Bikepark Gmund
Irgendwo zwischen Auerwild und Stubenhockern

In Montreal ringen die Staaten miteinander, die Biodiversität auf unserem Globus zu retten. In Gmund offenbart sich um den geplanten Bikepark ein Teil des Dilemmas, in dem wir alle stecken.

Auf der vom Wald eingerahmten Wiese oberhalb der bebauten Fläche des Freizeitparks Ostin soll der neue Bikepark entstehen. / Quelle: Bikepark

Am Oedberg, der lokalen Freizeitanlage des Tegernseer Tals, soll ein Bikepark entstehen (wir berichteten). Die bereits bestehende Anlage mit Skiliften, Klettergarten, Wohnmobilstellplätzen, Skischule, Gaststättenalm und Sommerrodelbahn soll um einen großen Bikepark, 47 Zeltplätzen und der zugehörigen Infrastruktur und Parkplätzen erweitert werden. Ein großes kommerzielles Tourismus-Projekt.

Die Gemeinde Gmund, zuständig auch für dieses Gebiet, unterstützt die Pläne von Betreiber Georg Reisberger, Geschäftsführer am Oedberg und gleichzeitig Teilhaber am geplanten Bikepark. Um das Projekt zu realisieren, musste der Flächennutzungsplan geändert und der Bebauungsplan verabschiedet werden.

Die Räte in Gmund sind mehrheitlich bereit dazu. Entscheiden wird letztendlich das Landratsamt und damit der Freistaat. Dafür werden die Pläne öffentlich ausgelegt und die Stellungnahmen der Behörden und betroffenen Stellen im öffentlichen Interesse eingeholt. So auch geschehen in Gmund. Anfang Dezember haben die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT), der Tierschutzverein sowie die Kreisgruppe im Bund Naturschutz (BN) zu dem Projekt in Ostin Stellung bezogen (zu finden unter den Links).

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Naturschützer stellen sich vehement gegen Bikeparkpläne

Wie es ihre Aufgabe ist, stellen sich alle drei Natur- und Kulturschutzorganisationen entschieden gegen das Projekt. In der detaillierten Stellungnahme der SGT werden explizit die negativen Auswirkungen eines erneuten Eingriffs des Menschen in die Natur dokumentiert. Dieser habe fatale Folgen für den Arten- und Biotopschutz im Bereich der geplanten Anlage. Unter anderem kritisiert die Schutzgemeinschaft in der Stellungnahme scharf die rein kommerziellen Interessen der Initiatoren um den Ostiner Unternehmer Reisberger.

Auch die sinkende Rentabilität der Skilifte wird weiter die Phantasie anregen. Die ökologischen Folgen
werden bereits jetzt erkennbar. Stellungnahme der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal – 08.12.2022

Auch der BN lehnt die Herausnahme des rund vier Hektar großen Planungsgebietes unterhalb des Oedberg aus dem Landschaftsschutzgebiet vehement ab. Dazu verweist der Naturschutzverein auf das bestehende Arten- und Biotopschutzprogramm in Miesbach hin, zu dem die Landschaftseinheit „Gindelalmschneid“ im Speziellen gehöre und ebenfalls von der geplanten Nutzungsänderung betroffen sei.

Ein weiterer Grund für die Ablehnung ist für den BN die schlechte ÖPNV-Anbindung des gesamten Sondergebietes, was zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen und damit weiteren Beeinträchtigungen der Natur führen werde.

Die Planungen sind mit der Schutzgebietsverordnung nicht vereinbar. Eine Herausnahme aus dem
Landschaftsschutzgebiet wird vehement abgelehnt. Bund Naturschutz, Kreisgruppe Miesbach, 09.12.2022

Ohne werten zu müssen, wird in den jeweiligen Stellungnahmen klar, dass die Entscheidung der Fachverbände nur konsequent ist, das Bikeparkprojekt kategorisch abzulehnen. Das Gut “Natur” wird durch die Bebauung des Bikeparks wieder einmal massiv bedroht.

Doch vielleicht ist es nicht so einfach?

Am Oedberg wird um vier Hektar gestritten, bei der 15. Weltbiodiversitätskonferenz (COP 15) der Vereinten Nationen in Montreal hingegen um die Zukunft der ganzen Welt. In 14 Tagen versuchen die Vertreter der Länder der Welt ein globales und völkerrechtlich bindendes Abkommen abzuschließen, das Natur, Ökosysteme und Arten schützen und diejenigen belohnen soll, die sie bewahren. Ähnlich dem Klimaabkommen von Paris 2015. Wissenschaftler weltweit halten es für möglich, dass Ende dieses Jahrhunderts eine Million Arten von Pflanzen und Tieren von der Erde verschwunden sein könnten. Tropische Korallenriffe sind bereits jetzt zur Hälfte tot.

In Deutschland gelten noch 0,6 Prozent der Gesamtfläche als Wildnis. Kurioserweise hat sich zum Teil der Mensch als einer der großen Schützer der Natur entwickelt. Bei uns zum Beispiel werden immer wieder die Almbauern als Landschaftspfleger genannt. Im Großen sind es oft die indigenen Völker, die im Einklang mit und auch von der Natur leben. Und doch sagt UN-Generalsekretär António Guterres, der Mensch sei zu einer “Massenvernichtungswaffe” geworden und fordert zu Beginn der COP 15:

Wir führen Krieg gegen die Natur. Bei dieser Konferenz geht es um die dringende Aufgabe, Frieden zu schließen. António Guterres, UN-Generalsekretär – 09.12.2022

Dieser kleine Ausflug in die Welt zeigt, dass eine Entscheidung, wie sie Ostin gerade getroffen werden muss, im Kontext einer globalen Bedrohung zu begreifen ist.

Menschliche Bedürfnisse sind auch ein Faktor

Es verdeutlicht jedoch auch, wie komplex die Entscheidungsfindung und die Abwägung der Interessen ist. Auch wir Menschen sind ein wichtiger Teil der Welt. So bleiben auch immer unsere Interessen Teil der Lösungen. So wie beim Bikepark und den Campingplätzen, die in Gmund entstehen sollen sowie vielen anderen Projekten rund um den Tegernsee.

Nehmen wir die Kids im Tal. Laut einer aktuellen Studie der Stiftung Kindergesundheit leiden viele von ihnen an akutem Bewegungsmangel. Am Tegernsee kann man im Sommer schwimmen, Radeln und im Winter Skifahren – und sonst? Kein Badepark mehr, wenig Sportangebote und Trendsportarten? Fehlanzeige. Außerdem: Die Berge sind kein Spielplatz, heißt es immer wieder.

Nicht zu vergessen die wirtschaftlichen Interessen in der Region. Wir leben hier zum überwiegenden Anteil vom Tourismus und den touristischen Angeboten. Auch die Klimakatastrophe und die dadurch notwendige Mobilitätswende stellt eine Herausforderung für das Tal dar. Alles Faktoren, die mit den gebotenen Schutzmaßnahmen für die Biodiversität immer wieder neu abgewägt werden müssen.

Ein Leser schlug vor, doch einfach alle Freizeitangebote – wie auch das noch neu zu erbauende Schwimmbad – einfach in Ostin zu konzentrieren, um das Verkehrsaufkommen im Tal selbst zu reduzieren. Die Frage, die wir uns alle am Ende hier im Tal stellen sollten, lautet: Wie schaffen wir es in der Zukunft zufrieden und in Einklang mit der Natur zu leben – gut zu leben?

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