So schaut’s aus am Seerosenstrand in Bad Wiessee: Erstmals hängt an der Holzhütte eine Strandordnung. Die sorgt nicht nur für Unverständnis bei den Einheimischen, sondern auch bei dem 78-jährigen Türken Taskin Sarier. An die 17 Regeln will und kann sich niemand so recht gewöhnen. Schließlich kam man nahezu dreißig Jahre lang ohne aus. Ein Auszug:
3. Den Anweisungen von Gemeindebediensteten ist uneingeschränkt Folge zu leisten.
4. Jeder Badegast und Besucher hat sich so zu verhalten, dass niemand gefährdet, belästigt oder in sonstiger Art und Weise mehr als unvermeidbar beeinträchtigt wird. Es ist zu unterlassen, was den guten Sitten sowie der Aufrechterhaltung der Sicherheit, Ordnung, Ruhe und Sauberkeit zuwiderhandelt.
5. Das Fotografieren und Filmen von Personen und Gruppen ohne deren Erlaubnis ist nicht gestattet.
6. Aus Sicherheitsgründen ist das Mitbringen von gefährlichen, scharfen oder zerbrechlichen, insbesondere Glasbehältern, untersagt.
7. Das Mitführen von Hunden (…) ist untersagt.
9. Jede gewerbliche Ausübung, insbesondere der Verkauf von Speisen und Getränken, ist untersagt.
12. Die Reservierung von Tischen, Sitz- und Liegeflächen ist nicht gestattet.
13. Die Lagerung von persönlichen Gegenständen (Liegen, Boote, Sonnenschirme) ist untersagt. Gelagerte Gegenstände werden (…) kostenpflichtig entfernt.
17. Zuwiderhandlungen werden mit Platzverweisen geahndet.
Trotz Zahlung der Jahresmiete – Taskin durfte Boje nicht nutzen
Im August vergangenen Jahres hatte die Gemeinde – ohne Ankündigung und Vorwarnung – alle Bänke und Tische vor der Holzhütte verschwinden lassen, die sowohl Gästen als auch Einheimischen als Sitzgelegenheit dienten. Wiessees Geschäftsleiter Hilmar Danzinger begründete diesen Schritt damals mit „massiven Beschwerden“ aufgrund der Lautstärke und des Alkoholkonsums an dem beliebten Treffpunkt.
Ständig seien die Tische und Bänke bis in die Nacht belegt gewesen, so Danzinger. Außerdem seien die Bänke „schwarz“ hingestellt worden, denn die Hütte und sämtliches darin befindliche Zubehör befände sich auf gemeindlichem Grund. Ein Schock für den 78-jährigen Türken Taskin Salier, der sich seit Jahrzehnten um das Strandbad und dessen Badegäste in seiner Art und Weise kümmert. Am Vorgehen der Gemeinde übte er deshalb Kritik.
Daraufhin ging Bürgermeister Peter Höß im Januar dieses Jahres noch einen Schritt weiter. Ohne Vorankündigung kündigte er dem 78-Jährigen die Boje, die dieser seit 20 Jahren angemietet hatte (wir berichteten). In seiner Not schaltete Taskin Sarier einen Rechtsanwalt ein und wandte sich an die bayerische Seen- und Schlösserverwaltung – aber die konnte ihm nicht helfen.
Boje inzwischen ganz verschwunden
Deren Verwaltungsleiter Peter Thümmler erklärte damals, dass Taskin „nichts unternehmen“ könne, da die Boje von der Gemeinde Bad Wiessee angemietet worden sei. Und die könne mit der Boje machen was sie wolle. Und das, obwohl der 78-Jährige die 530 Euro Jahresmiete bereits im Januar bezahlt hatte. In einem Schreiben teilte die Gemeinde ihm lediglich mit, dass ihm die Boje „ab sofort nicht mehr zur Verfügung steht“.
Doch nicht nur das. Inzwischen ist sie ganz verschwunden. Dafür hat Danziger folgende Erklärung: „Bei der Boje handelt es sich um eine sogenannte „Gästeboje“, die der Gemeinde von der Schlösser- und Seenverwaltung mit der Auflage überlassen wurde, dass diese wechselnd belegt werden soll.“
Da die erwünschte Wechselbelegung – beispielsweise von Gästen, die mit ihrem eigenen Schiff anreisen, mit dem Standort Seerosenstrand nicht erreicht werden könne – sei diese Boje zum Yachtclub gebracht worden, wo sie nun als Gästeboje vermietet wird. Die Mieteinnahmen erhalte die Gemeinde.
Dame vom Ordnungsamt „beschlagnahmt“ Bier
Der 78-Jährige hat zwischenzeitlich eine Ersatzboje gefunden. Hierbei handelt es sich um die Boje eines Freundes. Die Schikane gegen Taskin Sarier aber nehme – so die Ansicht einiger Einheimischer – kein Ende. Nicht nur, dass er „urplötzlich“ von der Gemeinde aufgefordert worden war, den Mietvertrag für seine am Ringsee angemietete Hütte aufzulösen, so beschlagnahmte eine Dame vom Ordnungsamt erst kürzlich eineinhalb Kästen Bier von ihm, die er im Tegernsee gekühlt hatte. Die Einheimischen finden’s „einfach fies“.
Auch der 78-Jährige empfand dies als Diebstahl seines Eigentums und drohte der Gemeinde mit einer Anzeige. Daraufhin habe die Gemeinde das Bier umgehend wieder herausgerückt, teilt der 78-Jährige mit. Ist Taskin also erneut im Visier der Gemeinde – oder hatte die Gemeindeverwaltung einfach nur Durst? Auch hierfür findet der Geschäftsleiter eine Erklärung:
Der Strand wird von Mitarbeitern des Bauhofs saubergehalten. Die Sauberkeit wird regelmäßig und mehrmals wöchentlich kontrolliert. Verstöße gegen die Badeordnung – hier der Genuss von alkoholischen Getränken – werden vom Ordnungsamt geahndet. Die angewendeten Mittel müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein.
Danzinger stimmt nicht darin überein, dass es „die letzten Jahre ohne Strandordnung gut funktioniert“ habe. Stattdessen sagt er: „Wir (die Gemeinde) sind zu dem Schluss gekommen, dass die Erstellung einer Badeordnung für den Seerosenstrand notwendig war. Es handelt sich um einen öffentlichen Strand, der von allen Bürgern und allen Gästen in gleichem Umfang genutzt werden können sollte. Leider haben einige wenige Personen diesen Strand in den letzten Jahren überdurchschnittlich stark beansprucht, was dazu geführt hat, dass sich viele Bürger und Gäste dort nicht mehr wohlgefühlt haben.“
Gemeint sei Folgendes: Am Seerosenstrand habe exzessiver Alkoholgenuss stattgefunden, „mit allen angezeigten Nebenwirkungen, wenn sich die nächste öffentliche Toilette nicht in unmittelbarer Nähe befindet“ – was eben nicht der Fall sei. Die Gemeindeverwaltung habe deswegen „massive und zahlreiche Beschwerden erhalten, auf die reagiert werden musste“. Deshalb die Badeordnung.
Fühlen sich Badebesucher ohne Taskin wirklich wohl?
Man sei „immer bestrebt, einvernehmliche Lösungen zu finden“, so Danzinger. Und eine solche stelle man sich am Seerosenstrand wie folgt vor: Alle Besucher sollen sich dort wohl und willkommen fühlen. Die Badeordnung sei lediglich „ein gemeindliches Instrument“, welches dabei helfe, dieses Ziel zu gewährleisten.
Dass der Genuss von Alkohol am Seerosenstrand verboten ist, davon steht zwar nichts auf der neuen Strandordnung, aber dass der Tegernsee Bier in Glasflaschen schlucken muss, das geht auf keine Gemeindehaut. Lieber begegnet man dem „Alkoholproblem“ und der Geselligkeit mit Plastikbehältern – und fehlenden Sitzmöglichkeiten. Letzere hat die Gemeinde – entgegen ihrer ursprünglichen „Bänke entfernen-Aktion“ in Form von zwei „Parkbänken“ wieder hergestellt, nachdem sich einige Touristen beschwert hatten.
In bester Sitzordnung bekam man dann auch mit, wie das an der Boje des Freundes befestigte Ruderboot von Taskin auf einmal leckschlug und nur dank Wasserwacht nicht absoff. Mysteriös? Nicht, wenn man Punkt 13 der Strandordnung berücksichtigt: “Die Lagerung von persönlichen Gegenständen (Liegen, Boote, Sonnenschirme) ist untersagt. Gelagerte Gegenstände werden (…) entfernt”. Rosige Aussichten am Seerosenstrand.
SOCIAL MEDIA SEITEN