Ist Skepsis gegenüber Astra-Zeneca berechtigt?

Die Unsicherheit bezüglich des Astra-Zeneca Impfstoffes ist in den letzten Wochen gewachsen. Aus Angst vor Nebenwirkungen lehnen manche Bürger den Impfstoff sogar ab. Doch inwieweit sind die Sorgen berechtigt? Der ärztliche Leiter des Impfzentrums Dr. Thomas Straßmüller klärt auf.

Dr. Thomas Straßmüller ist der ärztliche Leiter des Impfzentrums in Hausham.

Geringere Wirksamkeit, starke Nebenwirkungen und ein anderer Wirkmechanismus. Dem Impfstoff AstraZeneca haften immer mehr vermeintlich negative Eigenschaften an, der viele Menschen mit einer Impfung hadern lässt. Zu unrecht, weiss Dr. Thomas Straßmüller aus Gmund. Wir haben ihm einige Fragen gestellt.

Inwieweit ist die Sorge beziehungsweise Kritik an extremen Nebenwirkungen berechtigt ?

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Dr. Thomas Straßmüller: Der Impfstoff von Astra-Zeneca verursacht häufig Gliederschmerzen, Abgeschlagenheit, gelegentlich auch Fieber über 1-2 Tage. Die Symptome bilden sich nach diesem Zeitraum komplett zurück. Das ist nicht schön, aber wenn man sich darauf einstellt und weiß, dass es bald wieder vorbei ist, dann kann man sich damit arrangieren.

 

Woher könnten die starken Nebenwirkungen kommen ?

Dr. Thomas Straßmüller: Es handelt sich hierbei um die Reaktion des Immunsystems auf den Impfstoff. Insofern ist es eigentlich kein schlechtes Zeichen für die Betroffenen. Es hängt mit der Wirkung der Impfung zusammen.

 

Welche Erfahrungen mit Nebenwirkungen haben Sie gemacht ?

Dr. Thomas Straßmüller: Wir haben oben genannte Nebenwirkungen beobachtet, besonders bei jüngeren Leuten, und etwas häufiger bei Frauen als bei Männern. Auch dies ist mit der Reaktion des Immunsystems erklärbar.

 

Inwieweit ist die Sorge um die Wirksamkeit des AstraZeneca Impfstoffes berechtigt ? Im Gegensatz zu den Impfstoffen von Biontech und Moderna, handelt es sich hierbei ja nicht um ein mRna- Vakzin sondern um einen Vektorimpfstoff. Spielt diese Tatsache bei Wirkung und Nebenwirkung eine Rolle ?

 

Dr. Thomas Straßmüller: Der Impfstoff von Astra ist hochwirksam. Das haben uns zuletzt in der vergangenen Woche die Daten aus England und Schottland gezeigt. Das hat dann auch dazu geführt, dass man die nur in Deutschland gültige Altersbeschränkung auf Personen unter 65 Jahre aufgehoben hat.

Der Impfstoff schützt 3 Wochen nach der ersten Dosis zu etwa 70% vor einer Infektion und zu annähernd 100% vor einem schweren Verlauf mit Aufenthalt auf der Intensivstation. Und das ist es ja, was verhindert werden soll.

Nebenbei bemerkt wurde der Impfstoff von AstraZeneca bei uns im Impfzentrum gut angenommen. Anderslautende Presseberichte haben mich und auch die Kollegen aus umliegenden Impfzentren erstaunt. Bei uns ist keine Impfdosis liegengeblieben.

Und eines möchte ich auch noch betonen: Wir haben seit Impfbeginn in Hausham keine Dosis weggeworfen!

Die Tatsache, dass es sich um einen Vektorimpfstoff handelt könnte tatsächlich bei den Nebenwirkungen eine Rolle spielen. Der Körper reagiert beim Vektorimpfstoff auch gegen das Vektorvirus mit einer Abwehrreaktion. Allerdings haben wir ähnliche Nebenwirkungen auch bei den mRNA Impfstoffen gesehen. Meist nach der zweiten Impfung.

 

Würden oder haben Sie sich bedenkenlos mit AstraZeneca impfen lassen ?

Dr. Thomas Straßmüller: Ja. Übrigens wurde im Landkreis ein großer Teil der impfberechtigten Ärztinnen und Ärzte mit dem Impfstoff von Astra-Zeneca geimpft. Die oben genannten Erfahrungen mit den Nebenwirkungen stammen zum Teil von jüngeren medizinischen und zahnmedizinischen Fachangestellten.

 

In Kürze sollen auch niedergelassene Hausärzte mit dem Impfen beginnen. Wie realistisch ist dieses Vorhaben. Handelt es sich dabei um ein gutes Konzept ?

Dr. Thomas Straßmüller: An der Impfung durch niedergelassene Ärzte geht kein Weg vorbei. Die Praxen können impfen, das ist deren Alltag. Ich hoffe, dass man den Praxen nur einen Bruchteil der Bürokratie aufbürdet, die man aktuell den Impfzentren auferlegt. Außerdem hoffe ich, dass man das Impfen in den Praxen zu einem Zeitpunkt startet, zu dem ausreichend Impfstoff vorhanden ist.

Wenn man zum jetzigen Zeitpunkt mit dem Impfen in den Praxen beginnen würde, dann bekäme jede Praxis eine sehr geringe Menge Impfstoff, etwa 5-20 Impfdosen pro Woche. Das würde die Praxen vor große Schwierigkeiten stellen. Denn wem würde man in der Praxis den Impfstoff geben, und wem nicht? Außerdem hätte man dabei nichts gewonnen, denn die Kapazität des Impfzentrums ist aktuell nicht ausgereizt.

Wir könnten leicht 1/3 mehr verimpfen.

Es wurde beschlossen, dass jeder Bürger einen kostenlosen Schnelltest pro Woche erhält. Wie ist das bei uns überhaupt realisierbar ? Denken Sie die Menschen werden das Angebot nutzen ?

Dr. Thomas Straßmüller: Realisiert wird das über Apotheken, Arztpraxen und das Testzentrum – je nach Ansturm keine leicht Aufgabe. Die Leute werden das Angebot annehmen, wenn sie eine Bestätigung über einen negativen Schnelltest brauchen. Ansonsten glaube ich, dass die Menschen in Zukunft auch im großen Stil die Selbsttests aus den Drogerien nutzen werden.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

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