Die Realschule in Gmund gibt Einblick in ihre digitalen Klassen. Hier haben die Kinder in der 7. und 8. Klassen ein iPad im Ranzen.
Tabletklassen. Für viele noch Zukunft. Für die Realschule Tegernseer Tal in Gmund schon fast normal. “Die Digitalisierung geht nicht wieder weg, dann muss sich auch die Schule dieser Aufgabe widmen”, so Schulleiter Tobias Schreiner, der zum Pressegespräch eingeladen hat. Anlass? Die Scheckübergabe eines neuen Zukunftspaten. Die Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee unterstützt die Idee mit 1000 Euro. Und es geht um die Auswertungen einer Eltern- und Schüler-Befragung. Anonym. Geht da nicht die Handschrift flöten? Welche positiven Effekte zeigen sich?
Weniger Papier, mehr Organisation?
Weniger Papier, sprich weniger Kopien, sind ein klares Ergebnis der Lehrerbefragung. Bei der Frage, ob sich die Anzahl von Kopien und Arbeitsblätter reduziert hätten, kreuzten alle 27 Lehrkräfte “deutlich verringert” an. “Es ist eine große Erleichterung, dass man nicht mehr kopieren muss. Ich finde es toll, den Schülern auch farbige oder umfangreiche Arbeitsblätter zur Verfügung stellen zu können, die ich vorher wegen des vielen Kopierens so vielleicht nicht gemacht hätte”, schreibt eine Lehrkraft in der Auswertung.
Ich finde es toll, den Schülern auch farbige oder umfangreiche Arbeitsblätter zur Verfügung stellen zu können, die ich vorher wegen des vielen Kopierens so vielleicht nicht gemacht hätte.
Als weiteren Vorteil nennt Paul Wimmer, Schulpsychologe und Projektleiter für das “Digitale Schule der Zukunft”-Projekt, dass vergessliche Schülerinnen oder Schüler mit ADHS-Problematik sich mit dem iPad besser organisieren könnten. Sie müssten eben nicht an die passenden Bücher zum Stundenplan denken, sondern haben immer alles digital parat, beschreibt Wimmer.
Pädagogik first
Doch es gibt auch Nachteile. So gibt eine Schülerin der 7. Klasse zu bedenken, dass es ihr schwerfällt, das Große und Ganze zu erfassen. Da zoomt es sich auch mal schnell hinein und hinaus, das strengt an:
In den hinteren Bänken spielen viele auf dem iPad, das kriegen die Lehrer dann gar nicht immer mit. Éine Schülerin
Dass auch die Lehrer gefordert sind, sich mit der neuen Technik auseinanderzusetzen, gibt auch Carolin Härtle, Englischlehrerin zu. Auch sie hat sich daran gewöhnen müssen. Die Lehrerin kann von ihrem iPad theoretisch auch alle iPads der Schüler “steuern”. Etwa, indem nur eine bestimmte App zugelassen wird. Eine Möglichkeit, von der niemand Gebrauch macht – so die Schule einstimmig. “Wir wollten das lieber pädagogisch angehen”, erklärt Wimmer. Und dass das iPad die Schulbücher nicht ersetzen, sondern ergänzen soll, ist ein klares Credo der Schule. Was auch daran liegt, dass die Schulbuchverlage im Digitalen noch aufzuholen haben.
Umgekehrt findet Beetz es klasse, dass die Schüler viel intensiver Englisch lernen können. Gerade für das Erlernen von Fremdsprachen öffnet das Digitale damit neue Wege. Wer Englisch nur ab und zu im Sprachlabor “hören” und “sprechen” durfte, kann seinen Sprachmuskel nicht trainieren. Wer dagegen selbstbestimmt lernen darf und Sprachbeispiele in Dauerschleife abspielen kann, hält zumindest den Schlüssel zu einem fundierten Sprachverständnis in der Hand.
Was kostet die Digitalität?
Die Sorge, dass die Kinder ihre Handschrift verlernen, war eine große Befürchtung. Von Eltern, wie Lehrerinnen und Lehrern. Ob die Kinder das iPad dann auch mit dem dazugehörigen Stift bedienen? Schließlich wurde der dazu angeschafft, um diese Sorge einzufangen. Eine klare Mehrheit der Kinder gibt an, dass sie das Pad vor allem mit dem Stift bedienen (immer), und in etwas Abstand benutzen sie “Touch-Gesten” (häufig).
Jetzt geht es in die nächste Runde, in der das pädagogische Arbeiten in den Vordergrund rückt. Denn im ersten Teil des Projekts ging es darum, das Ganze zum Laufen zu bringen, so erklären es Schreiner und Wimmer. Also die formalen und technischen Hürden zu überspringen. Denn die iPads mussten von den Eltern gekauft werden. Sie mussten also in Vorleistung gehen, mit 345 Euro pro iPad. Stift und Hülle sind nicht eingerechnet. Die Förderung beim Kultusministerium beantragen – 300 Euro pro Pad. Die kann aber erst nach dem Kauf beantragt werden. Papier- und Internet-Ausdruckskram, der bei den Eltern hängen bleibt. 100 bis 150 Euro mussten die Eltern für alles noch dazugeben.
Da die Summe für einzelne Familien nicht leistbar ist, hat die Schule Unterstützungsmöglichkeiten geschaffen. Etwa die Spende des neuen Zukunftspaten. Warum sich die Schule dann ausgerechnet ein Apple-Produkt leistet? Wenn es doch auch günstigere Tablets gibt? Das erklärt Schreiner vor allem damit, dass die iPads ziemlich “wartungsarm” seien. Eine Vollzeit-It-Stelle könne sich die Schule schlicht nicht leisten. Bisher scheinen die Geräte ziemlich gut zu funktionieren, Beschwerden gab es in der Befragung keine.
Wie es weitergeht
Die Realschule wird das Projekt zunächst auf die 9. Klasse (2023/24) und schließlich auch auf die 10. Klasse (2024/25) ausweiten. Die iPad-Klassen werden in den 8. und 9. Klassen fortgeführt. Der Fokus in nächster Zeit liegt dann auf der Pädagogik und der Frage: Wie verändert sich das Lernen durch die digitalen Möglichkeiten?
Die Realschule Tegernseer Tal ist eine der 250 “Digitalen Schulen der Zukunft”, ein Pilotprojekt des Bayerischen Kultusministeriums. Im nächsten Schritt hat das Ministerium 400 Euro in Aussicht gestellt und will den Piloten um 100 Schulen vergrößern.
SOCIAL MEDIA SEITEN