Am Tag, an dem sich Holzkirchen „Bunt zeigte“ und die Bürger sich für die Werte der Demokratie und des Anstands einsetzten, der Himmel königsblau war und die Schilder der Demonstranten kreativ, formulierte am Abend Michael Pelzer in starken Bildern seine Fastenpredigt.
„Es war großartig,“ fasst Moderatorin Monika Ziegler die erste der vier Veranstaltungen der Reihe Fastenpredigten zusammen. Gekommen waren weit mehr Gäste als erwartet in die Kapelle zur Heiligen Familie bei St. Josef in Holzkirchen.
Wie wird der Altbürgermeister von Weyarn, Michael Pelzer, die Frage „Wie wollen wir leben?“ angehen? Sein Auftrag, über die Frage zu sprechen, beginnt er, mit dem Kinderlied „Kleine Welt“, interpretiert von Jeanette Fiozzi, Steffi Baier und Dominic Wimmer, in das die Versammelten begeistert einstimmen. Nach diesem Eisbrecher wagt er sich in die schwierige Phase des Vortrags, der Analyse, vor.
„Wer ist das ‚wir‘ – ?“ Der Jurist seziert den Satz. „Ist das nicht eigentlich eine verdammt privilegierte Frage?
„Wenn wir, die wir nun seit 75 Jahren – länger als all die Jahrhunderte zuvor – keinem Krieg bei uns, keiner Hungersnot, keiner flächendeckenden Katastrophe ausgesetzt waren, bei uns, die wir – zumindest die ganz große Mehrheit von uns – im Wohlstand leben?“ Mancher Zuhörer wird vielleicht nicht ganz einverstanden sein, wenn Deutschland Waffen in die Ukraine liefert, dann ist dies doch eine indirekte Form an einem Krieg teilzunehmen.
Wir wollen leben
Michael Pelzer legt nach: „Können sich Menschen in der Ukraine, im Gazastreifen, im Sudan, im Jemen oder, oder, oder… diese Frage überhaupt so stellen wie wir oder wäre ihre Antwort einfach nur die Bitte um die nackte Existenz? Da heißt’s nicht: Wie wollen wir leben? Da heißt’s: Wir wollen leben! Überleben. Im Frieden, ohne Hunger, die Kinder beim Wachsen begleiten dürfen.“
Der Referent erkennt das Potenzial, aus dem „Wollen“ in der Fragestellung ein „Wünschen“ zu formulieren. Wünschen führt den Menschen in den Glauben; dahin, wo Hoffnung ist.
Über diese Brücke führt er seine Gedanken zum Wunsch, gesund zu sein und damit selbstbestimmt zu leben, aus: „Demokratie und Bürgerbeteiligung bedeuten, die Regeln des Zusammenlebens mitzubestimmen.“ Wieder ist es ihm damit gelungen, die tiefer liegende Ebene herauszuschälen, den Vorhang zu lüften, den Gedanken weiterzudenken.
„Jeder Mensch ist auf eine Melodie gestimmt und die Kunst des Lebens besteht darin, mit dieser Melodie in Harmonie zu kommen.“
Diesen Satz bekam Michael Pelzer von seinem Kollegen, Rudolf Pikola (von 1960 bis 1970 Bürgermeister von Miesbach) in einem Brief geschenkt. Er sieht darin die Individualität des Menschen herausgestellt. Man sollte sich seiner „bewusst“ werden und danach auch leben: „Nicht die Ängste der Eltern-Generation weiter mit sich schleppen, nicht unbedingt nach Geld streben, wenn man dafür nicht gemacht ist.“ Noch einmal gelingt es dem Fastenprediger auf den Punkt zu kommen, den Gedanken noch einmal zu schärfen, nicht in das Profane, Kalenderspruchhafte abzuschwingen. Nein, er hebt noch einmal das Niveau seiner Aussage: „Es gehört zur Selbstbestimmung, zur Harmonie mit meiner Melodie, dass ich mich und meine Melodie liebe, dass ich sie annehme.“
Mit dem gemeinsam mit den drei Musizierenden gesungenen Gospel „We’ve got the whole world in our hands“ gab es eine Antwort.
Michael Pelzer gelang, in mitreißender Form, die Frage „Wie wollen wir leben?“ herunterzubrechen und in einem schönen Bild der „Menschen Melodie“ sowie der Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens zusammenzufassen. Diese gab Miriam Makeba mit dem wunderschönen Lied: Hoffnung und Liebe bleiben. Na kupenda Malaika, womit die erste der vier Fastenpredigten einen sehr stimmungsvollen und runden Abschluss fand.
Glücksmomente schaffen
In der Diskussion ging es um Themen wie Hilfe in der Nachbarschaft oder das Lernen von kranken und sterbenden Menschen. Eine beklatschte Aussage: „Es gibt so viele gesunde Menschen, die krank im Hirn sind.“ Und eine andere: Schenke ein Lächeln und du bekommst es wieder.“ Mit dem Appell von Theresia Benda-Pelzer „schafft euch kleine Glücksmomente“ gingen die Gäste mit einem Lächeln nach Hause.
Die gesamte Predigt im Wortlaut finden Sie hier als pdf-Datei: Wie wollen wir leben II.
Die Fastenpredigten in der Reihe „anders wachsen“ werden traditionell an den Sonntagen der Fastenzeit gehalten. Diese Idee stammt von Markus Bogner, Biobauer und Sachbuchautor, der die zweite und dritte Predigten moderieren wird. Die weiteren Reden gestalten Architektin Karin Drexler („Wie wollen wir wohnen?“), Florian Hornsteiner, Gründer der Coworkerei Tegernsee („Wie wollen wir arbeiten?“), und der Professor für Religionswissenschaft und Rektor der Domicilium Akademie Michael von Brück („Wie wollen wir sterben?“). Matthias Hefter, Organisator der Reihe „St. Josef mit Leben füllen“, freut sich, dass mit den Fastenpredigten eine Form der Mitnahme der Besucher in den Dialog erfolgt.
Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im Online-Magazin KulturVision am 29.02.2024 | Ein Beitrag von Sandra Freudenberg.
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