“Hochverdächtige Befunde”, aber keine Beweise für Erstickungstod von Betty Böck

War es wirklich Mord, oder starb Barbara Böck eines natürlichen Todes? Am 12. Tag im sogenannten „Betty“-Prozess versuchte das Landgericht München, Antworten zu finden. Doch der Gerichtsmediziner hält beides für möglich.

Links das Wohnhaus von Barbara Böck. Rechts die Millionärin selbst. Starb sie eines gewaltsamen Todes?

Barbara Böck wurde am 22. März 2016 in ihrem Krankenzimmer im Klinikum Agatharied um 9:30 Uhr tot aufgefunden. Der Leichnam war zu diesem Zeitpunkt noch warm gewesen, wie eine Stationsärztin festgestellt hatte. Lungenversagen als Todesursache wurde im Totenschein festgehalten. Doch am natürlichen, altersbedingten Ableben gab es in den Wochen danach erhebliche Zweifel, da Böck Millionenwerte an Kunstgegenständen hinterließ.

Auf die soll es die Hauptbeschuldigte Renate W., die bis zuletzt Böck betreute, abgesehen haben. Um in den Besitz der Antiquitäten zu kommen, soll die Gesellschafterin die wehrlose Frau im Krankenzimmer mit einem Kissen oder einer Decke erstickt haben, so lautet jedenfalls der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, die Renate W. wegen Mordes angeklagte.

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Gerichtsmediziner kann keine eindeutigen Schlüsse ziehen

Mit Spannung wurde daher die Aussage des Gerichtsmediziners Professor Randolph Penning erwartet. Doch der machte deutlich, dass zunächst „aus den Krankenunterlagen von Böck und den Zeugenaussagen keine eindeutigen Schlüsse möglich sind“. Es gebe nichts, „was man wirklich greifen könnte“. Denn bei der 95-jährigen Patientin habe sich bis zum Todeszeitpunkt der Zustand zusehends verschlechtert. Dennoch habe nichts daraufhin gedeutet, dass sie bereits am 22. März hätte sterben können.

Daher sei auch ein „künstlicher Tod“ gut erklärbar. In dem Zustand, in dem Böck gewesen sei, könnten sowohl ein Herzstillstand und eine Lungenentzündung zum Tod geführt haben, wie auch ein Mord mit einer weichen Bedeckung. Da Böck in einem sehr geschwächten Zustand gewesen sei, wäre ein Zudrücken mit einem Kissen nur sehr kurze Zeit nötig gewesen, um ihren Tod zu bewirken, so der Rechtsmediziner. „Wir haben hochverdächtige Befunde, aber ein gewaltsamer Tod lässt sich nicht mit letzter Sicherheit beweisen“, so Penning.

„Keine Gewalteinwirkung feststellbar“

Auf Nachfrage des Verteidigers von W., ob ein Erstickungstod „rechtsmedizinisch belegbar“ wäre, musste der Gutachter des Gerichts einräumen, dass man in einem Bereich sei, in dem man nicht hundertprozentig sagen könne, so war es. „Den Sauerstoffmangel durch eine weiche Bedeckung können wir nicht mit letztendlicher Sicherheit nachweisen“.

Auch an den Lippen hätte es keine „Einreihungen der Zähne“ gegeben, die bei einem Druck auf den Mund entstehen würden. Ebenso wenig wäre laut Gutachter auch eine Gewalteinwirkung auf Kehlkopf und Brustkorb feststellbar gewesen. Dennoch sei eine stark aufgeblähte Lunge festgestellt worden, was wiederum für einen Erstickungstod sprechen könnte, weil Böck nicht mehr abatmen konnte.

Unbestritten ist nur, dass die Kreuther Millionärin Böck am 22. März 2016 auf der Palliativstation im Krankenhaus Agatharied starb. Doch für den Vorwurf der Staatsanwaltschaft, ihre Gesellschafterin habe den Tod mit einem Kissen herbeigeführt, dafür gab es heute aus Sicht des Gerichtsmediziners keine eindeutige Beweislage.

Vieles bleibt im Dunkeln

Tags zuvor schilderten zwei Mediziner den Gesundheitszustand von Böck. Tage vor ihrem Tod am 22. März sei er in das Seniorenstift Rupertihof in Rottach-Egern gerufen worden, sagte ein Arzt. Die unter einer immer schwerer gewordenen Demenz leidende Kunsthändlerin war dort zuletzt gepflegt worden. „Sie saß schwer schnaufend im Rollstuhl, war aber bei klarem Bewusstsein“, erinnerte sich der Mediziner. Beim Abhören der Lunge habe er Auffälligkeiten festgestellt, die Sauerstoffsättigung im Blut sei sehr niedrig gewesen. Er wies die alte Dame deshalb in die Klinik nach Agatharied ein.

Aber auch dort verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand deutlich. So der Befund einer Klinikärztin. Sie habe deshalb in der Krankenakte der alten Dame den Zustand mit „komatös“ vermerkt. Da man im Fall von Betty ein baldiges Ableben für möglich gehalten habe, sei sowohl auf die Überwachung durch die Monitore als auch auf den Einsatz von noch mehr Medikamenten und Beatmungs- und Dialysegeräten verzichtet worden.

Unabhängig vom Einzelfall sei es nicht „untypisch, dass sich der Gesundheitszustand eines Patienten bei einem solchen Krankheitsbild noch weiter verschlechtern kann“, sagte die Medizinerin zum rapiden körperlichen Verfall der alten Dame innerhalb kürzester Zeit. „Der Grund für die rapide Verschlechterung des Gesundheitszustandes von Böck bleibt im Dunkeln“, ergänzte heute Penning.

Die Frage, die nun das Gericht klären muss: Half die Angeklagte in einem Moment, in dem sie mit der nicht mehr ansprechbaren Böck allein im Zimmer war, vorsätzlich mit einem weichen Gegenstand nach, um so „heimtückisch einen Menschen zu töten“, wie es die Staatsanwaltschaft sieht. Nächste Woche wird das Urteil gesprochen.

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