Einstimmig hat der Fakultätsrat der Münchner Bundeswehruniversität dem 61-jährigen seinen Doktortitel aberkannt und Kreidls Leistung als “nicht dissertationswürdig” eingestuft. Wir haben bereits einige Zeit vor der Entscheidung der Universität Jakob Kreidl interviewt. Dieser betont unter anderem, dass er heute einiges anders machen würde.
Hallo Herr Kreidl, ohne Zweifel sorgte Ihr Doktortitel für viel Aufsehen in Ihrer vergangenen Amtsperiode. Was würden Sie vor diesem Hintergrund einem Schüler sagen, dem Sie ein Zeugnis überreichen, wenn dieser Sie nach Ihrer Moral bei der Doktorarbeit fragt?
Jakob Kreidl: Bisher hat mir noch kein Schüler eine derartige Frage gestellt. Ich würde in diesem Fall antworten, dass es zu keinem Zeitpunkt meine Absicht war, gegen die Promotionsordnung zu verstoßen. Fehler können jedoch passieren.
Direkt nach Bekanntwerden der Vorwürfe klang das aber noch anders. Woher kommt der Sinneswandel?
Jakob Kreidl: Das kann ich Ihnen erklären. Es ruft bei Ihnen jemand von der Presse an und konfrontiert Sie aus dem Nichts mit dieser Anschuldigung. Die Vorwürfe kamen für mich völlig unvorbereitet, weil ich davon überzeugt war, dass ich während der gesamten Dissertation gründlich recherchiert habe. Da ich nicht bewusst etwas gefälscht habe, habe ich mich zunächst zurückgehalten und mir Zeit erbeten, die Arbeit noch mal zu überprüfen.
Laut der Internetplattform VroniPlag sollen Sie über 90 Prozent Ihrer Doktorarbeit plagiiert haben. Haben Sie damals bewusst abgeschrieben?
Jakob Kreidl: Nein, das habe ich nicht. Ich habe meine Quellen nicht genau zitiert. Ich würde VroniPlag allerdings nicht allzu sehr vertrauen. Ich verlasse mich hier allein auf das Urteil der Universität. Denn klar ist auch, dass jede Doktorarbeit auf historischen Quellen und der Arbeit anderer aufbaut. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank Walter Steinmeier hatte laut VroniPlag zum Beispiel über 80 Prozent übernommen und durfte seinen Doktortitel behalten. (Anmerkung der Redaktion: Laut VroniPlag sind es knapp über 24 Prozent)
Sie waren damals allerdings schon ein 53-jähriger Berufspolitiker und kannten sich in dem Geschäft aus. Haben Sie vor dem Unterschreiben der eidesstattlichen Versicherung Ihre Arbeit nicht noch mal überprüft?
Jakob Kreidl: Natürlich habe ich meine Arbeit vorher noch mal überprüft. Aber damals standen die technischen Hilfsmittel nicht zur Verfügung, die es heute gibt. Hätte es diese gegeben, hätte ich sie auch angewendet.
Titel war persönliches Interesse
Warum haben Sie dann überhaupt Ihren Doktor gemacht? Hat er Ihnen in Ihrer politischen Laufbahn geholfen?
Jakob Kreidl: Ich bin Landrat geworden wegen der Wahlergebnisse, nicht wegen eines Titels. Daher war der Doktor für meinen beruflichen Werdegang ohne Bedeutung. Ich habe ihn allein aus persönlichen Gründen gemacht. Es war für mich eine Herausforderung, und ich habe es als spannend empfunden, mich mit einem so interessanten und damals ja auch noch aktuellen Thema wie dem Kosovo-Konflikt intensiv befassen zu dürfen.
Mit dem Vorwissen, das Sie jetzt haben, würden Sie rückblickend etwas anders machen?
Jakob Kreidl: Sicherlich würde ich einige Dinge anders machen. Aber ich glaube, das geht jedem Menschen so. Im Nachhinein ist man immer klüger.
Sagen Sie es frei heraus: Würden Sie den Doktortitel heute noch mal machen oder nicht?
Jakob Kreidl: Ja, ich würde meinen Doktor wahrscheinlich noch einmal machen wollen, weil ich das Thema nach wie vor spannend finde. Allerdings nur, wenn ich die technischen Hilfsmittel von heute zur Verfügung hätte, um die Arbeit abschließend zu kontrollieren.
Wie wollen Sie nun in der kommenden Amtsperiode „verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen“, wie Sie selber bei Ihrer Nominierungsveranstaltung gesagt haben?
Jakob Kreidl: Ich will das Vertrauen der Leute zurückgewinnen, indem ich noch mehr mit ihnen in Dialog trete. So wie es jetzt auch bei dem Verkehrsforum war. Ich möchte mehr solche Begegnungen und Veranstaltungen abhalten, an denen sich die Bürger mit Ideen und Vorschlägen einbringen können, und so den Bürgerdialog intensivieren.
Verkehrskonzepte in der Praxis erproben
Sie haben selber das Thema Verkehr angesprochen. Schon seit Jahrzehnten sucht man nach einem schlüssigen Verkehrskonzept. Wieso dauert das so lange?
Jakob Kreidl: Man muss immer sehen, dass das ein relativ schwieriger Prozess ist, den man schrittweise gehen muss. Zunächst werden beispielsweise Erhebungen durchgeführt, dann müssen Zuständigkeiten geklärt und die finanziellen Mittel generiert werden, all das dauert. Aber die Kreisverkehre in Gmund und Waakirchen zeigen, dass es vorangeht.
Was erhoffen Sie sich persönlich in Sachen Verkehr?
Jakob Kreidl: Ich hoffe auf gute Ideen, wie beispielsweise eine intelligente Ampelsteuerung an der Kreuzstraße oder ein Verkehrsleitsystem.
Der Gmunder Gemeinderat und Verkehrsexperte Anton Grafwallner hat so eine Optimierung ja schon einmal durchgespielt – vor etwa drei Jahren. Sie haben nun eine ganze Amtsperiode Zeit gehabt, die Ideen umzusetzen. Passiert ist bisher jedoch wenig. Warum hat man nicht schon früher solche Themen angepackt?
Jakob Kreidl: Ich stehe in engem Kontakt zu Anton Grafwallner und habe ihn auch bewusst zu dem Verkehrsforum, das kürzlich stattgefunden hat, miteingeladen. Wie ich schon gesagt habe, steht allerdings immer die Frage im Raum, wie man das finanzieren kann. Ich werde mich aber in jedem Fall dafür einsetzen, dass diese Methoden demnächst in der Praxis getestet werden.
Auch eine Ringbahn wird immer wieder ins Gespräch gebracht. Ist das denn überhaupt umsetzbar?
Jakob Kreidl: Ich denke schon. Nach dem letzten Verkehrsforum am Margarethenhof soll in jedem Fall jetzt eine Grobplanung erstellt werden. Man sollte auch darüber nachdenken, das vorhandene Schienennetz mehr zu nutzen. Außerdem werden wir uns auf die Suche nach Flächen begeben, die für eine Streckenführung genutzt werden könnten. Da braucht man ja nicht so viel Platz wie auf einer zweispurigen Straße.
Vertrauensbasis herstellen
Kommen wir zu einem weiteren Thema, das die Menschen bei uns im Tal bewegt: die anstehende Tourismusfusion. Viel Skepsis herrscht derzeit unter den Gemeinden. Haben Sie mit solchen Problemen schon beim Grundsatzbeschluss gerechnet?
Jakob Kreidl: Nein, ehrlich gesagt nicht. Aber vielleicht waren wir mit unserem Zeitplan auch zu ambitioniert und haben die Leute nicht richtig mitgenommen.
Können Sie denn garantieren, dass Schliersee keine Zugeständnisse oder Nebenabreden gemacht wurden?
Jakob Kreidl: Ich hab mich im Vorfeld noch einmal bei Bürgermeister Schnitzenbaumer informiert. Er hat mir versichert, dass es keine Zugeständnisse gegeben hat. Das Protokoll der Gemeinderatssitzung bestätigt dies.
Nachdem die Bürgermeister das Protokoll aus der Schlierseer Sitzung akzeptiert haben, stehen nun die Detailverhandlungen an. Wie wollen Sie verhindern, dass die gleichen Streitigkeiten erneut ausbrechen?
Jakob Kreidl: Wir müssen eine gemeinsame Vertrauensbasis herstellen. Und das soll durch mehr Transparenz erreicht werden. Dafür ist es vor allem wichtig, dass alle zur gleichen Zeit dieselben Informationen haben. Aus der Vergangenheit haben wir gelernt, dass große Informationsveranstaltungen uns hier nicht weiterbringen. Daher denke ich, dass ein gemeinsamer E-Mail-Verteiler eventuell zielführender ist. So ist jeder zu jeder Zeit auf demselben Stand.
Glauben Sie denn, dass der neu anvisierte Startzeitpunkt am 1. Januar 2015 gehalten werden kann?
Jakob Kreidl: Das werden wir sehen. Wir müssen nun zunächst Schritt für Schritt vorgehen. Gründlichkeit geht hier vor Schnelligkeit. Wichtig ist, dass wir überhaupt das Ziel erreichen.
„Ich habe keinen Plan B“
Haben Sie denn einen Plan B, sollte die Fusion doch noch scheitern?
Jakob Kreidl: Nein, den habe ich nicht. Ich halte es jetzt, da sich einmal alle Gemeinden auf einen gemeinsamen Nenner geeinigt haben, auch nicht für sinnvoll, vom vorgegebenen Ziel abzuweichen. Ich glaube zutiefst, dass eine breite Mehrheit der Menschen im Landkreis für diese Fusion ist.
Gerade die Menschen im Tegernseer Tal verstehen aber häufig nicht, was die Fusion ihnen in Zukunft bringen soll. Wie würden Sie es einem Tegernseer Gastgeber verständlich erklären, warum er für eine Fusion der Tourismusorganisationen sein soll?
Jakob Kreidl: Wenn jeder sein eigenes Tourismusmanagement betreibt, dann kann das auf Dauer nicht gut gehen. Alle anderen Regionen schließen sich ebenfalls zusammen. Auch wir müssen hier zusammenarbeiten, um mit dieser starken Konkurrenz Schritt halten zu können. Weil wir gemeinsam stärker auftreten können, profitiert auch das Tegernseer Tal von einem gemeinsamen Tourismusmarketing. Klar ist aber auch, dass wir keinen Vermieter dazu zwingen können, mitzumachen. Wir müssen jedoch daran arbeiten, dass die Menschen den Mehrwert auch erkennen.
Herr Kreidl, vielen Dank für das ausführliche Gespräch.
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