können.

Sprechen gerne bairisch – auch in der Realschule Gmund: Frieda, Biologie- und Chemielehrerin Birgit Sager, Veiti, Schulleiter Tobias Schreiner, Julia und Thomas (von links). / Quelle: Marion Bürkner

„Bei uns sind Bairisch und dialektal gefärbtes Hochdeutsch (“echtes” Hochdeutsch spricht hierzulande ja kaum jemand) gleichwertig gelebte und gepflegte Alltagssprache. Wir haben eine ganze Reihe Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte, die ihren Dialekt pflegen und natürlich auch den schulischen Alltag so bestreiten“, erklärt uns Tobias Schreiner, Schulleiter der Realschule Tegernseer Tal in Gmund. Er versichert:

Es wird bei uns niemand kritisiert, wenn er bei einem Referat bairisch spricht.

Im Lehrplan finde die Betrachtung des Dialekts von außen statt, erläutert der Schulleiter weiter. Dabei werden zum Beispiel grammatikalische Unterschiede analysiert. „Bei uns an der Schule ist der Dialekt eine gleichwertige Sprache, die im Alltag gepflegt wird“, so Schreiner. Das beweisen auch die vier Schülerinnen und Schüler, die sich zum Thema Dialekt an der Realschule Tegernseer Tal geäußert haben. Frieda (zehn Jahre), Veiti (zehn Jahre), Julia (15 Jahre) und Thomas (15 Jahre).

Sie alle kommen aus Kreuth und sind Mitglied in verschiedenen Vereinen, unter anderem beim Trachtenverein. Für sie ist bairisch Muttersprache, Heimat und das normalste von der Welt. Und auch für Biologie- und Chemielehrerin Birgit Sager trägt der ungezwungene Umgang mit der Mundart zum Wohlfühlklima an der Realschule in Tegernsee bei.

Schafkopf-AG am Gymnasium Tegernsee

„Mundart ist ein wichtiger Bestandteil einer regionalen Kultur und kann sehr bereichernd sein“, erklärt hierzu Schulleiter und Oberstudiendirektor Dr. Werner Oberholzer vom Gymnasium Tegernsee. Dabei stehe außer Frage, dass sich ein Schüler auch über seine Mundart hinaus in einem regional gefärbten Hochdeutsch verständigen können soll. „Man weiß ja nicht, wohin es die jungen Leute später beruflich verschlägt“, so Oberholzer weiter. Für ihn gehöre die Förderung der heimischen Kultur und sowie der Mundart auch in die weiterführenden Schulen.

„Auch am Gymnasium Tegernsee gibt es eine ganze Reihe von Mundart-Sprechern, und das kann und soll gerne auch so bleiben“, bekräftigt der Schulleiter. Derzeit gebe es am Gymnasium zum Beispiel eine “Schafkopf-AG”, ein W-Seminar für die Oberstufe mit dem Titel “Bairisch – Heimat, Identität, Weltoffenheit”. „Vor allem der “Bunte Abend”, den die Schülerinnen und Schüler jedes Jahr zu Fasching aufführen, macht deutlich, dass die Mundart bei uns sehr lebendig ist. All das wird seitens der Schule durchaus gefördert“, ergänzt Oberholzer.

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