Im Jahr 2011 startete ein deutschlandweit einmaliges Schulschachprojekt und damit das größte Jugendprojekt im Landkreis Miesbach. Schachunterricht wurde an jeder Grundschule und jeder weiterführenden Schule angeboten, um die Konzentrationsfähigkeit der Schüler zu steigern, das logische Denken und insgesamt die schulische Leistung zu verbessern.
Der 71-jährige Waakirchner Horst Leckner, Cousin des Waakirchner Bürgermeisters Sepp Hartl, ist Mitbegründer des Schulschachs und Mitinitiator der Internationalen Bayerischen Schachmeisterschaft. Für ihn ist Schulschach „ein wichtiger Mosaikstein auf dem Bildungsweg“. Vom Deutschen Schachbund wurde er kürzlich erst für sein Lebenswerk ausgezeichnet.
15 Schüler gewinnen Stipendium und dürfen kostenlos Schach spielen
Gestern stellte er im Waakirchner Gemeinderat ein durch Sponsorengelder finanziertes Projekt an Mittelschulen vor. Etwa 700 Schüler unterrichte man derzeit an insgesamt 26 Schulen, begann Leckner seine Projektvorstellung. Mit Ausnahme der sieben Mittelschulen im Landkreis, die man bislang nicht in das Projekt mit einbezogen hatte.
Finanziert wurde der einstündige Unterricht einmal die Woche an den Grund- und weiterführenden Schulen bisher durch Sponsorengelder oder durch finanzielle Unterstützung der Kommunen. Ziel sei es jedoch, in drei bis vier Jahren finanziell unabhängig zu sein, betonte Leckner. Mit sechs Euro pro Kind und Monat habe man anfangs kalkuliert, mittlerweile lägen die Kosten bei 14 Euro pro Kind und Monat. Um völlig von Zuschüssen losgelöst zu sein, bräuchte man allerdings zwischen 25 und 27 Euro.
Die Kinder auf den Mittelschulen liegen dem 71-Jährigen am Herzen. Deshalb startet jetzt ein Pilotprojekt an drei Mittelschulen im Landkreis – in Rottach-Egern, Holzkirchen und Miesbach. Bereits im Oktober vergangenen Jahres hatte man dafür ein Stipendium ausgeschrieben. 38 Kinder hatten sich darauf beworben. Ausgewählt wurden fünf Kinder pro Schule, also insgesamt 15.
Schach als Leistungsanreiz
Diese Schüler bekommen nun die Möglichkeit, einmal pro Woche kostenlos Schach zu spielen. Ihnen wird außerdem ein hochwertiges Tablet zur Verfügung gestellt, auf dem sie spielen dürfen, und das auch privat genutzt werden kann.
Vier Jahre lang werden die Kinder betreut und dürfen an vielen Sport- und Rahmenveranstaltungen teilnehmen. Aber „ohne Fleiß kein Preis“, wie Leckner betonte. Den Kindern solle durch das Schachspiel beigebracht werden, dass man etwas leisten muss, wenn man etwas erreichen will“.
Waakirchen sei die erste Gemeinde, die von diesem Pilotprojekt erfahre, betonte Leckner gestern. Die 15 Schüler hatte man nach ihren schulischen Leistungen ausgewählt. Dafür seien die Notendurchschnitte der Schüler in den 6. Klassen ausgewertet und mit der Einschätzung des Klassenlehrer zur Leistungsbereitschaft der Schüler abgeglichen worden.
Zwei Kinder kommen aus Waakirchen
Zwei Kinder aus Waakirchen gehören zu den Stipendium-Gewinnern. Am 6. Januar bekamen alle im Hotel zur Post feierlich ihre Urkunde überreicht. In hochwertigen Umschlägen der Gmunder Papierfabrik, die auch bei der Oskar-Verleihung verwendet wurden, wie Leckner gestern berichtete.
Aus seiner achtmonatigen Erfahrung an einer Mittelschule, an der man den wöchentlichen Schachsport angeboten hatte, fand Leckner heraus, dass diese Leistungsbereitschaft dort oft nicht vorhanden ist. Den Grund dafür sieht er in problematischen Elternhäusern. Viele Kinder hätten resigniert und aufgrund fehlender Erfolgserlebnisse Enttäuschungen erlitten.
Aus diesem Klientel entstehen viele Hartz IV-Empfänger oder Karrieren, die wir nicht brauchen können.
Schach hingegen würde den Kindern vermitteln, dass sie keine Looser sind, sondern etwas können. Das sporne an, motiviere zur Leistungsbereitschaft und stärke das Selbstbewusstsein. Das Kultusministerium habe damals für dieses Projekt keine Mittel zur Verfügung gestellt, so Leckner. Und das, obwohl der Landkreis über sieben Millionen Euro in „verhaltensauffällige Kinder“ investiere. Leckner:
Wenn wir ein Kind wegkriegen, ist schon viel erreicht.
Ihm sei es aber eine Herzensangelegenheit, diesen Kindern eine Chance zu geben. Der Lions Club Tegernsee habe für das jeztige Projekt mit 15.000 Euro die Anschubfinanzierung gemacht, sodass man – zusammen mit zwei weiteren Sponsoren – etwa 25.000 Euro für das Projekt zur Verfügung habe. Damit könne man ungefähr 1 ½ Jahre arbeiten, sagt der 71-Jährige.
Im ersten Jahr müsse man mit Kosten pro Kind in Höhe von 1.500 Euro rechnen, im zweiten mit 1.000 Euro. Darin ist der wöchentliche Schachunterricht enthalten. Ebenso das Tablet. Er sei aber heute nicht da, um „Geld zu erbetteln“, erklärte der 71-Jährige gestern. Vielmehr ginge es ihm darum, die Gemeinden für die wachsenden Probleme an Schulen und zunehmend „verhaltensauffälligen Kindern“ zu sensibilisieren und mit dem Thema vertraut zu machen.
So könne vielleicht sogar im Herbst an jeder Mittelschule ein solches Projekt starten. „So, jetzt wissen Sie Bescheid“, sagte Leckner abschließend. Bürgermeister Sepp Hartl ließ es sich am Ende nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass die Mittelschulen nicht ganz so schlecht seien wie ihr Ruf. Viele Kinder, darunter oft Spätzünder, seien deshalb überfordert, weil man sie auf höhere Schulen “prügeln” würde. “Wenn der normale Mittelschüler nichts mehr zählt, ist das schlimm.”
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