In die Tonne getreten – Essen im Abfall

Neulich war Erntedank. Auch in Rottach-Egern gab es eine große Prozession. Traditionell danken Christen an diesem Sonntag für die Ernte.

Brot, Feldfrüchte, Obst und andere Lebensmittel werden gesegnet. Die Hälfte davon kommt auf dem Müllhaufen an. Zumindest statistisch gesehen. Denn 50 Prozent unserer Lebensmittel wandern – global gesehen – in die Tonne. Davon geht die britische Royal Society aus.

Die Hälfte des Essens wandert in den Müll

In Deutschland sind es rund 21 Prozent der von Privathaushalten gekauften Lebensmittel, die nicht im Magen eines Menschen ankommen. Laut einer Studie der Firma Cofresco Frischhalteprodukte wirft jeder Deutsche jährlich im Durchschnitt rund 80 Kilo Lebensmittel weg.

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Grund dafür ist meist das überschrittene Mindeshaltbarkeitsdatum. Dabei dürfte es einem eigentlich klar sein, dass die meisten Lebensmittel auch ein paar Tage danach noch verzehrt werden können, wenn die Verpackung noch in unangebrochenem Zustand ist. Ein Geruchs- und Geschmackstest bringt in der Regel Sicherheit.

Die Kette des Wegwerfens

Es ist aber nicht nur der Verbraucher, der Essen in die Tonne tritt. In seinem ersten Kinofilm „Taste the waste“ (läuft derzeit in Bad Tölz) zeigt Valentin Thurn eine regelrechte Kette des Wegwerfens.

Diese beginnt schon beim Bauern, der die kosmetischen Vorgaben des Handels naturgemäß nicht immer erfüllen kann: Karotten sollten gerade sein, Kartoffeln rund. Sonst haben sie keine Chance, im Supermarkt-Regal zu stehen. Händler haben meist keine größeren Lagermöglichkeiten, weshalb die Ware “just in time” geliefert werden muss.

Kommt es zu Problemen, müsste die Ware vernichtet werden. Im Handel herrscht ein scharfer Wettbewerb. Handelsketten bestellen häufig mehr Waren, als sie verkaufen können. Sie bemühen sich, den Verbrauchern immer bis kurz vor Ladenschluss das gesamte Sortiment zu bieten. Aus Sorge, dass man zur Konkurrenz geht, wenn das Lieblingsprodukt nicht mehr verfügbar ist.

Anscheinend ist es tatsächlich billiger, unverkaufte Joghurts wegzuwerfen, als Kunden zu verlieren. Bis zu 20 Millionen Tonnen Lebensmittel werden jedes Jahr alleine in Deutschland weggeworfen. Und es werden immer mehr. Das hat Thurn herausgefunden.

Einkaufen – wegschmeißen – tafeln

Unverkaufte Lebensmittel werden zumindest teilweise an die Tafel gegeben. „Frischeartikel haben meist ein Mindesthaltbarkeitsdatum von mehr als einem Tag“, erzählt Helga Auth von der Gmunder Tafel. Sie ist im großen und ganzen zufrieden mit den Lieferungen.

Helga Auth (zweite v. rechts) und ein Teil des Tafel-Teams

Zahlreiche regionale Märkte versorgen die Tafel: DM, Lidl, Müllermarkt, Aldi, Netto, Penny, Edeka Waakirchen, die Firma Wunderlich sowie die Markthalle. Auf insgesamt 24 regelmäßige Lieferbetriebe kann Auth zählen. Bäckereien und Metzgereien – darunter die Betriebe Trettenhahn, Holnburger und Wild – liefern frische Back- beziehungsweise Fleisch- und Wurstwaren.

Demgegenüber steht eine hohe Nachfrage bedürftiger Bürger: Rentner mit schmalem Einkommen, Familien, alleinerziehend Mütter. Jeden Samstag versorgen die Initiatoren schätzungsweise 85 Kunden an ihrer Tafel. „Übrig bleibt eigentlich nie was“, sagt Auth. Und wenn doch, dann holt die Reste ein Bauer ab, der das ganze an seine Tiere verfüttert.

Wiederverwertung ist wichtig

Das Verfüttern ist wichtig – schon allein aus Gründen des Klimaschutzes. Organische Lebensmittel sind ein Teil unserer Natur. Werden Sie in den Verwertungskreislauf gegeben, erhält die Natur sie wieder zurück. Nahrung sollte deshalb nicht rücksichtslos in der Umwelt beseitigt werden.

Das System, in welchem die Lebensmittel-Wiederverwendung zum Betanken von Biogasanlagen, für die Produktion von Ökostrom oder Kompost übernommen wird, hilft deren Betreiber, einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und eine saubere Zukunft zu sichern.

Die VIVO Warngau – oder in Langform “Kommunalunternehmen für Abfall-Vermeidung, Information und Verwertung im Oberland” – produziert beispielsweise in der Kompostieranlage aus Biomüll 2,5 Millionen Kilowattstunden Energie. Das ganze wird bei E.ON eingespeist und versorgt 700 Haushalte. Außerdem entstehen daraus 5.000 Tonnen Kompost pro Jahr.

In der Rottehalle des Kompostwerks entstehen über einen längeren Zeitraum hinweg Temperaturen bis zu 75 Grad Celsius. Dadurch können Speisereste verarbeitet werden, ohne dass Krankheitserreger den Kompostierungsprozess überleben. Der Kompost ist ein natürlicher Dünger, der als Bodenverbesserer wieder im Garten eingesetzt werden kann.

Mehr Müll im Tal als anderswo

Walter Hartwig, Vorstand der VIVO, ist zufrieden mit der Entwicklung in den letzten Jahren. 60.000 Tonnen beträgt das Gesamtmüllvolumen aus dem gesamten Landkreis im Jahr. 80 Prozent werden wiederverwertet.

Tendenziell entsteht generell mehr Müll im Tegernseer Tal als in den restlichen Gemeinden im Landkreis. Grund dafür sei der Tourismus und die damit einhergehende zeitweise höhere Bevölkerungsdichte. Offene Lebensmittel landen in der Regel in der braunen Biotonne (Rund 2,5 bis 3 Tonnen pro Jahr).

Lebensmittel und Küchenabfälle wie Obst-, Salat- und Gemüseabfälle, Speisereste, Fisch, Fleisch und Knochen, Eier-, Nuss-, Zitrusschalen, Kaffeefilter, Teebeutel können bedenkenlos eingeworfen werden. Hotels, Gaststätten, Restaurants und sonstige Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung entsorgen über eine Konfiskattonne spezialisierter Firmen.

Eigenkompostierung hat Vorrang

Auch der Komposthaufen im eigenen Garten trägt zur Wiederverwertung bei. Laut Hartwig sollte die Biotonne die Eigenkompostierung keinesfalls ersetzen. Sie sei als Ergänzung zu verstehen.

Walter Hartwig

Alle organischen Abfälle, die keine hygienischen Probleme bereiten, sollten weiterhin im eigenen Garten kompostiert werden. Gekochte Essensreste sowie verdorbene Lebensmittel ohne Verpackung sollte man nicht auf den Komposthaufen, sondern in die Biotonne geben.

Walter Hartwig bedauert, dass die Abfallvermeidung bei den Leuten in Vergessenheit geraten ist. Das Hauptproblem seien nach seiner Ansicht Einwegflaschen und Verpackungen. Der VIVO-Chef rät Verbrauchern, Lebensmittel bedarfsgerecht einzukaufen und Mehrweg dem Einweg vorzuziehen.

Die Verantwortung des Verbrauchers

Es liegt also auch an der Verantwortung des Verbrauchers, ob sich am System etwas ändert. Kaufe ich mal eine andere Sorte Brot, wenn meine gerade ausverkauft ist? Nehme ich den Apfel mit der kleinen Druckstelle, die Banane mit der braunen Stelle oder die krumme Gurke? Wer es tut, zeigt dem Markt, in dem er einkauft, dass er lieber spärlicher gefüllte Regale und leere Mülltonnen sehen möchte.

Kritischer konsumieren heißt auch, sich beim Einkaufen stets zu fragen: Brauche ich das wirklich? Ein Einkaufszettel hilft bei der Übersicht. Auch die richtige Lagerung ist entscheidend, damit Lebensmittel länger halten. Denn auch ein reduzierter Gesamtverbrauch macht Nachhaltigkeit aus. Einkaufen macht nicht wirklich glücklich. Zeit mit Freunden zu haben oder aktiv, kreativ oder auch mal faul zu sein, bringt meist mehr Freude.

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