Infoveranstaltung in Rottach-Egern kommt gut an:
Das Tegernseer Hallenbad-Dilemma

Schwimmen im Tal? Geht im Sommer im Tegernsee und in den zwei Freibädern. Sonst sieht es mau aus. Eine Infoveranstaltung zum Hallenbad mit allen Tal-Bürgermeistern und einer Delegation aus Waakirchen diskutierte jetzt die Möglichkeiten.

Markus Wrba (FWG) aus Kreuth hatte Fragen. Foto. Martin Calsow

Zirka 300 Personen saßen am Montagabend gespannt im Saal des Rottach Seeforums. Vor ihnen die Verantwortlichen aus dem Arbeitskreis “Kommunales Hallenbad”, Bürgermeister der Tal-Gemeinden und Waakirchen, sowie Ratsmitglieder. Selten sah man fast alle kommunalen Führungskräfte so beieinander. Zeichen dafür, dass die Herren das Thema als sehr wichtig erachteten – auch, weil im Publikum in Mannschaftsstärke diverse Vertreter der Wasserwacht und DLRG saßen? Die Ehrenamtlichen wollen endlich wieder auch im Winter im Tal trainieren und ausbilden können. Aber auch örtliche Hoteliers fanden sich ein. Deren Ansprüche wurden dann später auch zum Gegenstand eines hübschen Disputs …

Oben auf der Bühne präsentierten der Bäderexperte Batz aus Franken und der zweite Bürgermeister aus Tegernsee, Michael Bourjau, die Ergebnisse aus der Arbeit des Kreises. Und die Präsentationen hatten es in sich. Kein Geplänkel, sondern harte Fakten sollten die Zuschauer auf das komplexe Thema “Hallenbad im Tegernseer Tal” einstimmen. Klaus Batz von der Beraterfirma ‘con pro’ begann den Abend und umriss die drei Möglichkeiten für die Kommunen: Spaßbad, Hallenbad oder eine scheinbar günstigere Lösung wie eine Traglufthalle oder eine sogenannte Cabrio-Lösung, ein Bad mit abbaubarem Dach.

Den letzten beiden Vorschlägen zog der Bäderexperte gleich den Stecker. Eine Traglufthalle sei energetisch nicht zu vertreten, optisch für eine Premium-Destination nicht angemessen und eine Cabrio-Lösung würde nicht als Freibad im Sommer akzeptiert werden. Dann war da die Spaßbad-Idee: Wasserrutschen, Sauna und Dampfbäder – so wie es am Achensee mit dem Atoll von den Österreichern vorgemacht wird. Auch hier schüttelte Batz den Kopf. “Da reden wir dann einmal von einer Investitionssumme von bis 70 bis 90 Millionen Euro, von erheblichen Defizitrisiken und einem komplett neuen Standort”, mahnte er. Denn in Bad Wiessee sei aus seiner Sicht, wenn nur eine kleine Freizeitbad-Variante möglich, und die hätte gegen die Konkurrenz in der näheren Umgebung keine Chance. Jedem müsse bewusst sein, dass man mit Hallenbädern keinen Gewinn einfahren könne, es auch angesichts massiv gestiegener Energiepreise ein Defizitgeschäft sei.

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Auf der Info-Veranstaltung zum Tal-Hallenbad. Foto: Martin Calsow.

Nun übergibt er an Michael Bourjau. Der Ex-Berater und die BWL-Geheimwaffe des Tegernseer Bürgermeisters hatte sich um die Möglichkeiten der Finanzierung und der gesellschaftsrechtlichen Fragen gekümmert. Und hier wurde es noch einmal sehr handfest. Konnte man angesichts der monatelangen Stille des Arbeitskreises eine gewisse Agonie zum Thema vermuten, wurde man mit Bourjaus Ausführungen eines Besseren belehrt.

Der Experte verwies darauf, dass sich die Gemeinden “schon frühzeitig auf ein minimalisiertes Badkonzept konzentrieren, ein kommunales Schwimmen ermöglichen wollten.” Zielgruppen seien Schulen, Vereine und Individualgäste. Und das wären die Eckdaten für das Bad selbst:

  • Sportbecken mit 5 Bahnen | 25 Meter
  • Lehrschwimmbecken 8 mal 12,5 Meter
  • Planschbecken 30 Quadratmeter
  • Sprungbrett 1 Meter
  • Geringer Personaleinsatz (Bademeister) & Automaten Check-in
  • Reinigung von Dienstleistern
  • Angebot aller Tal-Gemeinden
  • Dauerhafte Verluste sind Geschäftsverständnis

Wie könnte ein Gesamtkonstrukt ausschauen, welches alle Gemeinden zufriedenstellt?

Bourjau schlägt vor, dass die Gemeinde Bad Wiessee das alte Badepark-Areal für 99 Jahre an eine zu gründende GmbH verpachtet. Gesellschafter wären dort die Tal-Gemeinden (+Waakirchen). Diese GmbH wiederum schließt mit einer wiederum zu gründenden Betriebsgesellschaft einen Pachtvertrag. Gleichzeitig garantieren die Gemeinden eine zu erwartende Verlustübernahme pro Jahr von etwa 1,1 Millionen Euro.

Wie teuer wird der Spaß?

Für den Bau selbst veranschlagt Bourjau im schlechtesten Fall 30 Millionen Euro bei einer Förderung durch den Freistaat von zirka 9 Millionen Euro. Das wäre eine Nettoinvestition von 21 Millionen Euro. Natürlich sind das Schätzungen. Aber Bourjau hat seine Kennzahlen von Bäder-Investoren überprüfen lassen, die ihm seine Größenordnung bestätigten.

Woher kommt das Geld?

Hier rät der Sanierungsexperte Bourjau von Bankverbindlichkeiten ab. Die zu erwartende hohe Zins/Tilgungslast könnte zum haushälterischen Wackerstein für die Gemeinden werden, den Verlust erhöhen. Der Cash-Bedarf bei einer Verschuldung wäre über die Jahre höher, liegt nach Bourjaus Berechnungen bei 2,480 Mio. Euro, statt 1,1 Mio. Euro ohne Verschuldung.

Können wir uns das leisten?

Die 21 Millionen Euro für den Bau des Bads sollen wie folgt aufgeteilt werden: Die vermögenden Gemeinden Bad Wiessee, Tegernsee, Rottach-Egern und Gmund tragen jeweils 4,2 Millionen Euro, Kreuth und Waakirchen hingegen 2,1 Millionen Euro. Steht das Bad, sorgt es für Defizite. Die sollten nach einem gleichen Schlüssel aufgeteilt werden: Mit Zins (ohne Tilgung) z. B. wären das für die drei Onkel Dagobert-Gemeinden 360 000 Euro, für die zwei Donald-Gemeinden 180 000 Euro.

Wann wird das Ding denn mal stehen?

Halten sich die Gemeinden an einen Fahrplan, den der Bäderexperte Batz vorschlug, müssten bis zum Sommer 2024 die sechs Gemeinde/Stadträte das Projekt durchwinken. Dann werden die Förderungen beantragt und spätestens die ersten Bautätigkeiten Ende 2025 beginnen.

Dann kamen die Fragen: Allesamt sprachen dem Arbeitskreis ein großes Lob aus. Die detaillierte Beschreibung der verschiedenen Möglichkeiten, die schon sehr tief vorangeschrittene Finanz- und Gesellschafterplanung, zeugten von einer großartigen Arbeit, betonten unisono alle Fragesteller. Markus Wrba aus Kreuth fragte, ob man das Bad nicht in Kreuth bauen könne, wurde aber von seinem Bürgermeister Sepp Bierschneider korrigiert. Man habe das bereits in einer Gemeinderatssitzung geklärt. Es gäbe keine Fläche, die man wie Bad Wiessee kostenfrei zur Verfügung stellen könne.  

Stefan Niedermaier aus Rottach-Egern (BLITZ) wollte sich mit einem schnöden interkommunalen Hallenbad nicht abfinden. Er erinnerte noch einmal an das Atoll am Achensee. Das sei 2018 erbaut und hätte nur im letzten Jahr Defizite erwirtschaftet. Ob man sich das nicht noch mal als Modell anschauen könne, fragte er die Experten. “Wir haben mit der Verzögerung von kommunalen Bauten in Tegernsee eine bittere Erfahrung gemacht. Binnen weniger Jahren haben sich die Preise zum Teil um 30 Prozent erhöht. Wenn das ‘Atoll’ 2008 vielleicht 30 Millionen Euro gekostet, wird es heuer entsprechend teurer sein. Wir können uns so etwas nicht erlauben”, erklärten Bourjau wie auch Batz. “Wir alle hätten gern das Atoll am See, aber weder der Standort in Bad Wiessee, noch unsere finanziellen Gegebenheiten lassen das zu”, erklärte Bourjau.

Dann stand Korbinian Kohler, Hotelier und Gmunder Gemeinderat, am Mikro. Er wolle noch einmal der Idee eines besseren Angebots das Wort reden. Sauna und ein Dampfbad, da habe er mit seinen eigenen Hotels gute Erfahrungen, müssten doch finanziell zu stemmen sein. Es folgte ein kleines Geplänkel. Kohler: “Wir brauchen so etwas am See, das kann man schon einfach umsetzen”, forderte er. Bourjau antwortete mit feiner Klinge. “Herr Kohler, ich wusste nicht, dass es so einfach ist.” Hier zeigte sich auch eine tegernsee-übliche Diskrepanz. Für Korbinian Kohler, so wirkte es auf den Betrachter, soll das Hallenbad ein ergänzendes Tourismus-Angebot sein. Böse formuliert: Ein Add-on für seine Gäste, finanziert von den Gemeinden?

Erneut betonte Christian Köck, dass “wir zwar tolle Hotels haben, wir aber mit dem interkommunalen Schwimmbad eine Daseinsvorsorge für die Bewohner der Gemeinden schaffen.” Und das bedeuten nun einmal, dass “wir uns das auch leisten können.” Man spürte an dieser Stelle bei manchem im Publikum ein wenig Enttäuschung. Noch immer träumen viele von einem modernen Badepark, mit Sauna-Möglichkeiten und mehr Entertainment für Kinder. Aber am Ende hatte diese sehr umfangreiche, professionelle Präsentation den meisten wohl die Augen für das Mögliche, das Machbare geöffnet. Der Arbeitskreis braucht jetzt schnellstmöglich das grüne Licht aus den Kommunen. Sonst wird es teur und mühsam.   

Auch wenn die Zahlen anstrengen; drei Dinge wurden neben den Planungsständen deutlich:

  1. Diese Arbeitsgruppe hat mit diesem Abend bewiesen, dass mit Transparenz, sehr viel ehrenamtlichen Engagement erstmalig wirklich ein talweites Projekt entstehen kann. Für einen Moment hatten Betrachter das Gefühl, wie eine moderne Idee für eine gemeindeübergreifende Arbeit in der Zukunft aussehen kann.
  2. Wenn Gemeinden jene Bürger, die aus ihrem langen Berufsleben großartige Expertisen und Kontakte haben, sinnvoll einsetzen, können Prozesse, die sonst Jahre dauern, massiv beschleunigt werden.
  3. Wenn sachlich und dennoch leidenschaftlich an einem Ziel gemeinsam gearbeitet wird, hat Populismus mit seinem Gift keine Chance.  

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