Es ist der Blick eines Touristen, der gerne und oft im Tegernseer Tal ist. Und sich doch einiges ganz anders wünscht.
Eine Leserstimme von Jochen Ullrich
Nach reiflicher Überlegung und spätestens nach dem mehr als verunglückten Interview des Bürgermeisters der Gemeinde Rottach-Egern im bayerischen Fernsehen zur Thematik „Gasthof Glasl“ muss ich als langjähriger Urlaubsgast meinem Unmut freien Lauf lassen.
Was geschieht eigentlich seit einiger Zeit im Tegernseer Tal? Wann kehrt endlich die Vernunft zurück und wann werden die neuen vergänglichen „K´s“ (= Kapital und Kommerz) durch das nachhaltige „K“ (= Kultur) in seinen mannigfaltigen Ausprägungen ersetzt oder zumindest in ein vertretbares Maß zueinander gebracht?
Um ein besseres Verhältnis von Kapital und Kultur zueinander zu schaffen, kann man beispielsweise einen Teil des zufließenden Kapitals in eine noch zu gründende Einrichtung zum Erhalt historischer Bauten („Tegernsee-Stiftung“) fließen lassen. Britische Institutionen bieten ausreichend Beispiele (British/Scotish Heritage und British/Scottish Trust).
Das Wirtshaus-Sterben ist nur ein weiterer Schritt hin zur vollständigen Aufgabe bayerischer Identität und Tradition, nachdem der Einzelhandel schon diesen traurigen Weg gehen musste. Denn was kommt danach: Ein Immobilienmaklerbüro folgt dem nächsten und nimmt deren Plätze ein, der lukrative Ausverkauf von Grund und Boden schreitet immer schneller voran. Vieles erinnert dabei an das Motto „Schneller, Höher, Stärker“, aber. Wem nützt das alles?
In einer nicht allzu fernen Zukunft fällt den Menschen nichts mehr ein, wenn man sie fragt, was sie mit dem Tegernsee assoziieren, vielleicht noch das Brauhaus in Tegernsee. Den Begriff Höfe im Tegernseer Tal verbindet man jetzt schon ausschließlich mit einem großen Hotelkomplex.
Glaubt denn noch einer der Verantwortlichen, dass Persönlichkeiten wie Thoma, Ganghofer, Slezak – um nur einige wenige zu nennen – heute noch den Wunsch hätten, in einer Region zu leben, in der nur noch Kapital und Kommerz alles beherrschen und erdrücken. Aktuelle Zeichnungen eines Gulbransson von heute würden sicherlich manchen Uneinsichtigen aufrütteln. Fakt ist, dass auch ein Jennerwein heute im Tal keine Chance gegen die modernen Platzhirsche hätte.
Ein Cicero-Zitat ist leider so aktuell wie nie:
Keine Festung ist so stark, dass Geld sie nicht einnehmen kann.
Den Bürgermeistern im Tegernseer Tal und allen Befürwortern und Helfern von Abriss und Zerstörung sei empfohlen, beim nächsten Absingen der Bayernhymne den Text endlich wieder – und dann nachhaltig – zu verinnerlichen und möglichst auch in die Praxis umzusetzen.
Ich wünsche mir, dass ich mich bei meinen nächsten Aufenthalten am Tegernsee auch ohne Bistros und Gourmetküche wieder wohlfühlen kann und die Gemeinden rund um den See ihre finanziellen Ressourcen nicht durch neue abenteuerliche Projekte aufzubessern versuchen.
Es sollte einfach wieder mehr Talbewohner geben, die von sich sagen können:
Ich bin der …… und hier bin ich dahoam.
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