Kinderpornografie in 1000 Fällen?

Gestern mussten sich zwei Schlierseer vor dem Miesbacher Amtsgericht verantworten. Sie sollen tausende kinderpornografische Bilder besessen und verbreitet haben. War einer der Angeklagten selbst Missbrauchsopfer? Und was hat Donald Trump mit diesem Fall zu tun?

Zwei Schlierseer mussten sich gestern in Miesbach vor Gericht verantworten. / Archivbild

Die rund sechsstündige Verhandlung gestern vor dem Miesbacher Amtsgericht hatte es in sich. Die beiden Angeklagten aus Schliersee kamen zunächst eine viertel Stunde zu spät. Als Sie den Gerichtssaal betraten, weigerten sie sich, überhaupt Platz zu nehmen, sondern verteilten Dokumente an Richter Klaus-Jürgen Schmid unter anderem darüber, dass alle Gesetze seit 1956 ungültig seien.

Vier Beamte der Miesbacher Polizeiinspektion waren nötig, damit die Angeklagten endlich Platz nahmen. Gleichzeitig pochten die beiden Männer, M. und B., darauf, dass es ausdrücklich im Protokoll vermerkt wird, dass sie nur unter Androhung von Gewalt ihre Plätze einnahmen.

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Eine skurrile Situation, die einer der Zuschauer noch verstärkte, indem er während der gesamten Verhandlung immer wieder dazwischen rief: „Krieg“, „Schwachsinn“, „Kein Vertrauen in die Justiz“. Nach einer halben Stunde Diskussion konnte die Verhandlung endlich beginnen.

Tausende Bilddateien sichergestellt

Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Angeklagten sowohl Besitz als auch Verbreitung kinderpornografischer Schriften vor. Demnach soll der 54-jährige M. zwischen 2014 und 2015 die Tauschbörse eMule installiert haben, auf der Inhalte und Dateien mit einer unbestimmten Anzahl von Nutzern getauscht und runtergeladen werden können. Hierüber soll er drei kinderpornografische Bilder verbreitet haben.

Zudem wurden auf einer externen Festplatte 2.272 Bilddateien gespeichert, die Kinder zwischen Null und 14 Jahren bei sexuell-motivierten Posen oder sexuellen, auch gewaltsamen Handlungen zeigen, die teilweise „mit einem oralen, vaginalen oder analen Eindringen einhergehen“, schilderte die Staatsanwältin. 165 kinderpornografische Bilder waren auf Dropbox gespeichert.

Buch-Dateien über WhatsApp verschickt

Der 45-jährige Angeklagte B. soll über WhatsApp auf seinem Handy zwischen 2017 und 2018 in 14 Fällen Dateien an verschiedene Nummern versendet haben, in denen kinderpornografische Bilder in einem Text eingebettet waren.

So enthält eine der Dateien neben einem Text auch Fotos, „bei denen unter 14-Jahre alte Jungen ihr von Misshandlungsstriemen übersätes Gesäß zeigen.“ Insgesamt wurden 32 kinderpornografische Bilder auf Bs Handy gefunden. Im gelöschten Bereich eines Netbooks wurden 33 und auf einer externen Festplatte 1.228 kinderpornografische Bilddateien festgestellt.

Mitglieder eines Schweizer Vereins

M. und B. wohnen gemeinsam in einem Haus in Schliersee, das Bs 80-jähriger Mutter gehört. Diese wiederum soll Präsidentin eines Schweizer Vereins sein, der zensurfreie Medien unterstützt. M. ist Schriftführer des besagten Vereins. Nach Angaben der beiden Angeklagten seien immer wieder viele Menschen in dem Haus ein und ausgegangen.

„Ich wusste weder von den Dateien noch wer das getan hat“, erklärte M vor dem Gericht. Er habe immer wieder Bilder zufällig auf dem Computer entdeckt, sie aber sofort gelöscht. Rund 50 Personen hätten Zugriff auf die Computer und elektronischen Geräte. „Aber ich dachte, der Verein sei klein?“, wollte Richter Schmid wissen. Nach Angaben von M stimmt das auch, aber es hätten viele Menschen für den Verein gearbeitet. „Ich habe keine pädophile Neigung. Was soll ich mit solchen Bildern?“

„Ich wurde selbst misshandelt!“

Darauf folgte ein Wut-Ausbruch des Angeklagten B. Die Bilder, die auf seinem Handy gefunden wurden, zeigen nämlich ihn selbst. „Das bin ich, ich wurde misshandelt! Die Bilder wurden von einem Polizisten aufgenommen! Die Fotos von mir kursieren als Kinderpornografie immer noch im Netz. Ich wurde so verkauft!“ Er nannte mehrere Polizei- und Kripobeamte in Deutschland, die Kinder vergewaltigt und misshandelt haben sollen.

Die Dateien, die er über WhatsApp verschickt hatte, beinhalten sein Buch, das er geschrieben hat und das veröffentlicht werden soll. „Die Dateien wurden sogar bis zu Donald Trump geschickt, weil da jemand gute Kontakte hat.“ Er selbst nennt sich einen Detektiv, der weltweit ermittelt, unter anderem Rumänien, Malta und Montenegro.

Ich verfolge jeden einzelnen, dem ich das zu verdanken habe, bis ich sie irgendwann inflagranti beim Pornoficken finde! Das ist mein Job!

In dem Buch schildert er seine eigenen Misshandlungen und Erlebnisberichte von 6000 anderen Opfern, die nach seiner Aussage von der Justiz im Stich gelassen wurden. „Stattdessen wurden wir wegen übler Nachrede oder sonstigen Straftaten verurteilt.“ Das zeigt auch das lange Strafregister, das Richter Schmid vorlas.

Verbindungen zu Reichsbürgern

B wurde unter anderem wegen Vortäuschens einer Straftat, falscher Verdächtigung, Beleidigung und Besitz kinderpornografischer Schriften verurteilt. Im Laufe der Verhandlung wurden durch einen Sachverständiger die einzelnen Computer, Geräte und Festplatten und die tausenden Dateien im Detail geschildert:

Ich habe schon sehr viele Fälle solcher Art bearbeitet. Einge Bilder, die ich hier auf den Geräten gefunden habe, kenne ich bereits aus anderen Fällen.

Zudem wurde unter anderem die Dropbox auf den Namen des Angeklagten M angelegt. Hinterlegt war ein Sparkassenkonto, das auf den Alias des Angeklagten B geführt wurde. „Das kann nicht stimmen, die Staatsanwaltschaft hat dieses Konto vor Jahren gesperrt“, wetterte B.

Auf dieser Dropbox wurden laut dem Sachverständiger auch Hinweise auf Reichsbürgerzugehörigkeit mit mehreren Verschwörungstheorien gefunden. Auch konnte ein Chatverlauf von B mit einem Mitglied von ‚Fürstentum Germania’ gefunden werden. „Ich bin nicht rechtsradikal“, betonte B, „aber wissen Sie, warum viele Missbrauchsopfer in die Richtung der Reichsbürger gehen? Weil ihnen sonst keiner zuhört.“

Verteidigung fordert Freispruch

Nach über fünf Stunden Verhandlung und zahlreichen Sichtungen der Bilder, forderte die Staatsanwältin, M. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten und B. zu einem Jahr und zehn Monaten zu verurteilen. „Der Angeklagte [B] hat den Besitz teilweise eingeräumt.“ Dennoch sei das Versenden der Dateien, auch wenn es einen selbst zeigt, verboten.

Das sah sein Verteidiger anders: „Das Weiterverbreiten via WhatsApp, wenn die Bilder in einen Text eingebettet sind, die die persönlichen Erfahrungen und das Leiden beschreibt, ist meiner Ansicht nach nicht strafbar.“ Er und auch Ms Verteidiger forderten einen Freispruch für beide.

„Er war im Besitz von 2.272 Bilddateien“

Letztendlich befand Richter Schmid den Angeklagten M schuldig des Besitzes kinderpornografischer Schriften. Da nicht eindeutig nachgewiesen konnte, dass M eMule zum Verschicken kinderpornografischer Bilder genutzt hat, wurde er im Punkt des Verbreitens freigesprochen.

M wurde insgesamt zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. „Er war im Besitz von 2.272 Bilddateien, die in verschiedenen Ordnern abgelegt und gespeichert waren“, führt Schmid aus. „Und diese Ordner enthielten mehrfach den Benutzernamen des [M].“

B ist nach Ansicht des Gerichts schuldig sowohl des Verbreitens in 14 Fällen und des Besitzes kinderpornografischer Schriften, allerdings nur, was die Dateien auf seinem Handy angeht. Richter Schmid verurteilte ihn deshalb zu elf Monaten auf Bewährung. „Es steht nirgends, dass man kinderpornografische Schriften, auf denen man selbst zu sehen ist, überall verbreiten darf.“

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